Die Erleuchtung der Welt. Johanna von Wild

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Die Erleuchtung der Welt - Johanna von Wild

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und verließ hoch erhobenen Hauptes die Kate, ohne ihren Vater eines Blickes zu würdigen. Cuntz folgte ihr auf dem Fuß, nicht ohne Wigbert zuzuzwinkern.

      »Steig hinten auf«, forderte der Winzer, hievte sich auf den Kutschbock und nahm die Zügel in die Hand. Der Wagen setzte sich in Bewegung.

      Als Winzer verdiente er gutes Geld und konnte sich Pferde und Wagen leisten. Helena war froh, dass sie nicht zu Fuß gehen musste. Ihre schäbigen alten Schuhe hielten mit viel Glück gerade noch diesen Winter über durch. Vielleicht war es ja ein Wink des Schicksals, dass ihr Vater beim Würfeln verloren hatte.

      Wenn ich mich anstrenge und fleißig bin und mich unentbehrlich mache, dachte sie, behält Cuntz mich vielleicht als Magd. Das wäre besser, als wieder zurück zu Vater zu gehen. Bestimmt sind die Schlafstätten für die Arbeiter auf dem Wingert trockener und wärmer als die in unserer armseligen, zugigen Hütte.

      »Helena! Helena!«

      Sie wandte den Kopf. Siegfried lief hinter dem Wagen her. »Wo fährst du hin? Was hat das zu bedeuten?«, schrie er aufgeregt.

      »Frag Vater! Und pass auf dich auf, Siegfried!«

      Cuntz ließ die Pferde antraben, und der Wagen entfernte sich schnell. Siegfrieds Gestalt, die mit hängenden Armen auf der Straße stand, wurde immer kleiner.

      Die ganze Fahrt über sprach Cuntz kein Wort mit Helena, der es aber gerade recht war. So konnte sie die vorüberziehende Landschaft bestaunen, denn aus Neckargemünd war sie kaum jemals herausgekommen. Der Fahrtwind war eisig, und Helena zog den fadenscheinigen Mantel enger um sich, doch es nutzte wenig. Sie hätte doch noch einen heißen Brei essen sollen. Der Gedanke an das karge Mahl ließ ihren Magen sich schmerzhaft zusammenziehen.

      Cuntz lenkte das Gespann vom Neckar in Richtung Süden, passierte Äcker und Wiesen und durchquerte Mischwälder. Schließlich gelangten sie zu dem Weingut. Der Wingert, die dazugehörigen Ländereien und die Gebäude waren seit Langem im Besitz der Familie Wengerter und Cuntz war nicht an einen Grundherren gebunden, wie manch andere Winzer. Zudem besaß er Allmendrechte, sodass er Weideflächen für eine kleine Viehherde nutzen konnte, um den Eigenbedarf an Fleisch und Milch zu decken. Ebenso räumten ihm die Allmendrechte ein, Holz für den Winter oder zum Bauen zu schlagen.

      Cuntz brachte die Pferde vor einem großen Steinhaus zum Stehen.

      »Wir sind da, steig ab«, sagte er und sprang selbst erstaunlich behände vom Kutschbock.

      Knechte eilten herbei, um die Pferde auszuspannen und den Wagen in eine Scheune zu schieben. Cuntz legte Helena die Hand auf den Rücken und schob sie in Richtung Haus, aus dem gerade eine ältere, rundliche Frau trat. Sie trug ein dunkelgrünes Oberkleid, das über dem Busen geschnürt war, ein längeres braunes Unterkleid lugte unter dem Saum hervor. Die Mitte ihres Leibes zierte eine ebenso braune Schürze, versehen mit Stickereien. Ihre Haare waren unter einer beigen Haube verborgen, die Füße steckten in warmen Stiefeln.

      »Cuntz, was hast du uns denn da nach Hause gebracht?«, fragte sie und wies mit dem Kinn auf Helena.

      »Hab ich beim Spielen gewonnen. Wir brauchen so oder so noch eine Magd, Agnes, und die hier ist umsonst.«

      »Beim Spiel? Ich hoffe, du hast mehr gewonnen als nur ein Kind. Wolltest du nicht die Finger von den Würfeln lassen?«

      Agnes Wengerter, Cuntz’ Schwester, schüttelte nachsichtig den Kopf und musterte das zierliche Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen. Ihre dunklen Augen blickten warm und mitleidig in Helenas blasses Gesicht.

      »Viel zu dünn. Wie heißt du, mein Kind?«

      »Helena, Herrin«, antwortete sie zaghaft.

