Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam. Katharina Bahn
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Ich plane vor dem Start der großen Tour noch einen Trip nur für mich allein. Es fällt mir schwer, mich zu entscheiden, wohin es gehen soll. Ein Sonnenziel, für mindestens drei Wochen nehme ich mir vor – ich will nicht so viele Länder wie möglich in kurzer Zeit abklappern, sondern mir genug Zeit zum Eintauchen nehmen.
Nach längeren Recherchen fällt die Entscheidung. Unsere Land-Rover-Tour startet erst Ende März. Von der Arbeit freigestellt bin ich bereits ab Ende Januar. Ich habe also den ganzen Februar Zeit.
Und nun ist es soweit. Ich stopfe mein Leben in den bereits erwähnten Rucksack und gebe es auf, alle möglichen Eventualitäten der nächsten Monate durchzuspielen. Mein Untermieter ist gerade eingezogen. Wir verbringen den letzten Januartag gemeinsam in meiner, jetzt vorübergehend unserer Wohnung. Ich berichte von meinen Plänen. Er reagiert verhalten – auf große Reise mit einem Wildfremden? Diese Bedenken kommen nicht das erste Mal auf. Ich gebe zu, diesen Aspekt der Reisevorbereitung etwas unterschätzt zu haben: die Meinungen anderer. Besonders den ungefragten ist man plötzlich ausgeliefert. Natürlich schätze ich die Ansichten meiner Freunde. Aber ich tue mich schwer mit der Meinung von Menschen, die gerade mal meinen Namen kennen und abgesehen davon kaum etwas über mich wissen. Besonders beliebt ist der Satzanfang „Also ich würde …“. Ein weiterer Klassiker ist die Frage: „Und wie machst du das finanziell?“ Von älteren Generationen werde ich zum Teil belächelt. Ob man in meinem Alter denn schon so gestresst vom Arbeiten sei, dass man eine Auszeit brauche? Die Antwort lautet: Nein. Ich brauche das nicht. Ich will es einfach machen. Und was heißt eigentlich „in meinem Alter“? Laut moderner Soziologen gehöre ich in die Generation Y. Oder irgendwohin zwischen Generation Golf und Generation Tinder. Wer weiß das schon so genau. Mein Smartphone (übrigens ohne Tinder) liegt neben meinem Videorekorder. Sagt das etwas über mich aus? Kann man Menschen anhand ihres Geburtsjahres denn überhaupt ein Etikett verpassen? Ich denke, es sind in erster Linie unsere individuellen Erfahrungen, die uns prägen. Stress und schwierige Situationen im Leben bewertet jeder anders. Ich behaupte, schon die ein oder andere Krise gemeistert zu haben und mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen. Hin und wieder bin ich aber auch eine Luftschlossarchitektin und träume gerne mal vor mich hin. Eine fabelhafte Ausgangsbasis für einen Tapetenwechsel, wie ich finde. Jedoch muss ich mir ein ziemlich dickes Fell zulegen, denn nicht jeder ist begeistert von meiner Idee. Ich erhalte wahnsinnig viel Unterstützung, aber bekomme auch Contra. Einer meiner Freunde beispielsweise faltet mich ob meiner Reiseidee so zusammen, dass ich die halbe Nacht mit Schweißausbrüchen im Bett liege. Die Hobbypsychologin in mir filtert Sorge, Unsicherheit, Neid – aber nicht jede Reaktion kann ich einordnen. Ich denke, wer auf Reisen geht, muss ein Stück weit resistent gegen seine Umwelt werden. Auch wenn es zum Teil die engsten Freunde sind. Und ist es nicht im Grunde bei jeder Lebensentscheidung so? Man wird es ohnehin nie allen recht machen. Also fresst meinen Sternenstaub. Ich bin dann mal weg. Morgen fliege ich los – für ganze vier Wochen auf die Seychellen.
Februar
Wasserschildkröten-Curry
Irgendwo über Südosteuropa entrolle ich eine weiße Stoffserviette über meinen Schoß. Zum ersten Mal in meinem Leben fliege ich in der Business Class. So startet mein freies Jahr. Mein Ziel ist Mahé, die Hauptinsel der Seychellen, mit Umstieg in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.
Obwohl ich Übernachtungen in Hotels liebe, freue ich mich auf mein erstes persönliches Experiment: Vor mir liegen vier Wochen ohne eine einzige Nacht in einem Hotel. Ich erhoffe mir, auf diese Art ein fremdes Land ganz anders kennenzulernen. Wie könnte das besser gelingen, als durch das Übernachten bei Einheimischen? Gleich zwei verschiedene Couchsurfing-Gastgeber werden mich aufnehmen. Eine weitere Unterkunft habe ich über Airbnb gebucht. Und schließlich habe ich noch eine Bleibe bei einem entfernten Verwandten, den ich zuletzt gesehen habe, als ich etwa fünf Jahre alt war.
