Ostfriesen morden anders. Peter Gerdes
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Peter Gerdes
Ostfriesen morden anders
Kriminalgeschichten
Zum Autor
Peter Gerdes, geb. 1955, lebt in Leer (Ostfriesland). Studierte Germanistik und Anglistik, arbeitete als Journalist und Lehrer. Schreibt seit 1995 Krimis und betätigt sich als Herausgeber. Seit 1999 Leiter des Festivals „Ostfriesische Krimitage“. Die Krimis „Der Etappenmörder“, „Fürchte die Dunkelheit“ und „Der siebte Schlüssel“ wurden für den Literaturpreis „Das neue Buch“ nominiert. Gerdes betreibt mit seiner Frau Heike das „Tatort Taraxacum“ (Krimi-Buchhandlung, Veranstaltungen, Café und Weinstube) in Leer.
Impressum
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2020
(Originalausgabe erschienen 2017 im Leda-Verlag)
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: Katrin Lahmer
unter Verwendung eines Fotos von: © Roelof / stock.adobe.com
ISBN 978-3-8392-6460-7
Die große Friesenbrückenverschwörung
Verschwörungstheorien? Also bitte, davon halte ich überhaupt nichts. Sie etwa?
Ach. Glauben Sie ernsthaft, die Amerikaner wären gar nicht wirklich auf dem Mond gewesen, sondern hätten die Landung in einer Lagerhalle irgendwo in einer irdischen Wüste gedreht? Oder dass Prinzessin Diana überhaupt nicht gestorben ist, sondern unerkannt unter falschem Namen weiterlebt? Zusammen mit Kurt Cobain? Oder dass die Zerstörung des World Trade Centers nur ein Ablenkungsmanöver war, eins mit dreitausend Toten, damit keiner merkte, dass Präsident Bush von der Öl-Industrie gegen einen Roboter ausgetauscht worden war?
Na, sehen Sie. Das meine ich doch auch. Alles Quatsch.
Bis auf diese eine Sache natürlich. Da liegen die Dinge anders.
Welche Sache ich meine? Passen Sie auf.
Sie kennen doch die Geschichte mit den amerikanischen Eisenbahnen, oder? Nein? Also, damals, als die europäischen Einwanderer anfingen, den Ureinwohnern das Land abzunehmen, da haben die natürlich Widerstand geleistet. Indianer, so nannte man sie und tut das auch heute noch, bloß weil der Columbus seinerzeit keine Ahnung gehabt hat, wo er eigentlich war. Von wegen Indien!
So wirklich schnell ging die Landnahme jedoch nicht, es fehlte am richtigen Transportmittel. Aber nicht lange. Dann kam die Eisenbahn.
Die Bahn hat dem Landraub richtig Dampf gemacht, buchstäblich. Menschen, Material, später Soldaten und Pferde, danach Schlachtvieh – die Eisenbahn hat alles in großen Mengen und mit großer Geschwindigkeit überall hingebracht, wo Schienen lagen. Dagegen hatten die Ureinwohner keine Chance. Sofern sie das überlebten, mussten sie sich in staubige Reservate sperren lassen. Glauben Sie mir, die Spielcasinos dort sind eine schwache Rache.
Die Bahn aber, die trumpfte auf. Die hatte ihre große Zeit, war unverzichtbar und profitabel, brachte ihren Besitzern eine Menge Kohle ein. Nein, das war jetzt im übertragenen Sinn gemeint. Alles gut so weit – bis die Ära des Öls begann. Dieses Öl wollte verbraucht werden! Mit Dieselöl kann man zwar auch Züge befeuern; die sind aber viel zu sparsam, um damit richtige Profite zu erzielen. Was für den wahren Öl-Umsatz sorgt, ist der Individualverkehr! Ein, zwei Männeken in einer tonnenschweren Kiste, angetrieben von fossilem Brennstoff – das sorgt für Verbrauch, das spült Geld in die Kassen!
Es wurde also Propaganda für das Auto gemacht. Klappte auch gut, viele Leute kauften sich welche und gurkten damit herum. Viele andere aber fuhren weiterhin mit der Bahn. Die war ja auch noch da, mit einem gut ausgebauten Netz. Warum sollte man sich ein teures Automobil kaufen, wenn man mit dem Zug ebenso schnell ans Ziel kam? Und billiger?
Aber natürlich haben die sich zu helfen gewusst, die Öl-Multis und ihre Sachwalter, die Automobilkonzerne! Die Eisenbahnen aufgekauft haben sie; das ging, waren ja alle privat. Und dann haben sie die heruntergewirtschaftet, systematisch. Streckennetz und Verbindungen so lange ausgedünnt, bis es dermaßen unattraktiv geworden war, mit der Bahn zu fahren, dass sich auch noch der Letzte ein eigenes Auto kaufen und teures Benzin verheizen musste. Tja, so lief das.
Und bei Eisenbahn kommen wir zu der Verschwörungstheorie, die ich eigentlich meine. Die liegt uns etwas näher, rein geografisch …
Sehen Sie, das dachte ich mir, dass Sie davon schon gehört haben! Und dass Sie gleich lossprudeln. Da sind Sie mit im Boot, was? Vielmehr im Kreuzfahrtschiff. Was sagen Sie? Sowas würden Sie nie betreten? Tja, dafür gäbe es viele Gründe. Weil das unglaublich Dreckschleudern sind, weil sie groß sind wie Kleinstädte und aussehen wie Wohnblocks in Problemvierteln, weil jeder überhebliche Kapitän damit jederzeit eine Katastrophe anrichten kann, die die Titanic weit in den Schatten stellt … Aber das meinen Sie nicht, stimmt’s?
Dachte ich mir. Sie meiden diese Art Schiffe, weil durch ihren Bau ein wichtiges Stück Ihrer Heimat zerstört wird. Nämlich die Ems, der Fluss, an dem die berühmteste deutsche Kreuzfahrtschiffswerft viel zu weit oben liegt. Okay, das ist nachvollziehbar. Überhaupt keine Verschwörungstheorie, sondern schlicht Fakt. Viele haben sogar die Grünen gewählt, damit diese ewigen Ausbaggerungen und Vertiefungen, die ständig anwachsende Strömung und die Massen von Schlick, der Tod für Fisch und Fischer, die Gefährdung der Deichsicherheit – kurz, damit das alles aufhört. Und was passiert? Kaum sitzen die in der Landesregierung, wird alles eher noch schlimmer. Sachzwänge! Gorleben ist eben wichtiger.
Alles