      »Nun komm erst mal in die Küche, dann bekommst du etwas zu essen. Wie alt bist du?«

      »Zwölf, Herrin.«

      Die Aussicht auf etwas zu essen ließ ihren Magen so laut knurren, dass die Winzerleute es deutlich hören konnten.

      »Na, deine letzte Mahlzeit scheint ja eine Weile her zu sein«, lachte Agnes leise.

      »Sie wollte es so. Hat die Gelegenheit verstreichen lassen, zu Hause noch einen Brei zu essen. Helena konnte nicht schnell genug von ihrem nichtsnutzigen Vater fortkommen«, dröhnte Cuntz.

      Helena biss sich auf die Lippen und schluckte eine patzige Antwort hinunter. Ihr Vater war kein Nichtsnutz. Mutters Tod hatte ihn aus der Bahn geworfen. Das war alles. Ob Siegfried wohl ohne seine ältere Schwester zurechtkam? Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, bugsierte Agnes sie ins Haus. Die Frau führte Helena durch die Eingangshalle, in deren Ecke ein Kaminfeuer prasselte. Hier empfing Cuntz Gäste und Händler. Zwei Türen, eine rechts, eine links, führten in die angrenzenden Räume. Cuntz, der ihnen gefolgt war, verschwand ohne ein weiteres Wort durch die rechte Tür, wo über eine Treppe ins Obergeschoss die Schreibstube und die Schlafräume der Familie Wengerter zu erreichen waren. Agnes schritt voran, öffnete die linke Tür, hinter der sich die Küche verbarg.

      An der rechten Küchenwand befand sich die Luke eines Kachelofens, der die nebenan liegende Wohnstube mit Wärme versorgte. Ein eiserner Kessel hing an einer Kette über dem Herdfeuer in der Ecke, der über eine Zugvorrichtung nach oben gezogen oder nach unten gelassen werden konnte. Daneben ragte der Kaminschlot empor, um den Rauch aus der Küche zu entlassen. Die Mitte der Küche nahm ein riesiger Holztisch ein, die Wand links gegenüber dem Ofen war größtenteils bis unter die Decke mit Holzgestellen bestückt, auf denen Töpfe, Krüge und Gefäße mit Schmalz, getrockneten Hülsenfrüchten und Salz Platz gefunden hatten. Daneben gab es ein zweiteiliges Fenster, das den Blick auf den Hof freigab. Die Tür gegenüber dem Kücheneingang führte in die Wohnstube.

      Der Geruch des Eintopfs aus Erbsen, Gerste und Speck, der im Kessel vor sich hin brodelte, stieg Helena in die Nase, und der nagende Hunger verursachte ihr eine leichte Übelkeit.

      Eine ältere Magd saß auf einem kleinen Schemel in der Nähe der Herdstelle und rupfte ein Huhn. Vier weitere lagen schon ihres Federkleids beraubt neben ihr auf dem Boden.

      »Magda, das ist Helena, sie wird dir und den anderen Mägden ab jetzt zur Hand gehen. Aber gib ihr erst mal noch einen Teller Eintopf und ein Stück Brot«, bat Agnes. »Benimm dich anständig, Mädchen. Widerworte werden nicht geduldet. Du tust, was man dir aufträgt«, wandte sie sich an Helena. »Verstanden?«

      »Ja, Herrin.«

      »Gut. Hier auf dem Weinberg gibt es viel zu tun, wir arbeiten vom Morgengrauen bis nach Anbruch der Dunkelheit. Dafür bekommst du einen trockenen, warmen Schlafplatz und jeden Tag drei Mahlzeiten.«

      Drei Mahlzeiten. Helena schickte ein stummes Dankgebet gen Himmel, dass Gott sie hierhergeführt hatte. Oder wohl eher das Pech ihres Vaters beim Würfelspiel.

      »Und Magda«, fügte Agnes hinzu, »sieh nach, ob du ein paar anständige Kleider und ein paar Stiefel für sie findest. Das Kind trägt ja nur noch Lumpen am Leib.«

      Die alte Magd brummte zustimmend, und Agnes verließ ohne ein weiteres Wort die Küche.

      »Nimm dir einen Teller, Löffel sind in der Kiste auf dem zweiten Brett, wenn du keinen eigenen hast.« Magda wies auf das Holzgerüst an der Wand.

      Helena tat wie ihr geheißen und hielt der Magd den hölzernen Suppenteller hin, in den diese eine ordentliche Portion Eintopf aus dem Kessel schöpfte.

      »Setz

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