Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam. Katharina Bahn

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Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam - Katharina Bahn Reisegeschichte

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vor mir liegt (trotzdem vermisse ich meinen Untermieter jetzt schon).

      Um unseren nächsten Halt Danzig in Polen zu erreichen, nehmen wir die kostenlose Autofähre bei Swinemünde. In Danzig haben wir eine ganz bezaubernde Unterkunft: das Hotel Goldwasser in einem verwinkelten Altbau mit knarzenden Böden. So schön wie das Hotel ist auch die Stadt: Am Morgen liegen die Straßen noch schlafend im Nebel vor uns. Wir gehen auf eine Erkundungstour. Alte Klinkerbauten mit verschnörkelten Zinnen und kleinen Treppchen zieren den historischen Stadtkern.

      Noch am gleichen Tag geht es weiter. Wir durchqueren die Masuren, eine polnische Seenlandschaft. Ein Warnschild mit einem Elch säumt die Straße – „Uwaga na łosie!“ Vorsicht vor Elchen! Ich hoffe, dass wir auf eines dieser einzigartigen Tiere treffen, aber leider haben wir kein Glück.

      Da wir uns noch in EU-Gebiet befinden, sind die Grenzübergänge unspektakulär einfach. Wir reisen ungehindert in Litauen ein und übernachten in der Nähe von Marijampolė im Hotel Vingis. Ein Geisterhotel – wir scheinen die einzigen Gäste zu sein und ich grusle mich ein wenig. Als wir abends zum Essen in den Ort fahren, frage ich mich zum ersten Mal, ob man dieses Auto eigentlich auch von innen verriegeln kann. Hier ist es wirklich finster! Die Stadt, auf Deutsch Mariampol genannt, ist eine kleine Industriestadt und überhaupt nicht touristisch. Wir werden eher kritisch beäugt. Auf der Speisekarte fällt auf, dass die Vokale weniger werden, aber immerhin können wir die Buchstaben noch entziffern.

      Wir brechen früh am nächsten Morgen auf. Schusselig wie ich bin, vergesse ich das teure Duschgel, das ich vor ein paar Tagen zum Abschied geschenkt bekommen habe, im Hotel. Mal sehen, wie ich mich in den nächsten Monaten so schlage. Solange mir nur solche Dinge wie Duschgel abhandenkommen, ist alles gut.

      Die letzte unbewachte Grenze – Latvija, Lettland – liegt mitten in einer staubigen Baustelle. Wir versuchen eine Übernachtung auf einem Boot zu buchen, aber der See im Nationalpark Rāzna im Osten des Landes ist noch zugefroren. Wir haben bereits Ende März, aber das Klima ist hier schon ein anderes. Auf dem See sitzen kälteresistente Eisfischer vor winzigen Löchern im dicken Eis. Mit baldigem Tauwetter ist also nicht zu rechnen. Stattdessen übernachten wir in einem Hotel in Rēzekne. Egal ob beim Hotel-Check-In, Essen oder Fragen nach dem Weg – die Menschen zeigen sich uns gegenüber offen und freundlich. Auch Paul und ich kommen gut miteinander aus. Wir wechseln uns beim Fahren ab und führen Gespräche über alles Mögliche. Was unsere Musikgeschmäcker angeht, gibt es sowohl Überschneidungen als auch Differenzen und wir werden uns immer irgendwie einig. Das ein oder andere behalte ich um des Friedens willen für mich. Beispielsweise sucht Paul stets über Google und Tripadvisor nach Restaurants in der Nähe. Ich bezweifle, dass in diesem und den noch folgenden Ländern alle Google-Einträge aktuell und ansatzweise vollständig sind.

      Zudem umtreibt mich noch ein weiterer Punkt: Im Auto hat Paul ein Geheimfach für wichtige Dokumente eingebaut. Ich frage mich, was passiert, wenn einfach das ganze Auto samt Geheimfach gestohlen wird. Aber auch das behalte ich für mich. Wahrscheinlich macht es auch keinen Sinn, sich ständig irgendwelche Szenarien auszumalen. Außerdem will ich Paul nicht auf die Nerven gehen.

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      Hinter uns liegen nun also Deutschland, Polen, Litauen und Lettland mit jeweils nur einer Übernachtung. Ich hätte mir gerne schon am Anfang der Reise mehr Zeit gelassen, um richtig in diese Länder einzutauchen. Doch es ist Pauls Reise und ich bin nur die Mitfahrerin. Er ist der Chef, er entscheidet. Weißrussland und die Ukraine waren ebenfalls als Route Richtung Kasachstan im Gespräch, beides ist aber aufgrund von Visaschwierigkeiten gescheitert. Mit eigenem Fahrzeug diese Länder zu bereisen ist komplizierter als mit einem Flugzeug.

