Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden. Selma Lagerlöf

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Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden - Selma Lagerlöf Reclam Taschenbuch

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dann aber reckte er den Schnabel empor, schüttelte sich das Wasser aus den Augen und schnaufte. Kurz darauf schwamm er stolz zwischen Schilf und Rohrkolben davon.

      Die Wildgänse waren schon im Wasser. Sie hatten gebadet und sich geputzt, und nun ließen sie sich treiben und schlürften halbverfaultes Laichkraut und Biberklee.

      Als der Gänserich zufällig einen kleinen Barsch entdeckte, griff er schnell zu, schwamm damit ans Ufer und legte ihn vor dem Jungen nieder. »Den sollst du haben«, sagte er, »zum Dank dafür, dass du mir ins Wasser geholfen hast.«

      Das war das erste freundliche Wort, das der Junge an diesem ganzen Tag hörte. Er freute sich so sehr, dass er den Gänserich am liebsten umarmt hätte, brachte es aber doch nicht fertig. Über das Geschenk freute er sich auch. Er glaubte zwar nicht, dass man rohen Fisch essen könnte, aber dann bekam er doch Lust und wollte es versuchen.

      Er fühlte nach, ob er sein Fahrtenmesser hatte, und zum Glück hing es noch am hinteren Hosenknopf, war aber so zusammengeschrumpft, dass es nicht einmal so lang wie ein Streichholz war. Na, auf jeden Fall konnte man damit den Fisch schuppen und säubern, und es dauerte nicht lange, da hatte der Junge den Barsch verspeist.

      Als er nun restlos satt war, schämte er sich, dass er es fertiggebracht hatte, etwas Rohes zu essen. »Mir scheint, ich bin kein Mensch mehr, sondern ein richtiger Kobold«, dachte er.

      Gerade hatte der Junge den letzten Bissen verschlungen, da sagte der Gänserich mit leiser Stimme: »Weißt du, das Gänsevolk, an das wir geraten sind, ist so stolz, dass es alle zahmen Vögel verachtet.«

      »Ja, das habe ich schon gemerkt«, sagte der Junge.

      »Ich würde es mir sehr zur Ehre anrechnen, wenn ich mit nach Lappland fliegen und ihnen zeigen könnte, dass eine Hausgans auch etwas taugt.«

      »Jaa«, sagte der Junge zögernd.

      »Aber ich glaube, allein kann ich eine solche Reise nicht bewältigen«, fuhr der Gänserich fort, »und deshalb möchte ich dich fragen, ob du nicht mitkommen und mir helfen willst.«

      Der Junge, der natürlich nur daran gedacht hatte, möglichst schnell nach Hause zurückzukehren, wusste nicht, was er darauf antworten sollte. »Ich hatte geglaubt, wir zwei wären uns feind«, sagte er. Aber das schien der Gänserich völlig vergessen zu haben. Er erinnerte sich nur daran, dass der Junge ihm eben erst das Leben gerettet hatte.

      Eigentlich gefiel es dem Jungen ja ganz gut, dass er dann seinen Eltern eine Zeitlang nicht unter die Augen zu kommen brauchte. Gerade wollte er dem Vorschlag zustimmen, als hinter ihnen ein lautes Getöse ertönte. Das waren die Wildgänse, die alle auf einmal aus dem See gekommen waren und jetzt das Wasser abschüttelten. Dann stellten sie sich in einer langen Reihe auf und liefen mit der Leitgans an der Spitze auf die beiden zu.

      Als der weiße Gänserich die Wildgänse nun betrachtete, wurde ihm unbehaglich zumute. Er hatte erwartet, dass sie den zahmen Gänsen ähnlicher wären und dass er mehr Verwandtschaft mit ihnen empfinden könnte. Sie waren viel kleiner als er, und keine von ihnen war weiß, sondern alle waren sie grau mit einzelnen braunen Flecken. Und Augen hatten sie, dass er sich fast davor fürchtete, die leuchteten, als brenne dahinter ein Feuer. Der Gänserich hatte sein Leben lang gelernt, es sei am schicklichsten, langsam und watschelnd zu gehen, aber diese hier gingen nicht, sie rannten eher. Sie waren munter und unbekümmert und fragten nicht danach, wohin sie traten. Ansonsten waren sie sehr ordentlich und sorgfältig geputzt, doch an ihrem Gebaren merkte man, dass sie arme Schlucker der Wildnis waren.

