Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam. Katharina Bahn
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Interessant ist für mich der Austausch mit den Frauen der Familie unter Dreißig. Sie sind allesamt verheiratet und haben bereits ein bis zwei Kinder im Schlepptau. Ich berichte, dass ich 29 Jahre alt, ledig und kinderlos bin und zudem allein lebe. Zu meinem Erstaunen und Vergnügen ernte ich mitfühlende Blicke. Eine Seychellois ist in meinem Alter fast immer schon Ehefrau und Mutter. Solche und andere spannenden Begegnungen sorgen dafür, dass meine Zeit auf Mahé wie im Zeitraffer vergeht.
Mit der Cat-Cocos-Fähre wage ich die schaukelige Überfahrt zu der kleinen, weitestgehend autofreien Insel La Digue. Mit der Seekrankheit habe ich im Normalfall keine Probleme. Dies können jedoch nicht alle Fahrgäste um mich herum von sich behaupten. Um auszublenden, wer wie intensiv leidet, schließe ich die Augen, höre über Kopfhörer laut Musik und atme nur noch durch den Mund.
Am Hafen angekommen, schleppe ich mich in der prallen Sonne zum Ende des Fähranlegers. Im Schatten eines großen Baumes lasse ich mich fallen. Hier soll ich meine Gastgeberin Rita treffen. Meine nächste Unterkunft ist ein Airbnb namens „The blue house for dog lovers“. Nach zehn Minuten hat sich das Durcheinander aus Touristen und Einheimischen gelegt. Ich bin allein. Niemand da, der auf mich wartet. Mal wieder. Diesmal sehe ich das schon entspannter. Eine kleine Touristeninformation in der Nähe schafft Abhilfe. Ich versuche, meine Unterkunft zu beschreiben – ein blaues Haus. Ganz viele Hunde. Rita heißt die Besitzerin. Die Dame von der Touristeninformation führt zwei Telefonate und nach weiteren zehn Minuten sammelt Rita mich ein. Hat also wieder geklappt.
Rita hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, heimatlose Hunde aufzunehmen. Mehr als 25 Hunde leben bei ihr und ich bin für eine Woche im Himmel. Es gibt große und kleine, einfarbige, gescheckte, welche mit langem Fell, welche mit kurzem. Das Streicheln der Tiere ist wie eine Therapie für mich. Tinkerbell, eine wunderschöne Hundedame mit hellbraunem Fell, folgt mir auf Schritt und Tritt. Ritas märchenhaftes Haus im Kolonialstil ist von einem großen Grundstück umgeben. Ich erfahre viel über ihr Leben: Rita ist die Tochter eines Schriftstellers namens Denis Ronald Sherman, der ebenfalls einen Teil seines Lebens auf den Seychellen verbracht hat. Er und Ritas Mutter kamen aus Großbritannien, Rita selbst ist aber in Kenia geboren und aufgewachsen. Sie führte ein abenteuerliches Leben und hat sich schließlich hier niedergelassen.
Rita bei der Arbeit in ihrem Hundeparadies
Abgesehen vom Hundekraulen und den langen Gesprächen mit der Hundefrau erkunde ich die Insel. Zunächst zu Fuß, dann miete ich mir beim Bäcker um die Ecke ein Fahrrad. Nach wenigen Tagen kenne ich jede Milchkanne, die Restaurants, die Bank, den Supermarkt und die ein oder andere freilaufende Riesenschildkröte. Wenn man mit dem Rad auf die kaum bewohnte Ostseite der Insel fährt, stößt man zwangsläufig irgendwann auf ein kleines Restaurant namens „Chez Jules“. Es gibt überdachte Sitzplätze mit Blick aufs Meer. Den Moment genieße ich bei einem großen Glas frischgepressten Saft. Natürlich gibt es auch einige noble Hotels auf La Digue, denn die Insel lebt hauptsächlich vom Tourismus. In einem davon, dem „Le Domaine de L’Orangeraie Resort and Spa“, gönne ich mir hin und wieder ein schönes Frühstück oder auch einfach nur einen kalten Orangensaft.
Die Insel hat zwei Friedhöfe. Der eine ist ein morbider historischer Platz mit alten Grabmalen der ersten Siedler. Der andere ist auf einem sonnigen Hügel angelegt und von hellen Grabsteinen dominiert. Bis auf wenige Ausnahmen ist jedes Grab gepflegt und mit bunten Blumen geschmückt. Man liegt hier also nicht nur am Strand sehr gut. Der Platz strahlt, wie die ganze Insel, paradiesischen Frieden aus. Und dieser Schein trügt nicht, denn es gibt hier, wie mir Rita sagt, kaum Kriminalität. Der Genuss von Sonne, Strand und Meer steht hier auf der Tagesordnung. Manchmal schüttet es wie aus Eimern und das Wasser steht stunden-, teilweise tagelang auf den Straßen – aber bei den tropischen Temperaturen tut das meiner Reisefreude keinen Abbruch.
