Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth

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Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz - Ödön von Horváth Reclams Universal-Bibliothek

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verkaufen -- auf was die Leut noch alles kommen werden?

      ELISABETH. Man möchte doch nicht immer so weiter.

      PRÄPARATOR. Ein krasser Irrtum -- (er holt aus seiner Tasche eine Tüte Vogelfutter und füttert damit die Tauben, die vom Dache des Anatomischen Instituts herabfliegen – die Tauben kennen den Präparator gut und setzen sich auf seine Schulter und fressen ihm aus der Hand).

      Szene Nummer 5

       Jetzt begleitet der Oberpräparator einen Baron mit Trauerflor aus dem Anatomischen Institut in das Freie.

      OBERPRÄPARATOR. Wird prompt erledigt, Herr Baron, und abermals mein innigstes Beileid.

      BARON. Danke, Herr Oberpräparator. Ich mache mir die heftigsten Vorwürfe.

      OBERPRÄPARATOR. Aber die staatsanwaltschaftlichen Erhebungen haben doch die völlige Haltlosigkeit der gegen Herrn Baron erhobenen etwaigen Beschuldigungen ergeben! Wir alle sind in Gottes Hand.

      BARON. Trotzdem ich stand vor Verdun und an der Somme, aber nichts hat mich so erschüttert, wie diese Katastrophe gestern. Wir waren ja erst seit drei Monaten verheiratet und ich steuerte den Unglückswagen -- in der Unglückskurve. Zwischen Lechbruck und Steingaden. Nur gut, dass der Leichnam freigegeben ist.

      [14]OBERPRÄPARATOR (entdeckte inzwischen den Präparator). Augenblick bitte! (Er nähert sich dicht dem Präparator und schreit ihn an.) Sie füttern schon wieder die Tauben? Was bilden Sie sich denn ein? Saustall sowas! Drinnen liegen die Finger und die Gurgeln nur so herum, dass es eine wahre Freud ist! Tuns die beiden Herzen und die halberte Milz gefälligst in die Schublad! Kreuzkruzifix, ist das aber eine Schlamperei!

      PRÄPARATOR. Aber das Fräulein dort wollte doch ihre Leiche verkaufen, Herr Oberpräparator --

      OBERPRÄPARATOR. Ihre Leiche? Schon wieder?

       (Stille.)

      BARON. Beispiellos.

      OBERPRÄPARATOR. Wir haben es zwar schon weiss Gott wie oft dementiert, dass wir keine solchen lebendigen Toten kaufen, aber die Leut glauben halt den amtlichen Verlautbarungen nichts! Die bilden sich gar ein, dass der Staat für ihren Corpus noch etwas daraufzahlen wird -- gar so interessant kommen sie sich vor! Immer soll nur der Staat helfen, der Staat!

      BARON. Eine völlig beispiellose Ansicht über die Pflichten des Staates.

      OBERPRÄPARATOR. Wird schon noch anders werden, Herr Baron.

      BARON. Hoffentlich.

      Szene Nummer 6

      DER VIZEPRÄPARATOR (erscheint mit dem Hute des Oberpräparators rasch in der Tür des Anatomischen Instituts). Telefon, Herr Oberpräparator!

      OBERPRÄPARATOR. Wer? Ich?

      VIZEPRÄPARATOR. Es dreht sich etwas um das Gutachten in [15]Sachen Leopoldine Hackinger aus Brünn. Herr Oberpräparator sollen sofort in die Klinik zum Professor -- (er überreicht ihm seinen Hut).

      OBERPRÄPARATOR. Sofort! (Er zieht hastig seinen weissen Mantel aus und übergibt ihn dem Vizepräparator, der wieder im Anatomischen Institut verschwindet; zum Baron) Pardon Baron! Die Kapazitäten kriegens mir scheint nicht heraus, an was dass diese Sudetendeutsche gestorben ist. Die Pflicht ruft --

      BARON. Oh bitte!

      OBERPRÄPARATOR. -- und abermals mein innigstes Beileid!

      BARON. Oh danke!

      OBERPRÄPARATOR. Habe die Ehre, Herr Baron! (rasch ab nach rechts).

      BARON. Wiedersehen -- (langsam ab nach links).

       (Und wieder ertönen in weiter Ferne einige Takte des Chopinschen Trauermarsches. Langsam fängt es an zu dämmern, denn es ist bereits spät am Nachmittag.)

      Szene Nummer 7

      PRÄPARATOR (sieht dem Oberpräparator nach). Ein schlechter Mensch. Die armen Tauben. Glaubens mir, Fräulein: Das Beste ist, Sie springen zum Fenster hinaus.

      ELISABETH. Sie sind aber ein sehr freundlicher Mann, Herr Oberpräparator.

      PRÄPARATOR. Ich mein es gut mit Ihnen. Wer kauft eine Leiche? Heutzutag!

      ELISABETH. Morgen ist auch ein Tag.

      PRÄPARATOR. Es wird nicht anders.

      ELISABETH. Das glaub ich nicht.

      PRÄPARATOR. Sondern vielleicht?

       (Stille.)

      ELISABETH (lächelt). Nein -- das lasse ich mir auch von Ihnen [16]nicht nehmen, dass ich noch einmal Glück haben werde. Sehens zum Beispiel, wenn ich jetzt meine Leiche hätt verkaufen können, nämlich um hundertfünfzig Mark --

      PRÄPARATOR (unterbricht sie). Hundertfünfzig Mark?

      ELISABETH. Jawohl.

       (Stille.)

      PRÄPARATOR (grinst). Sie Kind -

      ELISABETH. Wie belieben?

      PRÄPARATOR. Was ist denn Ihr Vater von Beruf?

      ELISABETH. Ein Inspektor.

      PRÄPARATOR. Inspektor? Respekt!

      ELISABETH. Aber er kann mir halt auch nicht unter die Arme greifen, weil meine Mama im März das Zeitliche gesegnet hat und da hat er gleich soviel Ausgaben gehabt damit.

      PRÄPARATOR. Was ist schon so ein lumpiger Oberpräparator neben einem Inspektor? Respekt, Fräulein!

      ELISABETH. Sehens, wenn ich jetzt hundertfünfzig Mark hätt, dann könnt ich jetzt meinen Wandergewerbeschein haben und dann würde sich mir die Welt wieder öffnen --- weil ich mit einem Wandergewerbeschein schon morgen eine sozusagen fast selbständige Position bekommen tät in meiner ursprünglichen Branche, aus der ich herausgerissen worden bin durch die Zeitumstände.

      

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