Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden. Selma Lagerlöf
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Читать онлайн книгу Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden - Selma Lagerlöf страница 6
Sie kamen an einen Ort, wo einige große, massive Gebäude mit hohen Schornsteinen und dazu eine Menge kleinerer Häuser standen. »Dies ist die Zuckerfabrik Jordberga«, riefen die Hähne. »Dies ist die Zuckerfabrik Jordberga.«
Dann verloren sie Jordberga aus den Augen und flogen weiter über Svedala und Skabersjö und zurück über Börringekloster und Häckeberga. Der Junge bekam an diesem einen Tag mehr von Schonen zu sehen als in all den Jahren, die er bisher hier gelebt hatte.
Den größten Spaß hatten die Wildgänse, wenn sie zahmen Gänsen begegneten. Sie näherten sich ihnen ganz langsam und riefen: »Jetzt geht’s in die Berge! Kommt ihr mit? Kommt ihr mit?«
Doch die Hausgänse antworteten: »Der Winter ist noch im Land. Ihr seid zu früh aufgebrochen. Kehrt wieder um! Kehrt wieder um!«
Die Wildgänse flogen tiefer, um besser gehört zu werden, und riefen nun: »Kommt mit, wir zeigen euch, wie man fliegt und schwimmt!«
Da ärgerten sich die zahmen Gänse und schnatterten nicht einmal zur Antwort.
Die Wildgänse gingen noch weiter hinunter, so dass sie fast den Erdboden streiften, und dann schwangen sie sich blitzschnell empor, als hätte sie etwas furchtbar erschreckt. »Oj, oj, oj!«, riefen sie. »Das sind keine Gänse. Das sind nur Schafe.«
Die Hausgänse gerieten vollkommen außer sich und schrien: »Erschießen sollte man euch, alle miteinander, alle miteinander!«
Als der Junge diese Scherze hörte, lachte er. Dann aber fiel ihm ein, wie schlimm es um ihn selber stand, und da musste er weinen. Doch nach kurzer Zeit lachte er schon wieder.
In solcher Windeseile war er noch nie vorangekommen, und er war immer gern schnell und wild geritten. Natürlich hatte er sich niemals vorgestellt, wie frisch und munter man sich in der Luft fühlte und wie gut der Geruch von Harz und Humus war, der vom Boden aufstieg. Und er hatte sich auch nicht vorgestellt, wie es wäre, hoch über der Erde zu reisen. Das war, als flöge man Kummer und Sorgen und Ärger aller nur möglicher Art einfach davon.
Akka von Kebnekajse
Der Abend
Der große zahme Gänserich, der sich zu den Wildgänsen in die Luft emporgeschwungen hatte, war sehr stolz darauf, dass er in dieser Gesellschaft über Söderslätt fliegen durfte. Aber wie glücklich er auch war, so ließen seine Kräfte im Laufe des Nachmittags doch nach, und bald blieb er mehrere Gänselängen hinter den anderen zurück.
Als die Wildgänse am Ende der Schar merkten, dass der Zahme nicht mithalten konnte, riefen sie ihrer Anführerin zu: »Akka von Kebnekajse! Akka von Kebnekajse!«
»Was wollt ihr von mir?«, fragte die Leitgans.
»Der Weiße bleibt zurück! Der Weiße bleibt zurück!«
»Sagt ihm, schneller fliegt es sich leichter als langsam!«, rief Akka und verminderte das Tempo nicht im Geringsten.
Der Gänserich versuchte zwar, ihrem Rat zu folgen und schneller zu fliegen, doch er überanstrengte sich dabei so sehr, dass er bis zu den beschnittenen Weiden absackte, die Äcker und Wiesen säumten.
»Akka, Akka, Akka von Kebnekajse!«, riefen jene, die am Ende flogen und sahen, wie er sich abmühte.
»Was wollt ihr denn schon wieder?«, fragte die Leitgans und schien sehr verärgert.
