Fürstenkrone 179 – Adelsroman. Louisa Rosenhagen
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»Hagen, und du bist sicher, dass es kein Versehen war? Dass tatsächlich jemand mit Absicht das Gatter geöffnet hat?«, meldete sich Clarissa Koellner zu Wort.
Sie war eine Jugendfreundin des Grafen, arbeitete auf dem Gestüt und hegte den abwegigen Traum, die nächste Gräfin Holdt zu werden.
»Leider ja«, antwortete ihr angehimmelter Chef. »Bea und ich wissen, dass das Gatter am späten Abend ordnungsgemäß geschlossen war.«
Ach, das habt ihr bestimmt bei einem eurer Mondscheinspaziergänge, natürlich Händchen haltend, bemerkt, dachte Clarissa giftig. Nach außen zeigte sie einen angemessen betroffenen Gesichtsausdruck und sagte: »Du weißt, dass du dich auf uns alle verlassen kannst, Hagen!«
»Ja, danke dir, Clarissa.« Er schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und ging dann zum nächsten Thema über, dem Besuch des Hufschmieds.
Clarissas Gedanken schweiften ab. Das Gatter war geöffnet worden, ehe die Hunde Wind davon bekamen und anschlagen konnten. Das hieß, dass derjenige sich auf dem Gestüt gut genug auskennen musste, um schnell handeln zu können. Sie schaute in die Runde und wusste sofort, dass niemand der Anwesenden dafür infrage kam.
Ihr erster Gedanke war sofort zu Luca Freder gegangen, ihrem heimlichen Liebhaber. Freder war ein Erzfeind Hagens und wollte unbedingt Eichenhof in seine Hände bekommen, deswegen hatte er schon eine Menge Ärger angezettelt. Allerdings war er nicht der Mann, der sich selber die Hände schmutzig machte. Wen also mochte er auf das Gestüt angesetzt haben?
Richtig: Diesen Hänfling mit der großen Klappe, Marlon! Er hatte die Pubertätspickel noch nicht ganz überwunden und machte auf cool. Seine Arbeit hier war alles andere als befriedigend, und es war klar, dass die Chefs sich das nicht mehr lange mit ansehen würden. Über die Wege, auf denen Freder und Marlon sich begegnet sein mochten, machte Clarissa sich keine Gedanken. Es war nur gut, dass sie so schnell auf diese Fährte gekommen war, dann konnte sie dem dummen Bengel ein bisschen auf die Finger schauen.
Luca Freder würde ihre Aufsicht wahrscheinlich zu schätzen wissen. Vielleicht mit einer kleinen Aufmerksamkeit, für die sie seine Kreditkarte benötigte. Beispielsweise diese schwarzen Stiefel mit den nadeldünnen Absätzen und dem kleinen Brilli am Knöchel …
Erst als Clarissa Rosas Stirnrunzeln bemerkte, fiel ihr auf, dass sie wahrscheinlich selig vor sich hin gelächelt hatte, und das ging bei der gegenwärtigen Gefahrenlage ja nun überhaupt nicht! Sofort schaltete sie auf besorgte, hochkonzentrierte Mitarbeiterin um und unterstützte Hagen mit aufmunternden Blicken.
*
Caroline Stegen war heute als erstes der Geschwister zu Hause. Sie leerte den Briefkasten. Eine blöde Werbezeitschrift, die Rechnung des Telefonanbieters, eine Postkarte von einer Freundin ihrer Mutter, die gerade in Frankreich war – und ein Brief vom Melchior Verlag!
Jetzt musste Caro sich setzen! Sie drehte den großen Umschlag aufgeregt zwischen den Händen. Dass Kitty angeschnurrt kam und zärtlich ihr Köpfchen unter Caros Kinn rieb, half auch nicht viel. Die Versuchung, den Umschlag zu öffnen und nach dem Inhalt zu schauen, war einfach riesengroß! Das Mädchen schloss ihre Augen und setzte sich auf die Hände, um nicht in Versuchung zu geraten. Die Geschwister hatten sich gegenseitig das Versprechen gegeben, den Brief ganz bestimmt nur zu öffnen, wenn wirklich alle mit dabei waren.
Also wartete Caroline gefühlte drei Ewigkeiten, bis endlich auch Hanna und die Jungen durch die Tür kamen, ihre Rucksäcke fallen ließen und bereit waren, ihr zuzuhören. »Guckt mal, was ich habe!«, verkündete sie triumphierend und hielt den braunen Umschlag in die Höhe.
