Dr. Norden Classic 46 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Während er darüber nachsann, hatten sie das Lagerfeuer erreicht. Susanne wechselte ein paar Worte mit einem der jungen Männer, die bereitwillig zur Seite rückten, um sie in ihren Kreis aufzunehmen. Sie ließ sich auf die kühlen Steine nieder. Felix, der kein Spielverderber sein wollte, tat es ihr nach und setzte sich neben sie. Es dauerte nicht lange, und schon hielten sie zwei Flaschen Bier in den Händen und waren in ein Gespräch verwickelt. Felix unterhielt sich ebenso gut wie Susa, und beide hatten viel zu lachen. Hin und wieder erwischte er sie dabei, wie sie ihn von der Seite ansah. Wenn er ihren Blick erwiderte, sah sie wie ertappt weg und nahm das Gespräch mit ihrem Nachbarn wieder auf.
Irgendwann spürte Felix, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte.
»Tolle Freundin hast du da!«, raunte ihm einer der jungen Männer zu, die mit ihnen ums Feuer saßen. »Aber an deiner Stelle würde ich aufpassen. Der Leo ist ein ziemlicher Schürzenjäger.«
Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Mannes, der neben Susanne saß und sich angeregt mit ihr unterhielt.
Augenblicklich zog sich Felix’ Magen zusammen. Im Laufe des Abends hatte er mehr und mehr Gefallen an dem hübschen, intelligenten Mädchen gefunden. Ihre tiefen Blicke hatten ihm Hoffnungen gemacht, die er nicht gleich wieder zerstört sehen wollte. Einer Eingebung folgend beugte er sich zu ihr hinüber und legte besitzergreifend den Arm um ihre Schultern.
Im ersten Augenblick schien Susa die Berührung zu genießen. Doch dan wurde ihr schmaler Körper steif, und sie sprang abrupt auf.
»Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«, kreischte sie und stürzte in blinder Wut nach vorne.
Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen starrte Felix ihr nach. In dem Moment, als er sie stolpern sah, sprang auch er auf die Beine. Doch es war zu spät. Ehe er handeln konnte, stürzte Susanne in Richtung des Feuers zu Boden. Im flackernden Lichtschein sah Felix ihre schreckgeweiteten Augen. Er sah, wie sie die Hände ausstreckte, um den Sturz abzufedern. Und gleich darauf hörte er ihren entsetzlichen Schrei, als sie auf dem Boden aufkam. Es sah aus, als ob die Flammen sie bei lebendigem Leib verschlucken wollten.
*
»Kannst du mir mal bitte eine Frage beantworten?« Felicitas Norden saß auf der Couch neben ihrem Mann. Sie hatte die Beine angezogen und blickte in das prasselnde Feuer – das erste des Herbstes –, das Daniel im Kamin angezündet hatte, nachdem sich der Besuch verabschiedet hatte.
Ihre Stimme klang so nachdenklich, dass Daniel Norden aufhorchte.
»Natürlich, mein Engel.«
»Warum ist eigentlich alles so schön mit dir?«
»Wie bitte?«, hakte Daniel verständnislos nach. Er hatte mit einem Problem gerechnet.
Fee lachte leise und schmiegte sich eng an ihren Mann.
»Ich meine … das ist doch nicht normal. Dass wir nach so vielen Jahren immer noch so glücklich sind und die Zeit zusammen so genießen können. Ich zumindest.« Sie sah zu ihm auf, und Daniel konnte nicht anders als ihren süßen Mund zu küssen.
Als er sich von ihr löste, lächelte er schelmisch.
»Stimmt. Jetzt, wo du es sagst … Es ist tatsächlich immer noch genauso aufregend, dich zu küssen, wie damals. Wenn nicht noch aufregender«, raunte er ihr zu und wollte sich wieder über seine Frau beugen, als Lärm im Flur zu hören war.
»Dad? Mum? Seid ihr da?« Es war unverkennbar Felix’ aufgeregte Stimme, die durch das Haus hallte.
Unwillig verdrehte Daniel die Augen.
»Ausgerechnet jetzt«, murrte er und ließ unwillig von seiner Frau ab.
»Wie heißt es so schön?«, scherzte Fee, um ihre Enttäuschung zu überspielen. »Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Deshalb ist unser Liebesleben wahrscheinlich auch bis heute so spannend wie am ersten Tag. Weil wir immer unterbrochen werden, wenn es am schönsten ist.«
»Ach, mein Feelein …« Daniel war an der Tür und schickte seiner Frau einen Handkuss, ehe er sich seinem Sohn zuwandte, der inzwischen vor der Wohnzimmertür stand.
Er war nicht allein.
»Puh, ein Glück, dass ihr noch wach seid«, begrüßte er seine Eltern erleichtert und stellte Susanne vor.
Sie hielt die Handflächen zum Körper und rang sich ein Lächeln ab.
»Freut mich, Sie kennenzulernen. Auch wenn die Umstände ein bisschen blöd sind.« Sie blickte auf ihre Hände.
»Was ist passiert?«, erkundigte sich Dr. Norden besorgt.
»Susa ist gestolpert und hat sich dummerweise auf einem glühenden Ast abgestützt.« Felix schilderte den Sachverhalt so knapp wie möglich. »Kannst du dir das mal bitte anschauen?«
»Ich hab ihm gesagt, dass das nicht nötig ist«, versicherte Susa. »Aber Felix hat darauf bestanden, dass ich mit hierher komme.«
»Das war eine seiner besseren Ideen«, entfuhr es Fee scherzhaft. Sie war ebenfalls herangekommen, um die jungen Leute zu begrüßen.
Im Normalfall hätte Felix über diesen Kommentar gelacht und seiner Mutter Paroli geboten. Doch in dieser angespannten Situation hatte er keinen Sinn für Humor.
»Sehr witzig, Mum. Vielen Dank«, knurrte er und sah seinen Vater fragend an. »Ist es sehr schlimm?«
»Dazu muss ich mir die Sache erst mal im Licht ansehen«, erklärte Daniel und bat Susanne hinüber in sein Arbeitszimmer. Dort gab es eine helle Lampe und darüber hinaus sämtliche Utensilien, die er zur Behandlung einfacher Verletzungen brauchte. »Können Sie bitte die Jacke ausziehen?«, bat er Susanne, während er seine Arzttasche öffnete. Als er sich zu ihr umdrehte, stand sie immer noch mitten im Zimmer. Sie schien seine Bitte nicht gehört zu haben. »Bitte ziehen Sie die Jacke aus. Ich kann Sie sonst nicht anständig untersuchen.«
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