      Die Wildgänse blieben vor ihnen stehen und neigten viele Male die Hälse, und der Gänserich tat das Gleiche, sogar noch öfter als sie. Als sie sich ausreichend begrüßt hatten, sagte die Leitgans: »Jetzt möchten wir gern wissen, wer ihr denn seid.«

      »Von mir gibt es nicht viel zu berichten«, antwortete der Gänserich. »Ich wurde vorigen Frühling in Skanör geboren. Im Herbst wurde ich an Holger Nilsson in West-Vämmenhög verkauft, und dort bin ich bis jetzt gewesen.«

      »Mit Ruhm scheinst du dich nicht bedeckt zu haben«, sagte die Leitgans. »Wie kannst du nur so anmaßend sein, mit Wildgänsen reisen zu wollen?«

      »Vielleicht will ich euch damit beweisen, dass wir zahmen Gänse auch etwas taugen«, entgegnete der Gänserich.

      »Das wäre ja gut, wenn du das könntest«, sagte die Leitgans. »Wie viel du vom Fliegen verstehst, haben wir schon gesehen. Aber vielleicht bist du in einer anderen Sportart tüchtiger. Es mag ja sein, dass du ein starker Langstreckenschwimmer bist.«

      »Nein, dessen kann ich mich nicht rühmen«, sagte der Gänserich. Er hatte den Eindruck, dass die Leitgans schon beschlossen hatte, ihn nach Hause zu schicken, und es kümmerte ihn nicht mehr, wie seine Antwort aufgenommen wurde. »Weiter als über eine Mergelgrube bin ich nie geschwommen«, fuhr er fort.

      »Dann erwarte ich, dass du ein Meister im Laufen bist«, sagte die Gans.

      »Nie in meinem ganzen Leben habe ich eine Hausgans rennen sehen, und ich selbst habe es auch niemals getan«, sagte der Gänserich und machte die Sache schlimmer, als sie war.

      Er war nun fest davon überzeugt, dass die Leitgans es entschieden ablehnen würde, ihn weiter mitzunehmen. Deshalb staunte er sehr, als sie sagte: »Du antwortest auf Fragen ohne Furcht, und wer furchtlos ist, der kann ein guter Reisekamerad werden, auch wenn ihm zu Anfang die Erfahrung fehlt. Was meinst du, willst du ein paar Tage bei uns bleiben, bis wir dich richtig kennengelernt haben?«

      »Damit bin ich sehr zufrieden«, sagte der Gänserich und freute sich von Herzen.

      Nun deutete die Leitgans mit dem Schnabel auf Nils Holgersson und sagte: »Aber wen hast du denn da bei dir? So einen wie den habe ich noch nie gesehen.«

      »Das ist mein Kamerad«, sagte der Gänserich. »Er hat sein Leben lang Gänse gehütet und wird sich auf der Reise gewiss nützlich machen.«

      »Ja, für eine Hausgans mag es ja gut sein, ihren Hüter bei sich zu haben«, antwortete die wilde. »Wie heißt er denn?«

      »Er hat mehrere Namen«, entgegnete der Gänserich zögernd und wusste nicht, was er so schnell darauf antworten sollte, denn er wollte nicht verraten, dass der Junge einen Menschennamen hatte. »Er heißt wohl Däumling«, sagte er.

      Es war leicht zu sehen, dass jene Gans, die mit dem Gänserich sprach, sehr alt war. Sie hatte einen größeren Kopf und dickere Beine als alle anderen. Ihre Federn waren steif, die Schultern knochig und der Hals dünn. So hatte sich das Alter ausgewirkt. Nur ihren Augen hatte die Zeit nichts anhaben können, die leuchteten heller und gleichsam jünger als bei jeder anderen Gans.

      Als sie sich jetzt an den Gänserich wandte, war sie sehr würdevoll: »Wisse nun, Gänserich, dass ich Akka von Kebnekajse bin, und jene Gans, die gleich zu meiner Rechten fliegt, ist Yksi von Vassijaure, und die zur Linken ist Kaksi von Nuolja! Wisse auch, dass die zweite Gans zur Rechten Kolme von Sarjektjåkko ist, und die zweite zur Linken ist Neljä von Svappavaara, und hinter ihnen fliegen Viisi von Oviksfjällen und Kuusi von Sjangeli! Und wisse, dass diese, ebenso wie die sechs jungen Gänse, die, drei zur Rechten und drei zur Linken, am Ende fliegen, allesamt Hochgebirgsgänse aus bester Familie sind! Du sollst uns nicht für Landstreicher halten, die sich mit jedem Beliebigen zusammentun, und du sollst auch nicht glauben, dass wir unseren Schlafplatz mit einem teilen, der uns nicht sagen will, aus welchem Geschlecht er stammt.«

      Als Akka, die Leitgans, auf diese Weise sprach, trat der Junge rasch vor. Es hatte ihn traurig gestimmt, dass der Gänserich, der

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