      Wir erreichen die lettisch-russische Grenze. Autos und Lkw werden am laufenden Band in zwei verschiedenen Reihen abgefertigt. In der Pkw-Schlange entdecke ich nur noch ein weiteres Auto mit deutschem Kennzeichen. Das Prozedere der Pass- und Fahrzeugkontrolle dauert etwa eineinhalb Stunden. Dann dürfen wir unseren Landy (auch „der Dicke“ oder „die dicke Bergziege“ genannt) über die Grenze rollen lassen. Das erste Schild sagt uns: Moskau, 592 Kilometer. Unser Weg wird uns aber viel weiter südlich an der russischen Hauptstadt vorbeiführen. Das nächste Straßenschild gibt mir das Gefühl, auf einem anderen Planeten angekommen zu sein – ein wildes Geflecht aus Städtenamen, Richtungen, Landesgrenzen und Autobahnabkürzungen. Wer denkt sich so was aus?

      Trotzdem finden wir den richtigen Weg nach Smolensk. Wir erkunden die Stadt inklusive der historischen Stadtmauer und einer prunkvollen Kathedrale. Ein erboster Russe macht mir klar, dass frau hier in der Kirche eine Kopfbedeckung tragen muss. Falsch machen ist manchmal die beste Art, etwas dazuzulernen.

      In einem historischen Turmrestaurant essen wir zu Abend. Schwere Vorhänge trennen uns vom Tageslicht. In dem kleinen Raum stehen hohe, dunkelrote Sessel an massiven Holztischen. An einem von diesen sind mehrere charismatische Herren in ein intensives Gespräch vertieft. Der Tisch voll mit halbleeren Tellern und Gläsern. Die Szenerie ist in gedämpftes Licht getaucht und könnte aus einem alten Agentenfilm stammen. Die Kellner sind ausgesprochen freundlich. Mit wenigen Brocken Englisch helfen sie uns beim Bestellen und fragen nach dem Essen, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen.

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      Am nächsten Morgen verlassen wir Smolensk. Vor uns liegen 450 Kilometer nach Tula. Wir bewegen uns grob in Richtung der kasachischen Grenze und umfahren bewusst den Großraum Moskau. Ich fahre. Heute wechseln wir uns nicht ab. Unseren Rhythmus was das Fahren angeht, müssen wir erst noch finden. Sechseinhalb Stunden pflüge ich mich mit unserem Landy über schlechte Straßen vorwärts. Unsere einzigen Zwischenstopps: eine Kirchenruine mitten im Nirgendwo (ein tolles Fotomotiv) und eine der gruseligsten Toiletten meines Lebens an einer heruntergekommenen Tankstelle. Das WC ist von außen ein hübsches, bunt gekacheltes Häuschen, von innen brechreizauslösend. Augen zu und durch.

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       Eine Kirchenruine mitten im russischen Nirgendwo zwischen Smolensk und Tula

      Auf der Suche nach unserem Hotel halten wir vor der Stadt wieder an einer Tankstelle. Diese ist hochmodern und pieksauber – hier habe ich vermutlich nichts zu befürchten. Ich meine mal aufgeschnappt zu haben, dass das russische Wort „Banja“ Toilette heißt– also frage ich danach. Ich werde ungläubig von der kleinen Kassiererin angestarrt. Später sollte ich herausfinden, dass „Banja“ so viel wie Sauna bedeutet.

      Das Hotel finden wir leider immer noch nicht, also halten wir erneut, um nach dem Weg zu fragen. Unsere Nerven liegen blank und wir kriegen uns das erste Mal in die Wolle. Bisher war Paul stets souverän und lässig – egal ob beim Planen, Fahren oder Navigieren. Doch heute ist auch er gereizt, sogar hysterisch, wie ich finde. Durchatmen. Vor uns liegen noch acht Monate und drei Wochen. Wir einigen uns darauf, uns in Zukunft öfter beim Fahren abzuwechseln.

      Im Hotel Imperator falle ich erschöpft in mein Bett. Der nächste große Ritt liegt schon in greifbarer Nähe. Über 600 Kilometer nach Penza.

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      Die Polizei stoppt uns. Ich sitze am Steuer. Der Beamte mit dem kantigen Gesicht und der überdimensionalen Pelzmütze will meinen Führerschein sehen. „Katharina?“ Er zögert. Im Stillen hege ich einen hoffnungsvollen Gedanken: Ob ich mit meinem Namen hier vielleicht einen Pluspunkt gewonnen habe? Er kassiert meinen Führerschein ein und spricht kurz mit Paul. Dann nimmt er mich mit in sein spartanisch eingerichtetes Büro an der nächsten Straßenecke. Paul raunt mir noch schnell zu, dass der Polizist 10 US-Dollar von uns will. Die Begründung ist, dass wir ohne Licht gefahren sind – am helllichten Tag. Flink lasse ich einen Schein in meiner Hosentasche

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