Der Moment, auf den ich mich seit Monaten freue, ist nach der Woche bei Rita gekommen: Ich gehe zum Haus meines Onkels Jürgen – genauer gesagt, dem Ex-Ehemann meiner Tante, also keine Blutsverwandtschaft. Zuletzt gesehen haben wir uns vor etwa 25 Jahren und ich kann mich kaum aktiv an ihn erinnern. Seit ich ihn vor Monaten online ausfindig machen konnte und er auf meine Kontaktanfrage reagiert hat, war ich gespannt, wie das Wiedersehen werden wird.
„Kaz Charly“ heißt das Haus von Jürgen. Die Wegbeschreibung habe ich im Kopf. Einen Straßennamen gibt es nicht, daher habe ich mir den Wortlaut seiner E-Mail gespeichert: „Das findest Du, wenn Du nach der Kirche links in die Wildnis gehst und dann nach weniger als 100 Metern vor einem (nicht mehr ganz) weißen Zaun stehst.” Jetzt spähe ich über besagten nicht mehr ganz weißen Zaun. Das Haus ist sehr schön und von einem gepflegten Garten umgeben. Lediglich ein kleines Baugerüst stört den Gesamteindruck. Das muss das Haus des Deutschen sein, denke ich vergnügt.
Mit ein bisschen Herzklopfen läute ich und werde von Hundegebell überrascht. Ein Boxer kommt durch den Garten geprescht, ich schrecke zurück. Das Tier bremst plötzlich vor mir und glotzt mich nur an. „Leo“ tut nur so und erweist sich schnell als wahrer Kuschelhund. Nach Boxer Leo kommt Jürgens Frau Telma mit skeptischem Blick aus dem Haus. Die Seychellois traut mir nicht so recht über den Weg – so zumindest mein Bauchgefühl. Anders bei Jürgen: Er erscheint als nächstes auf der Bildfläche. Auch wir müssen uns erstmal beschnuppern, aber er begrüßt mich sehr freundlich und offen. Genau so habe ich mir einen Seychellen-Auswanderer vorgestellt: sonnengegerbt, tiefenentspannt, sympathisch. Im Haus gibt es noch eine letzte, kleine Mitbewohnerin: Kelma, die zuckersüße, fünfjährige Enkelin von Telma. Gemeinsam bewohnen sie den oberen Teil des Hauses. Im unteren Teil befinden sich zwei Apartments zur Vermietung. Ich bekomme das kleinere der beiden. Es hat sogar eine kleine Terrasse und gefällt mir wirklich gut. Nebenan im großen Apartment wohnen derzeit zur Dauermiete vier Hotelmitarbeiter aus Mauritius. Der Hausherr persönlich serviert mir jeden Morgen auf der großen Terrasse hinter dem Haus Frühstück. Von dem selbstgebackenen Kartoffelbrot schwärme ich noch heute. Dazu gibt es Aprikosenmarmelade, ein gekochtes Ei, Joghurt und Orangensaft. So starte ich bestens gestärkt in den Tag.
Den paradiesischen Anse Cocos, einer der schönsten Strände der Welt, darf man als La Digue-Besucher keinesfalls verpassen. Eine zweistündige Wanderung (im Trödeltempo) durch Regenwälder, über Strände, auf Trampelpfaden und durch das ein oder andere Schlammloch wird belohnt: Feiner weißer Sand, kristallklares Wasser, üppige Palmen, vom Wasser weichgezeichnete Granitfelsen und das alles mit nur einer Handvoll Besucher. Ich lasse die Photoshop-freie Postkartenidylle auf mich wirken. Das Einzige, wovon man sich nicht täuschen lassen darf, ist das ruhige Wasser – Schwimmen ist hier nicht jederzeit und an allen Stränden möglich. Unsichtbare, gefährliche Strömungen sorgen dafür, dass auf den Seychellen immer wieder Touristen ertrinken. Auch Jürgen hat mir dazu geraten, stets auf die Warnschilder zu achten und im Zweifel auf die Einheimischen zu hören. Diesen Rat gebe ich gern weiter.
Für den Rückweg kann ich keinen besseren Zeitpunkt wählen. Die Sonne hat sich zurückgezogen. Als ich wieder auf einer Straße angekommen bin, hält neben mir ein Pritschenwagen – der Fahrer fragt, ob er mich ein Stück mitnehmen soll. Ich lehne dankend ab, ich habe ja Zeit, denke ich. Er verschwindet hinter der nächsten Kurve. Ich habe mich noch nicht ganz über sein verständnisloses Gesicht zu Ende gewundert – da öffnet der Himmel seine Schleusen und es regnet die letzten zwanzig Minuten meines Weges Bindfäden. Wenigstens ist das Wasser warm.
Reisen weckt die Lust auf Neues. Als mein Onkel und seine Frau mir einen Tag auf dem Meer zum Fischen in Aussicht stellen, bin ich begeistert. So verbringen wir einen Tag gemeinsam auf der „Monkey