Schattenklamm. Mia C. Brunner

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Schattenklamm - Mia C. Brunner

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Florian Forster hasste die anfallende Büroarbeit, arbeitete viel lieber draußen und besuchte seine Verdächtigen gern zu Hause. Auch die häusliche Umgebung konnte schließlich Aufschluss über die zu befragende Person geben.

      Von der Wohnsituation der beiden Schwestern aus Hamburg allerdings konnte er überhaupt keine Rückschlüsse ziehen. Aus welchem Grund hatten die beiden ein so enges Verhältnis, dass sie sogar den Wohnraum miteinander teilten, ja, noch dazu selbst in Hamburg schon immer geteilt hatten? Doch darüber brauchte er sich keine weiteren Gedanken machen, denn diese Spur hatte sich als Sackgasse herausgestellt. Nichts deutete auf eine Verbindung des Opfers zu den Schwestern oder dem verstorbenen Polizisten Reuter aus Hamburg hin, denn auch das Gespräch mit Susanne Reuter vor einer Woche hatte keine neuen Anhaltspunkte ergeben. Als er jetzt an die Unterhaltung mit der jüngeren der beiden Schwestern dachte, schüttelte er gedankenverloren seinen Kopf. Frau Reuter war eine unheimlich attraktive, sehr zierliche Frau und ihr Aussehen und ihr charmantes Auftreten hatten ihn total in ihren Bann gezogen. Normalerweise reagierte er auf Frauen ebenso sachlich und professionell wie auf jeden Mann, den er befragte, doch Susanne Reuter hatte etwas an sich, das ihn faszinierte. Im Nachhinein war er sich bewusst, dass er plappernd und offenherzig über den Fall gesprochen hatte, obwohl genau das sonst gar nicht seine Art war, und dieses Verhalten ärgerte ihn sehr. Er ließ sich ungern manipulieren, denn er zeigte nie Schwäche und verlor selten die Kontrolle über ein Gespräch oder eine Situation. Und Susanne Reuter war zwar unbestritten schön, doch weder ihr Äußeres noch ihr schüchternes und damit hilfloses Verhalten zogen ihn als Mann in irgendeiner Form an. Seine Traumfrau musste schlank, sportlich und selbstbewusst sein, ein Karrieremensch durch und durch, genau wie er, die wusste, was sie wollte, vielleicht schwer zu lenken war, aber gerade das machte doch den Reiz einer Partnerschaft aus. Er wollte diskutieren und streiten. Hauptkommissar Florian Forster brauchte eine intelligente Frau, die ihn forderte, geistig wie auch körperlich. Florian Forster brauchte keine Kellnerin!

      Erschrocken über seine merkwürdigen Gedanken erstarrte der Polizeibeamte in seinem bequemen, aber durchgesessenen Bürostuhl und schaute mit leerem Blick an die bilderlose und völlig nackte Wand ihm gegenüber. Dann grinste er breit. Ja, die andere Schwester wäre eher sein Fall als diese Susanne Reuter. Jessica Grothe war genau die Art von »Sparringpartnerin«, die seinem männlichen Ego Futter geben würde und ihm persönlich jede Menge Spaß. Leider schien sie nicht besonders viel Wert auf ihren beruflichen Erfolg zu legen. Sie war finanziell abhängig von ihrer jüngeren Schwester und spielte lieber das Kindermädchen, als sich beruflich weiterzuentwickeln. Schade, aber diese Tatsache ließ sie gänzlich an Attraktivität verlieren.

      »Guten Morgen, Chef … äh, Florian«, begrüßte Kommissar Willig seinen Vorgesetzten und betrat ohne anzuklopfen das kleine Büro am Ende des Ganges. »Die Unterlagen aus Hamburg sind endlich gekommen. Ich habe sie gleich mitgebracht.«

      Gespannt nahm Florian Forster seinem Kollegen den dünnen grünen Pappordner mit den lang erwarteten Untersuchungsergebnissen vom Mordfall Reuter ab, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und bemerkte dann den fröhlichen Gesichtsausdruck von Berthold Willig, der, wie es seine Art war, die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte und beinahe lustig wippend sein Gewicht vom einen auf den anderen Fuß verlagerte.

      »Was grinst du denn so, Berthold?«, fragte Florian leicht amüsiert und legte demonstrativ den Ordner beiseite, um seinem Kollegen seine volle Aufmerksamkeit zu widmen.

      »Ich habe schon in die Akten gesehen«, verkündete Berthold und wurde gleich noch ein bisschen größer, als er seinen Rücken durchstreckte und sein Kinn etwas nach vorn schob.

      »Und?«, fragte Florian neugierig. »Ist unser Fall jetzt gelöst?«

      »Nee, Chef. Das nicht.« Berthold Willig warf mit einem Kopfrucken sein etwas zu lang geratenes braunes Haar zurück und biss sich belustigt auf die Unterlippe.

