Operation Werwolf - Blutweihe. Uwe Klausner

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Operation Werwolf - Blutweihe - Uwe Klausner

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schön, du hast es so gewollt!« Dann eben nicht. Er konnte auch anders. Nur noch zwei, drei Handgriffe, ein kurzer, aber heftiger Ruck an der Abrissschnur, Deckung auf der Kellertreppe, damit er nichts abbekam, in Erwartung des Feuerzaubers von zehn zurück bis null zählen – und der Göre würde Hören und Sehen vergehen.

      Stilhandgranaten waren doch was Feines, für knifflige Fälle wie geschaffen.

      Und überhaupt, die Polen. In dem Punkt hatte er noch eine Rechnung offen. Er war sich im Klaren, was auf ihn zukam, anders als so mancher, der zu naiv war, um eins und eins zusammenzuzählen. Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente im Rücken der kämpfenden Truppe, insbesondere Spionageabwehr, Festnahme von politisch unzuverlässigen Personen, Beschlagnahme von Waffen, Sicherstellung von geheimen, militärisch bedeutsamen Unterlagen – so weit zumindest Heydrich, Chef der SIPO und des SD, Himmlers Hirn und nimmermüder Dämon. Was der Mann, vor dem selbst der Reichsführer kuschte, damit meinte, nun ja, das konnte man sich denken. Die Jagd war eröffnet, und was katholische Pfarrer, den Adel, Kommunisten und die sogenannten Intellektuellen betraf, mit denen wurde kurzer Prozess gemacht. Alles Abschaum, der es nicht verdiente, dass man sich mit ihm abgab, die Juden – um den Todfeind beim Namen zu nennen – nicht zu vergessen. Im Ganzen an die 60.000 Reichsfeinde, die wie Freiwild zu Tode gehetzt wurden, mit Billigung von ganz oben, damit auch alles seine Richtigkeit hatte.

      Mit anderen Worten, es gab viel zu tun.

      Eine Jüdin unter vielen, wen kümmerte das schon.

      Eins durfte man nämlich nicht vergessen. Die Polen hatten seinen Vater auf dem Gewissen. Im entscheidenden Moment war der Leiter der Musikhochschule in Danzig am falschen Ort gewesen und in eine Schießerei zwischen der Bürgerwehr und polnischen Milizen geraten. Das hatte ihn das Leben gekostet, einfach so, weil er per Zufall zwischen die Fronten geraten war. Der gestrengen Mutter, Klavierlehrerin und heimliche Herrscherin im repräsentativen Domizil am Dominikanermarkt, war daraufhin nichts anderes übriggeblieben, als die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Eine Weile hatte sie sich und die vierköpfige Familie über Wasser halten können, doch nur wenige Jahre später, nach dem Zusammenbruch der Börse in New York, war es mit rasender Geschwindigkeit bergab gegangen. Die Schüler blieben aus, und nur noch ein paar Wenige, darunter Nachbarn, Freunde und Bekannte, konnten es sich leisten, ihre Kinder zum Musikunterricht zu schicken.

      Vor zehn Jahren, kurz vor seinem 19. Geburtstag, brach seine Welt endgültig zusammen. Aufgrund des Votums eines jüdischen Sachverständigen hatte der Magistrat der Freien Stadt Danzig dem privaten Institut die Anerkennung entzogen. Für das Konservatorium bedeutete das den finanziellen Ruin, für seine Mutter den Anfang vom Ende ihres Lebens. Exakt ein Jahr nach dem Tag des Zorns hatte die stets spröde und distanziert wirkende Tochter aus alteingesessenem Haus Suizid begangen. Tod durch Erdrosseln, herbeigeführt mithilfe einer Klaviersaite, wie sollte es auch anders sein.

      Er selbst hatte sich wieder hochgerappelt, mühsam zwar, doch mit unermüdlicher Energie. Vergessen war die Heimsuchung jedoch nicht – bis heute, mehr als ein Jahrzehnt danach. Der Tag der Abrechnung war gekommen, und es gab niemanden, der ihm jetzt, wo es ans Eingemachte ging, in die Quere kommen würde.

      Ein Juden-Flittchen, das um Gnade winselte, schon gar nicht.

      Die Handgranate scharf machen, von zehn rückwärts bis null zählen und abwarten, was passierte.

      Um der Göre eine Lektion zu erteilen.

      Und zwar eine, die sie nicht vergaß.

      Na dann mal los, die Zeit drängte. Viel Feind’, das wussten schon die Altvorderen, viel Ehr’.

      Ein Schluck aus dem Flachmann, dann konnte es losgehen.