Für einen Augenblick herrschte absolute Stille, und dann brach der große Trubel los! Ob sie den Umschlag tatsächlich öffnen sollten, wie sie es besprochen hatten? Ob das mit dem Wasserdampf wohl wirklich so eine gute Idee war? Wie man den Brief wieder gut verschließen konnte? Ob ihre Idee tatsächlich so toll war, wie sie gemeint hatten?
Vor einigen Wochen hatten sie in einer Zeitschrift von einem Autorenwettbewerb gelesen, den der Melchior Verlag ausschrieb. Es gab tolle Preise, und dem Hauptgewinner winkten die Veröffentlichung, sagenhafte fünftausend Euro und ein Urlaub auf dem Reiterhof Eichenhof, wo auch die Preisverleihung stattfinden sollte.
Hanna, welche den Artikel zuerst gelesen hatte, war wie elektrisiert und steckte mit ihrer Begeisterung sofort ihre Geschwister an. Daran musste ihre Mutter sich unbedingt beteiligen!
Aber Sina lehnte ab und ließ sich auch nicht überreden. Sie fand, sie habe sowieso keine Chance, ihre Sachen seien nicht anspruchsvoll genug, das wäre alles nur für den Hausgebrauch und Ende der Diskussion!
Die Kinder drängelten noch ein bisschen und gaben dann scheinbar auf. In Wirklichkeit suchten sie Sinas bestes Manuskript heraus, vervollständigten es mit den persönlichen Daten ihrer Mutter und sandten die Geschichte ein. Was konnte schon passieren?
Entweder es kam überhaupt keine Antwort, dann hatte sich die Sache von allein geregelt.
Oder es kam ein Brief, und den mussten sie abfangen und vorsichtig öffnen. Wäre er eine schriftliche Ablehnung der Geschichte, würden sie ihn vernichten, und ihre Mutter hätte keine Enttäuschung erlebt.
Wäre er aber eine Gewinnbenachrichtigung, gäbe es für Sina eine große Überraschung.
Vier Augenpaare saugten sich an dem großformatigen Schreiben fest. Ein vierstimmiger Jubelschrei brachte die Gläser zum Klirren! Vor dem ausgelassenen Gekreische floh Kitty entsetzt unter die Küchenbank. Die Rucksäcke blieben an der Garderobe liegen, jetzt hatte niemand Zeit für Hausaufgaben! Die Geschwister warfen ihr Geld zusammen, und Hanna lief durch die kleine Holzpforte im Hofgarten zu ihrer Nachbarin und Freundin Marie Weidenthal. Ihre beiden Grundstücke grenzten aneinander, und man war ganz schnell im ›Fleur de Lys‹, dem traumhaft schönen Blumengeschäft Maries. Hier kaufte Hanna für ihre Mutter einen fantastischen Blumenstrauß aus hellen Rosen, Ranunkeln, Anemonen und Freesien, alles in zartem Rosé und Crème. Marie vervollständigte den Strauß mit filigranen Gräsern und wand ein Atlasband zwischen den Blüten hindurch. Das Gebinde sah aus, als sei es aus einem kostbaren Gemälde zum Leben erwacht.
Inzwischen hatten die drei anderen den Brief wieder verschlossen, den Tisch gedeckt und das Essen gewärmt. Jetzt musste bloß noch ihre Mutter kommen!
Und die ließ auf sich warten.
Nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen. Eine Kundin konnte sich überhaupt nicht für ein Kleid entscheiden und redete und redete und drehte sich vor dem Spiegel und wollte nun doch noch einmal das mit den rosa Perlen anziehen, bitte schön!
Sina blieb freundlich und rüschte und räumte und zupfte und wünschte sich nichts sehnlicher als den wohlverdienten Feierabend gemeinsam mit ihren Kindern! Endlich fiel der Kundin ein, dass sie sich heute noch gar nicht entscheiden musste, die Hochzeit war ja erst in einem Jahr, und Sina konnte endlich nach Hause eilen.
Als sie die Tür öffnete, schlug ihr der einladende Duft nach Essen entgegen. »Hallo, ihr Lieben!«, rief sie, schleuderte ihre Schuhe von den Füßen und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer in den Korbsessel am Küchentisch fallen. »Ist das schön, bei euch zu Hause zu sein! Meine Kundin eben hat mir den letzten Nerv geraubt, ich wollte nur noch weg! Wie schön, dass ihr alle hier seid und das Essen gemacht habt.«
Sina machte sich im Bad frisch, tauschte ihre Arbeitskleidung gegen ein bequemes Sommerkleid und setzte sich wieder an den Tisch. Sie wollte sich gerade aus der großen Salatschüssel bedienen, als