Familie Dr. Norden 733 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Familie Dr. Norden 733 – Arztroman - Patricia Vandenberg Familie Dr. Norden

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nach Luft. Fast beneidete er seine Freundin um ihr aufregendes Leben. »Ich wette, damit hättest du nie gerechnet.«

      »Nein, wirklich nicht.« Müde strich sich Romina über die Augen. Ganz anders als Benedikt dachte, fühlte sie sich erschöpft und ausgelaugt und sehnte sich insgeheim nach ihrem früheren Leben, nach Ruhe und Ordnung.Nach der Zeit, in der es noch keine Heimlichkeiten gegeben hatte. Als ihr Leben wie ein kleiner, munterer Bach vor sich hingeplätschert war.

      Unsanft wurde Romina vom Schulgong aus ihren Träumen gerissen. »Jetzt muß ich mir aber erst mal Gedanken darüber machen, wie ich das hier«, sie deutete auf ihre Mappe, »meinem Vater beibringe.«

      »Da wünsche ich dir schon mal viel Glück.« Benedikt lächelte aufmunternd. »Wie sieht’s aus, hast du heute nachmittag Zeit?«

      »Wir könnten uns zum Lernen treffen«, schlug Romy vor, um ihren Jugendfreund nicht zu verprellen. »Vielleicht kapier ich die Grammatik endlich, wenn du sie mir erklärst.«

      »Also abgemacht. Bis später dann!«

      Auf ihrem alten Herrenfahrrad fuhr Romina langsam nach Hause. Eine leere, viel zu große Villa erwartete sie, mit vereinsamten Räumen und kalten Kaminen, die vergeblich auf ein munteres Feuer warteten. Unwillkürlich fröstelte Romina und meinte, ein Stechen im Hals zu spüren. Hypochonder, schalt sie sich selbst. Inzwischen war sie zu Hause angekommen und schloß die Tür auf. Kein warmes Mittagessen wartete auf sie, keine angenehmen Düfte zogen durchs Haus. Zum ersten Mal in ihrem Leben vermißte Romy die ungeliebte Adoptivmutter. Aber noch ehe sich Tränen des Selbstmitleids einen Weg über ihre Wangen bahnen konnten, klingelte das Telefon im Arbeitszimmer ihres Vaters. Wenigstens ein Zeichen, daß sie nicht ganz vergessen war! Mit wenigen Schritten war Romy am Apparat und zog erschrocken die Luft durch die Zähne, als sich Miriam Wolters meldete.

      »Hier ist die Agentur Wolters & Partner. Spreche ich mit Romina Gnade?«

      »Ja klar. Sind Sie es, Frau Wolters?«

      »Ganz recht. Wo haben Sie denn die ganze Zeit gesteckt? Ich wollte schon aufgeben.«

      »In der Schule, das wissen Sie doch. Ich habe es auf dem Personalbogen eingetragen.«

      »So? Dann muß ich das übersehen haben.« Miriam überging ihre Nachlässigkeit geflissentlich. »Also, ich habe einen Auftrag für Sie. Was sagen Sie dazu?«

      »Einen Auftrag?« japste Romy ungläubig. »Einen richtigen Auftrag?«

      »Aber ja doch, wir sind hier nicht im Kindergarten.«

      »Entschuldigung, aber ich bin so aufgeregt.« Romina zog sich einen Stuhl heran, ihre Beine drohten den Dienst zu versagen. »Der Tag war nämlich bisher alles andere als erfreulich.«

      »Dann kommt mein Anruf ja gerade richtig«, erklärte Miriam selbstgefällig. »Ein exklusives Magazin hat Sie für drei Tage gebucht, es handelt sich um seriöse Modeaufnahmen. Viel Geld gibt es nicht, aber das spielt ja auch keine große Rolle. Schließlich müssen Sie froh sei, in der Branche bekannt zu werden.«

      »Natürlich, kein Problem«, stotterte Romina nervös. »Wann soll’s denn losgehen?«

      »Anfang nächster Woche, pünktlich um sechs Uhr.«

      »Sechs Uhr abends?«

      »Morgens, du Schäfchen«, Miriam Wolters lachte belustigt und ging automatisch zu der vertrauten Anrede über. »Dieser Job ist kein Spaziergang, sondern Knochenarbeit.«

      »Das ist mir schon klar. Aber ich muß doch zur Schule.«

      »Darüber hättest du vorher nachdenken müssen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Eine unserer Angestellten begleitet dich zum Set und betreut dich dort.«

