Karin Bucha Classic 45 – Liebesroman. Karin Bucha
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Schwerfällig erhebt er sich.
»Bleibe gesund, Mutter.«
Sie fühlt seinen Mund auf ihren Wangen, ihrem Haar, wohin er gerade trifft.
Kein Wort kann sie sprechen. Die Kehle ist ihr vor Schmerz wie zugeschnürt. Sie sieht einen großen Schatten verschwinden, hört einen leichten Schritt.
Den Kopf an die Hauswand gelehnt, überläßt sie sich hemmungslos ihrem Schmerz. Ein einziger Tag in einem Menschenleben kann es von Grund auf verwandeln.
*
Auf Umwegen geht Peter Warburg stundenlang durch die Nacht. Niemandem begegnet er. Niemand sieht ihn. Er läuft, bis ihm die Füße schmerzen, und als er endlich einen Hauptknotenpunkt der Eisenbahn erreicht hat, läßt er sich im Bahnhofsgebäude auf einer Bank nieder.
Durch die geschlossene Tür dringt der neue Tag herein. Noch sieht alles grau in grau aus, und es ist auch empfindlich kalt geworden.
Er greift in seine Rocktasche und entnimmt ihr den Brief, den Beate ihm zugesteckt hat. Er hat ihn schon ein paarmal gelesen und muß es immer wieder tun.
Geliebter Peter! In aller Eile sollen Dich meine Worte auf Deinem schweren Weg begleiten. Ich glaube an Dich, und ich warte auf Dich. Ich weiß, Du wirst zurückkehren, und alles wird gut sein. Meine guten Wünsche, mein ganzes liebendes Herz gehen mit Dir. Immer Deine Beate.
Ganz sacht drückt er seinen Mund auf ihren Namen und küßt im Geiste ihre Lippen.
*
Ein neuer Tag ist angebrochen, schöner noch als der vorangegangene, mit klarblauem Himmel, seidiger Luft und strahlender Sonne. Sie bescheint unbarmherzig den ausgebrannten Eichenhof, auf dem die Knechte und Mägde mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt sind.
Zwischen den Trümmern und verkohlten Balken arbeitet auch eine Kommission aus der Stadt.
Nur die Herrin des Besitzes ist nicht dabei. Maria Warburg hat sich ihre alte Gundel kommen lassen. Mit ihr gemeinsam schafft sie im Gartenhaus, das sie fortan als ihren Wohnsitz bestimmt hat, Ordnung.
Sie ist eben dabei, die Fenster zu putzen, als Franz wie aus dem Erdboden gewachsen hinter ihr auftaucht und sie anruft.
»Ach, du bist es«, sagt sie, stellt den Eimer ab und wischt sich die Hände an der Schürze trocken.
»Ist Peter hier?« fragt er, nachdem er sich von seinem ersten Schrecken erholt hat.
»Nein!« Sie geht an ihm vorbei, legt die bunte Schürze ab und wirft sie achtlos auf einen Stuhl. Sie setzt sich in den Ohrensessel am Fenster und blickt an dem Sohn vorbei hin-über zu dem Eichenhof, von dem Lärm gedämpft zu ihr dringt. »Willst du etwas von ihm?«
Franz schiebt die Mütze ins Genick und sucht in seiner Tasche nach Zigaretten.
»Man erwartet Peter drüben zu einem Verhör.«
»Zu einem – Verhör?« fragt sie gelassen zurück. »Was will man denn von ihm wissen?«
Er hebt die Achseln. »Keine Ahnung, Mutter.«
»Kannst du nicht die nötigen Auskünfte geben oder warst du etwa bei dem Brand nicht auf dem Hof?«
»Natürlich«, gibt er widerstrebend zu. »Aber dann habe ich Magda und die Franzi in Sicherheit gebracht.«
»Merkwürdig«, murmelt sie.
»Was ist dabei merkwürdig?« fragt er mit aller Schärfe zurück.