»Der Weiße sinkt zu Boden! Der Weiße sinkt zu Boden!«
»Sagt ihm, hoch fliegt es sich leichter als niedrig!«, rief Akka. Und sie verminderte das Tempo nicht im Geringsten, sondern streckte sich wie zuvor.
Der Gänserich versuchte auch diesem Rat zu folgen, doch als er sich emporschwingen wollte, geriet er so in Atemnot, dass es ihm schier die Brust zerriss.
»Akka, Akka!«, riefen jene, die am Ende flogen.
»Könnt ihr mich nicht in Frieden lassen?«, schimpfte die Anführerin und schien noch ungehaltener zu sein.
»Der Weiße stürzt gleich ab! Der Weiße stürzt gleich ab!«
»Sagt ihm, wer der Schar nicht folgen kann, der soll nach Hause zurückkehren!«, rief Akka. Und sie dachte gar nicht daran, das Tempo zu vermindern, sondern streckte sich wie zuvor.
»Aha, so ist das also«, dachte der Gänserich. Auf einmal wurde ihm klar, dass die Wildgänse niemals die Absicht gehabt hatten, ihn mit nach Lappland zu nehmen. Sie hatten ihn nur zum Spaß von zu Hause weggelockt.
Es ärgerte ihn, dass er sich hatte hinters Licht führen lassen, doch gleichzeitig verlieh ihm dieser Ärger so große Kräfte, dass er nun fast genauso gut flog wie die anderen Gänse.
Lange hätte er sich auf solche Art wohl nicht bewegen können, aber das war auch nicht nötig, denn jetzt näherte sich die Sonne dem Horizont, und die Wildgänse setzten zur Landung an. Ehe der Junge und der Gänserich wussten, wie ihnen geschah, standen sie am Ufer des Vombsees.
»Hier sollen wir wohl die Nacht verbringen«, dachte der Junge und sprang vom Gänserücken.
Er stand auf einem schmalen Sandstrand, und vor ihm lag ein ziemlich großer See. Der bot einen unheimlichen Anblick, denn er war fast ganz mit einer Eisschicht bedeckt, die schwarz und uneben und voller Risse und Löcher war, wie Eis im Frühjahr immer. Dies hier würde wohl nicht mehr lange halten. Es hatte sich schon vom Ufer gelöst und wurde von einem breiten Gürtel aus schwarzem, blankem Wasser umgeben. Aber es war noch da und verbreitete über die Gegend Kälte und Winterschrecken.
Der Junge glaubte, er sei in eine Wildnis, in ein Winterland geraten, und seine Angst war so groß, dass er am liebsten laut geschrien hätte.
Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen und war hungrig. Doch woher sollte er etwas Essbares nehmen? Im März wächst dergleichen weder auf dem Boden noch an den Bäumen.
Ja, wie sollte er seinen Hunger stillen, und wer würde ihm Obdach geben und ihm ein Bett machen, wer würde ihn an seinem Feuer wärmen, und wer würde ihn vor wilden Tieren beschützen?
Jetzt war die Sonne verschwunden, vom See kam Kälte, vom Himmel senkte sich Dunkelheit, und im Wald begann ein Rischeln und Rascheln.
Da war es mit dem frohen Mut vorbei, den der Junge hoch oben in der Luft verspürt hatte, und in seiner Angst schaute er sich nach dem Reisekameraden um.
Aber dem Gänserich ging es noch schlechter als ihm selbst. Der sah aus, als müsse er sterben. Sein Hals lag schlaff auf dem Boden, seine Augen waren geschlossen, und sein Atem war nur ein schwaches Zischen.
»Lieber Gänserich Martin«, sagte der Junge, »versuch doch mal, einen Schluck Wasser zu trinken! Bis zum See sind es keine zwei Schritte.«
Aber der Gänserich regte sich nicht.
In früheren Zeiten hatte der Junge alle Tiere gequält, doch nun sah er in dem Gänserich seine einzige Stütze und hatte die größte Angst, ihn zu verlieren. Sogleich machte er sich daran, ihn zu schieben und zu schubsen und zum Wasser zu bewegen. Der Gänserich war groß und schwer, doch der Junge merkte