      »Und?«, fragte der Hauptkommissar erneut, diesmal schon leicht ungeduldig.

      »Wer hätte das gedacht«, triumphierte Berthold Willig. »Die leitende Hauptkommissarin in Hamburg, die damals den Mordfall Reuter bearbeitet hatte, heißt Jessica Grothe.«

      Kapitel 5

      Vor 20 Jahren in einer idyllischen Hamburger Nebenstraße vor einem imposanten Einfamilienhaus im schicken Vorgarten …

      Der kleine Junge mit dem dunkelblonden Haar und den auffallend leuchtend grünen Augen kniete im nassen Gras und weinte. Die eiskalte Feuchtigkeit drang durch seine neue hellbraune Cordhose und er spürte die beinahe frostige Kälte an seinen Knien und Schienbeinen, doch er konnte jetzt nicht aufstehen. Leise schluchzend wiegte er seinen Oberkörper mechanisch vor und zurück. Von weitem sah es aus, als würde er beten und dazu monoton ein fast stummes Lied summen, doch seine Bewegungen waren nicht weich und fließend, sondern hektisch und schnell. In seinen Armen hielt er etwas Weiches. Weißes struppiges Fell quoll oben und unten über seine fest vor den Bauch gepressten dünnen Ärmchen. Schlaff und leblos lag der kleine Hund auf seinem Schoß und all das fröhliche Bellen und wilde Herumgetobe waren mit diesem winzigen Körper gestorben.

      Er hatte aufgepasst. Niemals hatte er seinen Freund aus den Augen gelassen oder ihn allein im Garten spielen lassen. Jetzt war er tot.

      Zärtlich streichelte er seinem Liebling den Kopf und sein Wimmern verwandelte sich schließlich wirklich in einen Singsang aus Schlaflied und Totengesang. Die winzigen Augen des quirligen Mischlings waren fest geschlossen. Der Junge hatte sie zugedrückt, weil sein Freund ihn so angsterfüllt und gequält aus seinem toten Körper angestarrt hatte. Außerdem hatte er dem Hund den weißen Schaum mit dem Ärmel seiner moosgrünen Jacke von den Lefzen gewischt und den Kopf liebevoll auf seinen rechten Unterarm gebettet.

      Ob es einen Hundehimmel gab? Verstohlen sah er nach oben und erblickte eine graue Wolkendecke, aus der es müde nieselte. Auch der Himmel weinte um den süßen Hund.

      Jetzt war niemand mehr da, der ihn mittags begrüßte, wenn der kleine Junge aus der Schule kam. Und sein Papa würde vielleicht sogar froh sein, wenn der alte Kläffer, wie er ihn nannte, endlich weg war. Jeden Abend, wenn sein Vater von der Arbeit kam, schimpfte er auf den fröhlichen Hund, der wild um seine Beine wuselte und sich auf den letzten Spaziergang des Tages freute. Abends durfte der kleine Junge nicht mit seinem Freund nach draußen, weil es zu gefährlich war. Der Junge hatte keine Angst vor der Nacht und wäre auch gegangen, aber abends musste immer sein Vater gehen, weil er groß und stark war und niemand ihm im Dunkeln etwas tun würde.

      Wieder weinte der Junge und Tränen und Rotz tropften über sein Kinn auf das struppige Fell des Tieres. Wäre er doch auch so stark wie sein Vater, dann wäre sein kleiner Freund jetzt noch bei ihm. Dann hätte er noch besser auf ihn achtgeben können und vielleicht hätte sein Vater den Hund dann doch gemocht, weil er ihm keine Arbeit gemacht hätte. Doch der kleine Junge wusste, dass sein Vater nicht um den Mischling weinen würde. Er hatte auch nicht geweint, als die Mama gestorben war. Sein Gesicht war versteinert und wütend gewesen, als er von der Beerdigung kam, zu der der Junge nicht mitgehen durfte, weil es nicht richtig wäre. Damals hatte er sich schuldig gefühlt. Seine Mutter war gestorben, weil er nicht gut genug war, weil sie sich immer so sehr ärgern musste über ihn, weil er nie aufräumte und oft sein Gemüse nicht essen wollte. Jetzt war sie schon so lange tot, doch noch immer vermisste er sie schrecklich. Papa hatte sie schnell vergessen, war morgens wieder früh zur Arbeit gegangen und spät heimgekommen. Alles war wieder wie früher, nur Mama fehlte. Sein Vater würde auch nicht um den Hund weinen. Sein Vater weinte niemals.

      An den Wochentagen war der »Feuertempel« nur wenig besucht. Manche Gäste kamen zum Abendessen oder tranken ein kleines Feierabendbier, doch nur sehr wenige blieben länger als 21 Uhr. Schließlich mussten die meisten der Gäste am folgenden Tag früh

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