      Zehn, neun…

      Und außerdem, eins durfte man nicht vergessen. Er und die Kameraden vom »Kommando Werwolf«, nur knapp drei Dutzend Auserwählte, in puncto Kaltblütigkeit jedoch ohne Beispiel, alle miteinander mussten sie ihren Mann stehen. Denn einer musste die Dreckarbeit ja machen, wenn schon nicht die Generalstäbler in Zossen, dann eben die Treuesten der Treuen, Himmlers Eingreiftruppe hinter der Front. ›Meine Ehre heißt Treue‹, so stand es auf der Gürtelschnalle der SS geschrieben. Egal, was passierte, ob abseits des Kampfgeschehens oder in vorderster Linie. Was das betraf, waren die Rollen klar verteilt. Hier die vier Einsatzgruppen, wenn es hochkam, maximal 3.000 Mann, bis in die Zehenspitzen motiviert, darunter SD, Zielfahnder der Kripo, SIPO oder Waffen-SS. Und weiter vorn, bei der kämpfenden Truppe, die Bilderbuch-Soldaten, sprich: all jene, die es nicht abwarten konnten, in die Wochenschau zu kommen. Die nicht genug Mumm besaßen, reinen Tisch zu machen, und sich obendrein für etwas Besseres hielten. Für nichts und wieder nichts in den Schlagzeilen, so gut hätte er es mal haben sollen. Um im Anschluss, als Belohnung für ihre Ruhmestat, mit dem Ritterkreuz dekoriert zu werden.

      So einfach war das.

      Ein Orden, das wäre es gewesen. Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

      Acht, sieben …

      Aber davon, wie von einem Auftritt in der Wochenschau, im Hintergrund das Schmettern der Siegesfanfaren, konnten er und der Rest der Truppe nur träumen. Was hier ablief, das hatte mit Landser-Romantik nichts zu tun. Nicht im Geringsten. Geheime Reichssache, das sagte ja schon alles. Als ob man den Einsatz, der unweigerlich in ein Massaker ausarten würde, auf Dauer hätte verheimlichen können. Hier, auf einem tristen Hinterhof in einer noch tristeren Kleinstadt im polnisch besetzten Teil von Schlesien, wo knapp die Hälfte Juden waren, hier wurde nicht lange gefackelt. Hier wurden Nägel mit Köpfen gemacht, und wem das nicht passte, für den würde es ein böses Erwachen geben.

      Sofern er die Blutweihe überlebte.

      Sechs, fünf …

      Ein Judenflittchen mehr oder weniger, wen kümmerte das schon.

      Die Hand am Futteral seiner 08, atmete er hastig durch. Der Tag, an dem er es den Polacken zeigen würde, war gekommen, und kein Hahn würde danach krähen. Schon gar nicht die Briten und Franzosen, die zwar groß rumgetönt, bislang aber keinen Finger gerührt hatten. Im Westen Sitzkrieg, und im Osten Blitzkrieg, so lautete die Losung für den Tag.

      Und wenn sie sich noch so sehr ins Zeug legten, die Polacken würden den Kürzeren ziehen. Nur noch ein, zwei Wochen und die Sache war gelaufen.

      Jede Wette.

      Vier, drei …

      Aus sicherer Entfernung, die Mauser DRP 98 im Anschlag, richtete er den Blick nach vorn. Die Wolken, rußfarben wie der Putz, der von den Wänden der baufälligen Mietshäuser abblätterte, spiegelten sich auf dem mit Öllachen übersäten Hof, und aus der Ferne hallten Schreie und Gewehrsalven an sein Ohr. Weiter nördlich, unweit des Flusses und dem Gekreische nach zu urteilen nur eine Querstraße entfernt, musste die Synagoge liegen, und es bedurfte keiner Fantasie, um sich das, was dort ablief, vor Augen zu führen. Am renitentesten, das zum Thema Erfahrung, waren nicht etwa die Vogelscheuchen im Kaftan, in der Mehrzahl Graubärte, die sich wie Vieh zur Schlachtbank treiben ließen. Mit wenigen Ausnahmen, das lehrte die Erfahrung, wussten die Betbrüder mit den Ringellocken Bescheid. Gott Jehova, so es ihn denn gab, hatte sie im Stich gelassen. An Widerstand war nicht zu denken, und wer nicht auf den Kopf gefallen war, wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Und fügte sich in sein Schicksal. Die Frauen freilich, die Judengöre im Kühlschuppen eingeschlossen, waren aus gänzlich anderem Holz geschnitzt.

      Zwei, eins …

      Veranstalteten ein Tamtam, dass dir Hören und Sehen verging.

      Zogen

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