      »Okay, vielen Dank.« Noch immer war Romina völlig verwirrt von der überraschenden Nachricht. Die Ereignisse schienen sich zu überschlagen. »Ich komme dann zur Agentur.«

      »Wir können dich zu Hause abholen.«

      »Nein, nein, lieber nicht«, wehrte Romy erschrocken ab. »Ich werde pünktlich sein.«

      »Wie du willst.« Miriam Wolters verabschiedete sich knapp. Auch Romina ließ den Hörer sinken. Eine ganze Weile saß sie regungslos auf dem Bürostuhl ihres Vaters und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Ein Auftrag, ihr erstes Fotoshooting für eine Zeitschrift! Das war sensationell, und Romy wunderte sich, warum sich ihre Begeisterung darüber in Grenzen hielt. Vielleicht lag es an den Halsschmerzen, die sie sich doch nicht eingebildet hatte. An der Müdigkeit, die unbarmherzig an ihren Augenlidern zerrte. Mühsam erhob sie sich und schlich durch das stille Haus, die Treppe nach oben in ihr Zimmer. Dort ließ sie sich kraftlos aufs Bett fallen, und ehe sie es sich versah, wurde sie von weicher Dunkelheit umhüllt.

      Auch Julius Gnade sehnte sich nach wohltuendem Schlaf, nach einer Möglichkeit, das Unfaßbare wenigstens für eine Weile zu vergessen. Aber die Wirklichkeit hatte kein Einsehen. Vor ihm auf dem Schreibtisch lag die Rechnung eines Notars, Gebühren für die Beurkundung eines Hauskaufs. Nicht nur, daß Erika tatsächlich einen Großteil des Familienvermögens unbemerkt an sich gebracht hatte, sie hatte auch nicht gezögert, das Geld umgehend auszugeben für ein altes, renovierungsbedürftiges Haus. Weit weg und mitten auf dem Land gelegen. Zumindest das hatte Julius inzwischen nach einem Telefonat mit dem Notar herausgefunden. Jetzt haderte er mit sich. Sollte er hinausfahren und versuchen, Erika zur Rückkehr zu bewegen? Immerhin war sie über zwanzig Jahre lang seine Ehefrau gewesen, hatte ihn umsorgt und bekocht, das Haus gepflegt und sich um den Garten gekümmert. Wenigstens einen Besuch war er ihr schuldig. Womöglich erwartete sie sein Kommen sogar. Müde vom vielen Grübeln stand Julius auf und starrte blicklos aus dem Fenster, unfähig, eine Entscheidung zu treffen.

      Julius war nicht der Einzige, der einen Entschluß fassen mußte. Auch Franziska Engel haderte irgendwie mit sich.

      »Schon wieder ein Auslandsprojekt!« seufzte sie, als sie die Anfrage überflog, die gerade mit der Post gekommen war. »Dabei habe ich die Nase doch gründlich voll vom Reisen. Ich will endlich irgendwo ankommen.«

      »Du klingst wie eine alte Frau«, bemerkte Carlos ungnädig und machte es sich in einem Designersessel bequem, dem Schmuckstück in Zissas Frankfurter Studio, das Teil ihrer Wohnung in einem großzügigen Loft war.

      »Vielen Dank für die Blumen«, schnappte sie gereizt zurück. »Du bist reizend zur Zeit.«

      »Dieses Kompliment kann ich uneingeschränkt zurückgeben. Seit du deine Muttergefühle entdeckt hast, spiele ich in deinem Leben wohl nur noch eine untergeordnete Rolle.«

      »Eifersüchtig?«

      »So ein Unsinn. Ich mache mir nur Sorgen um dich. Du verrennst dich da in eine fixe Idee und vergißt selbst deine ehrgeizigsten Pläne über dieser Tochter-Geschichte.« Carlos legte einen weichen Ausdruck in seine glühenden Augen, von dem er wußte, wie wehrlos Zissa dagegen war. »Du bist drauf und dran, deine Karriere zu verspielen.«

      »Wahrscheinlich hast du recht, mein Lieber.« Seufzend erhob sich Franziska von ihrem Schreibtisch und sank vor ihrem Lebensgefährten, mit dem sie seit einem Jahr ihre Wohnung teilte, auf den weichen Teppichboden. »Du meinst also, ich soll die Aufnahmen in Madrid machen?« Nachdenklich zog sie die Nase kraus, und Carlos mußte unwillkürlich lächeln. Dieses krause Näschen war einmalig süß.

      »Aber natürlich! Was für eine Chance.«

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