Die Erleuchtung der Welt. Johanna von Wild
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Читать онлайн книгу Die Erleuchtung der Welt - Johanna von Wild страница 7
Magda brach ein Stück Brot von einem Laib ab, reichte es dem Mädchen und stellte ihr einen Becher und einen Krug mit dünnem Bier hin. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Schemel und rupfte das Huhn.
»Wo kommst du her, und wie alt bist du?«, wollte die alte Magda ohne aufzusehen wissen.
»Aus Neckargemünd«, antwortete Helena mit vollem Mund. »Kurz vor Weihnachten bin ich zwölf geworden. Ist Agnes die Frau unseres Herrn?«
»Nein, seine Schwester«, erwiderte die Magd. »Seine Frau ist vor einigen Jahren gestorben.«
Schweigend leerte Helena ihren Teller, wischte ihn mit dem letzten Stückchen Brot sauber.
»Bist du satt?«, fragte Magda und kehrte die Federn zusammen.
Helena nickte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt so satt gewesen war. Durstig schenkte sie den Becher voll und trank ihn mit großen Schlucken leer.
»Hilf mir mit dem Kessel, er muss vom Feuer, sonst brennt der Eintopf an.«
Magda zog den Kessel an der Kette ein Stück nach oben, und Helena nahm einen langen Eisenhaken, mit welchem sie den Kessel von der Feuerstelle bewegte. Langsam ließ Magda die Kette durch ihre Finger gleiten, bis der Kessel auf dem Boden aufsetzte.
»Gut gemacht. Weißt du, wie man ein Huhn ausnimmt?«
Helena war froh, dass ihre Mutter ihr das einst beigebracht hatte, als die Zeiten noch besser gewesen waren. Damals hatte es öfter Huhn gegeben. Doch dann war dieser heiße Sommer einem verregneten gefolgt, alles war auf den Feldern verdorrt, die ihr Vater mitbestellt hatte. Zwei schlechte Erntejahre hintereinander, und seither war es mit der Familie zusehends bergab gegangen. Kaum jemand brauchte einen Tagelöhner. Auch die Handwerker schufteten von früh bis spät und stellten nur selten jemanden ein, um Geld zu sparen, denn Brot war teuer geworden.
›Morgen wird es regnen, dann kommen wieder bessere Zeiten‹, war Wigberts täglicher Spruch gewesen. Doch geregnet hatte es nicht. Von der Kirche hatten sie Almosen erhalten, wofür sich Margret geschämt hatte. Aber ohne die milden Gaben, die auch nicht gerade üppig gewesen waren, wären sie nicht ausgekommen.
»Ja, das kann ich«, erwiderte Helena stolz.
»Gut, dann nimm die Hühner aus. Lebern, Herzen und Mägen legst du beiseite, ebenso die Hälse. Die braten wir später an. Wenn du fertig bist, schneidest du Zwiebeln und Mohrrüben. Die findest du in den Säcken in der Ecke dahinten.«
Helena arbeitete schnell und geschickt, wie Magda zufrieden feststellte, und wenig später brutzelten die Hühner auf einem langen Bratenspieß über dem Feuer. In einer tiefen Eisenpfanne schmorten die Innereien mit dem Gemüse. Magda gab noch ein paar getrocknete Kräuter, die in kleinen Sträußchen von der Decke hingen, hinzu. Ebenso eine Prise Salz und Pfefferkörner, ein gar kostbarer Schatz.
Inzwischen war es draußen dunkel geworden. Magda entzündete mehrere Fackeln, die in den Wandhalterungen steckten. Zwei weitere Mägde fanden sich in der Küche ein, die ältere hieß Hildegard und die jüngere Ännlin. Helena schätzte sie auf achtzehn Jahre. Magda stellte Helena vor, um dann gleich ihre Anweisungen zu geben.
»Hildegard und ich bedienen die Herrschaften, Ännlin und du, Helena, ihr sorgt dafür, dass die Schüsseln gefüllt sind und nichts anbrennt.« Sie klatschte in die Hände, um ihren Anforderungen Nachdruck zu verleihen. Flugs begann Helena, zwei große Schalen mit den geschmorten Innereien zu füllen, während Ännlin Brot in Stücke brach und in einen Weidenkorb legte. Die älteren Mägde verschwanden durch die hintere Tür, jede zwei Krüge mit Bier und Wein in den Händen. Nach kurzer Zeit erschienen sie wieder, nahmen den Brotkorb und die dampfenden Schüsseln und ließen die Mädchen allein.