Die Flugbegleiterinnen der äthiopischen Fluglinie tragen afrikanische Gewänder und die Lautsprecherdurchsagen klingen herrlich fremdartig. Die Business Class war ein Zufallsschnäppchen und bietet abgesehen von dem in eine Liege verwandelbaren Sitz schicke weiße Tischdecken, richtiges Besteck aus Metall und edle Menükarten. Ich fühle mich wie die Queen persönlich und bedaure es fast ein wenig, als wir nach rund sieben Stunden zur Landung ansetzen.
Der Flughafen in Addis Abeba schläft bei unserer Ankunft noch. Ein Duty-Free-Laden reiht sich an den nächsten, gefolgt von fragwürdig aussehenden Restaurants und Gebetsräumen, getrennt nach Männern und Frauen.
Am Stehtisch eines Raucherraums fällt mir das Zigarettenpäckchen meines Tischnachbarn ins Auge. Die Warnhinweise darauf sind auf Deutsch. Wir kommen ins Gespräch – der etwas übermüdete Herr um die Vierzig reist beruflich viel auf dem afrikanischen Kontinent umher. Er empfiehlt mir den äthiopischen Kaffee und lädt mich spontan auf eine Tasse ein. Der Kaffee ist tatsächlich sehr lecker und ich schlürfe ihn in kleinen Schlückchen. Zeit dafür habe ich genug, meine Geduld wird gleich am ersten Tag auf die Probe gestellt: Der Weiterflug, der mich ins Inselparadies bringen soll, schiebt sich immer weiter nach hinten. Ich lande mit einer Verspätung von insgesamt rund fünf Stunden auf der Hauptinsel Mahé. Mein erster Couchsurfing-Gastgeber versprach mir, mich vom Flughafen abzuholen. Ich bin nervös. Ob er nach so viel Verspätung noch auftauchen wird? Ich kenne gerade mal seinen Namen und habe ein einziges Foto von ihm gesehen – dies erweist sich auch am Einreiseschalter als leicht problematisch. Ich habe keine Adresse und versuche der Dame hinter dem Tresen das Prinzip von Couchsurfing zu erklären. Ich kenne diesen Menschen nicht, aber übernachte bei ihm. Kostenlos. Vermutlich hält sich mich für irre, aber lässt mich schließlich durch.
Ich verlasse das Gebäude, es ist bereits dunkel. Mir schlägt warme, schwüle Luft und Grillenzirpen entgegen. Dutzende Menschen stehen auf dem Vorplatz des kleinen Flughafens herum, aber von meinem Gastgeber namens Daxwell ist nichts zu sehen. Nach einer Zigarettenlänge Nachdenken beschließe ich, einfach mal einen Taxifahrer zu fragen. Ich nenne ihm den Namen des Gesuchten, er verschwindet kurz – und taucht wenige Minuten mit einem freundlich lächelnden Insulaner im Schlepptau wieder auf. Ich bin total von den Socken, wie einfach das war. In diesem Inselstaat leben immerhin rund 90.000 Menschen.
Daxwell, kurz Dax, ist sehr sympathisch. Wir plaudern bei einem Cocktail in einem Restaurant und lernen uns ein wenig kennen. Danach fahren wir mit drei Schachteln lecker duftendem Seafood zu seinem Haus in Beau Vallon. Es ist noch eine andere Couchsurferin aus Deutschland zu Gast: Carina – ich schließe sie sofort in mein Herz. Das kölsche Mädchen lacht genauso gern wie ich und wir sind von Anfang an auf einer Wellenlänge. Spätabends überlässt uns Dax überraschenderweise sein großes Bett und gibt sich selbst mit einer dünnen Matratze auf dem Boden zufrieden.
Am nächsten Morgen begutachte ich neugierig das Haus. Ich bin gespannt, wie ein Insulaner lebt und wie man sich in einem IKEA-freien Land einrichtet. Unten befindet sich die Küche, die Arbeitsecke des Hausherrn und mehrere Schlafräume mit einem Badezimmer. Was die Möbel angeht – auf einen einheitlichen Stil scheint Dax nicht besonders viel Wert zu legen.
Hier im Erdgeschoss sind etwa sechs bis acht (so genau ist das nicht zu durchschauen) indische Arbeiter untergebracht. Sie werden von Dax auf einer Baustelle direkt neben seinem Haus beschäftigt. Apartments zur Vermietung sollen das werden. Wenn ich den Arbeitern in der gemeinsamen Küche des Hauses begegne, gehen sie mir scheu aus dem Weg. Sobald ich den Mund aufmache, werde ich mit großen, fast ängstlichen Augen angestarrt. Ich verbuche das mal als