Sie verliert nichts von ihrer Ruhe und Gelassenheit und kommt ihm in diesem Zustand beinahe unheimlich vor.
»Bisher war dir doch dein Vieh lieber als deine Familie.«
»Schließlich sind Menschenleben wichtiger«, braust er auf. Er fühlt sich angegriffen und versucht sich zu wehren, obgleich er nicht ahnt, wohin ihre Reden zielen.
»Richtig«, bestätigt sie. »Ich bin auch ein Mensch, noch dazu deine Mutter. Ich kann mich nicht entsinnen, daß du dich um mich gesorgt hättest.«
»Du hattest doch Peter«, erwidert er gehässig.
»Peter war aber nicht da, als der Brand ausbrach«, fährt sie unbeirrt fort.
»Stimmt!« gibt er zu, und seine Augen verengen sich. »Er ist auf und davon, nachdem er sich im Schuppen bei den Benzinkanistern zu schaffen gemacht hat.«
»Du sagst mir nichts Neues, mein Sohn.« Sie blickt auf ihre Hände im Schoß hinab. »Das habe ich längst aus deinem Mund gehört, als du übereifrig den Beamten Auskunft erteiltest. Ich betone, etwas zu eifrig.«
»Mutter, was willst du damit sagen?« Er hat die Zigarette im Schwung durch das offene Fenster geschleudert.
»Man sucht einen Sündenbock, wie mir scheint, und der ist verschwunden.«
»Mutter, du hast eine große Portion Humor.« Er kommt langsam auf sie zu. »Du weißt mehr, als du sagen willst. Ich bin der Ansicht, das ist nicht gut für dich.«
Ohne auf seine Rede zu achten, sagt sie, ihre Augen hinüber zum Eichenhof gerichtet:
»Generationen haben auf dem Eichenhof gesessen. Es war ein stolzes und geachtetes Geschlecht. Dein Vater und ich haben das übernommene Erbe gehütet und treu verwaltet. Ein paar armselige Stunden haben die Arbeit von Jahrzehnten vernichtet. Wir waren sehr glücklich, dein Vater und ich, und jedes Kind haben wir mit Jubel begrüßt. Am meisten vielleicht unseren Ältesten –« Sie wendet den Kopf und sieht ihn groß und mit verwirrender Eindringlichkeit an. »Das warst du, Franz.«
Gleichmütig dreht sie den Kopf wieder seitwärts und spricht weiter: »Dann kamen die anderen, Friedrich, Gerhard, Irene und Peter.
Es war ein gutes Schaffen, ein gutes Leben. Alles haben wir gemeinsam getragen, dein Vater und ich, Freud und Leid. Wir haben gemeinsam an den Krankenbetten unserer Kinder gewacht, und keine verlorene Stunde Schlaf war uns zuviel. An deinem Bett übrigens am meisten, du warst häufig krank, Franz.« Sie weist mit der Hand hinüber zu der Trümmerstätte. »Unter diesem Dach herrschten Kummer und Leid wie unter jedem anderen auch. Aber das Glück war das größte un-
ter allen menschlichen Empfindungen. Ein Brand hat alles ausgelöscht, was Generationen zusammentru-
gen. Die Erinnerung kann er niemals auslöschen, Franz, die sind mir ge-blieben, und der Glaube an das Gute.«
Sie sitzt ganz versunken da, nachdem sie geendet hat, und Franz treibt es hin und her. Er wirft einen scheuen Blick auf das Antlitz der Mutter. Ihre Haltung ist beinahe wie früher, und das Leuchten, das in ihren stahlblauen Augen liegt, erinnert an die Herrin des Eichenhofes von einst.
»Du weißt also, daß Peter der Brandstifter ist?« fragt er, einen lauernden Ausdruck im Gesicht.
»Man sagt es«, erwidert sie leise. »Aber ich glaube es nicht.«
»Natürlich