Verstohlen musterte Helena die junge Ännlin. Die dunkelbraunen Haare hatte sie zu zwei dicken Zöpfen geflochten, ihre üppige Gestalt verbarg sie unter einem braunen Kittel, ihre Füße steckten in knöchelhohen, warmen Stiefeln. Helena bemerkte eine kleine Wölbung, die sich unter dem Kittel der Magd abzeichnete. Das Mädchen war eindeutig schwanger. Ihr Gesicht zeigte einen hochnäsigen Ausdruck, als sie mit geübten Bewegungen die Bratspieße über dem Feuer drehte. Kein Wort wechselte sie mit Helena, und diese traute sich nicht, etwas zu sagen.
Magda und Hildegard kehrten zurück.
»Ännlin, sei so gut und hol Wein aus dem Keller. Mein Rücken schmerzt heute wieder mehr. Und nimm Helena mit«, ächzte Hildegard, während Magda das Drehen der Spieße übernahm. Die gebratenen Hühner rochen so lecker, dass Helena schon wieder Hunger verspürte. Aber davon würde wohl kaum etwas für die Mägde abfallen.
Wortlos drückte Ännlin Helena drei Steinkrüge in die Hand, nahm eine Fackel aus der Wandhalterung und verließ eiligen Schrittes die Küche, sodass Helena Mühe hatte hinterherzukommen. Das Mädchen lief über den Hof zu einem Nebengebäude, ließ die schwere Holztür aufschwingen und betrat die Diele.
Allerhand Werkzeuge waren hier verstaut: Pickel, Häpen, Karsten und Schaufeln. Bütten für die Trauben, wenn die Weinlese begann, standen säuberlich aneinandergereiht an der einen Wand. Den Großteil des Raumes nahmen aber zwei Keltern ein. Die gewaltigen Baumpressen mit ihren schweren Steinen an den Kelterbäumen forderten die Arbeitskräfte gleich mehrerer Knechte.
Im Fußboden war ein schwerer Eisenring eingelassen, den Ännlin packte und die Luke zum darunterliegenden Keller öffnete. Grob behauene Steinstufen führten hinunter, und Helena musste achtgeben, wie sie ihre Füße im flackernden Schein der Fackel setzte, um nicht zu stürzen. Am Ende der Treppe lag ein langer Gang, in dem rechts und links große Weinfässer lagerten.
»Da, das zweite Fass links. Füll die Krüge«, befahl Ännlin unwirsch.
Helena stellte die Gefäße auf den Boden, das dritte hielt sie mit der rechten Hand unter das Spundloch. Mit der Linken versuchte sie den Spund herauszuziehen, doch er saß zu fest.
»Bist du zu irgendwas nutze?«, bellte Ännlin, steckte die Fackel in eine Wandhalterung und stieß Helena beiseite, die beinahe den Krug fallen ließ. Ännlin riss ihr das Steinzeug aus der Hand, hielt es unter das Spundloch und zog mit einer leichten Drehung den Spund heraus. Tief dunkelroter Wein ergoss sich in den Krug. Als er fast gefüllt war, verschloss Ännlin das Loch und befüllte den zweiten.
»Los, versuch’s noch mal.«
Helena hatte beobachtet, wie die junge Magd den Spund gedreht hatte, und so gelang es auch ihr, den Wein in den letzten Krug fließen zu lassen.
»Gut, du bist also doch nicht so dumm, wie du aussiehst«, räumte Ännlin schroff ein.
Helena fasste sich ein Herz. »Warum bist du so gemein zu mir? Du kennst mich doch gar nicht.«
»Lass uns gehen, die Herrschaften warten«, war alles, was sie zur Antwort bekam.
Eilig liefen sie über den Hof, bemüht, nichts zu verschütten, und brachten den Wein in die Küche, wo Magda und Hildegard ihnen wortlos die Krüge abnahmen und verschwanden.
»Die Hühner sind fertig. Du hältst die Spieße, und ich schiebe die Hühner herunter«, wies Ännlin Helena an. »Nimm den großen Lappen, der vor dem Ofen liegt, du verbrennst dir sonst die Hände«, fügte sie