Das Salz der Friesen. Andreas Scheepker

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Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker

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haben mit Salz gehandelt«, erklärte Boyen. »Wobei ich zugeben muss, dass ich fast keine Ahnung habe, wie das Salz an der Küste produziert wird. Das hat alles Jakob von Norden aus gemacht, und ich war als Partner beteiligt. Dafür habe ich mich um den Ankauf und Weiterverkauf von Rindern und Schweinen gekümmert. Da war Jakob als Partner dabei. So haben wir es auch mit Nord- und Ostseehandel gemacht, mit Wein, mit Honig, mit Flachs und Wolle. Lief es einmal in einem Bereich schlecht, so machten wir in einer anderen Sparte Gewinne.«

      Hilko Boyens Gesicht wirkte bekümmert. Er trank klares Wasser aus seinem Becher und atmete schwer durch. Dann sprach er weiter: »Jakob und ich kannten uns viele Jahre. Wir haben als Jungs unsere Ausbildung in Rostock gemacht. Wir hatten verschiedene Lehrherren, aber da die beiden viele Geschäfte gemeinsam durchführten, haben wir nicht nur einander, sondern auch die Vorzüge einer verlässlichen Zusammenarbeit kennengelernt. Nicht nur gegenseitige Hilfe in Notfällen, das versteht sich ja von selbst.«

      Rimberti nickte.

      »Es gibt Geschäfte, die sind für einen Kaufmann allein zu groß«, erklärte Boyen. »Zu zweit verfügten wir über mehr Kapital, wir waren auch in Engpässen beweglich, und vor allem konnte jeder von uns seine besonderen Fähigkeiten einbringen, und so haben wir einander ergänzt. Jakob hatte ein Gespür für gute Gelegenheiten, den Kaufmannsinstinkt. Und ich hatte die nötige Menschenkenntnis. Und Kaltblütigkeit.«

      »Kaltblütigkeit?«, fragte Lübbert Rimberti zurück.

      »Jedenfalls bis vor Kurzem.« Der Kaufmann sah aus dem Fenster. Sein Blick konzentrierte sich auf einen Punkt draußen.

      »Ich glaube, ich mache einen kleinen Spaziergang«, seufzte Ulfert Fockena. »Nach dem guten und vielen Essen wird mir etwas Bewegung guttun.«

      »Ich spüre Euren Schmerz um Jakob Sanders«, sagte Rimberti.

      Boyen nickte. »Vor einem Vierteljahr sind meine Frau und meine Tochter ums Leben gekommen. Sie wollten den Bruder meiner Frau in Amsterdam besuchen. Ein Dorf, in dem sie übernachteten, wurde von Wiedertäufern besetzt. Die Aufrührer stürmten gemeinsam mit den Dorfbewohnern das Kloster. Einigen Mönchen gelang die Flucht, und sie holten spanische Soldaten aus der nächsten Garnison. Die stürmten am nächsten Tag das Dorf und ließen fast niemanden am Leben.«

      Hilko Boyen schwieg einen langen Moment. Dann sprach er weiter: »Ich weiß nicht einmal, wo und wie sie beigesetzt worden sind.«

      Von draußen war zu hören, wie jemand an die Außentür klopfte und von einer Magd in Empfang genommen wurde.

      »Hinrich!« Hilko Boyen erhob sich und begrüßte einen großen und schlanken Mann, den Rimberti auf Mitte dreißig schätzte, also in seinem eigenen Alter. »Was für eine Freude, dich zu sehen. Selten genug, dass die Kölner dich einmal freigeben für die alte Heimat.«

      Verhalten erwiderte Hinrich Ubben die Umarmung seines Freundes. »Meine Freude ist nicht weniger groß. Aber getrübt ist sie durch die traurigen Ereignisse.« Er sah zu Rimberti hin und entschied wohl, zunächst nicht mehr zu sagen.

      Boyen trat einen Schritt zurück. »Doktor Rimberti hat ebenfalls Rechtswissenschaften studiert. Er ist Syndikus in … Ich habe noch nicht einmal genau zugehört vorhin. Auf jeden Fall soll er Graf Enno in einer rechtlichen Angelegenheit beraten und einen Todesfall untersuchen, der mich sehr traurig macht.«

      »Jakob Sanders. Ich habe davon gehört«, antwortete Ubben und erklärte Rimberti: »Wir sind in Norden aufgewachsen. Unsere Wege führten dann in unterschiedliche Richtungen, aber Hilko und ich sind immer in Verbindung geblieben.«

      »Ich habe schon viel von Euch gehört«, antwortete Rimberti, »und auch davon, dass Ihr in Köln zurzeit mit niemand Geringerem zusammenarbeitet als mit Professor Johannes Frissemius, eine Zierde unserer Juristenzunft und ein Meister glanzvoller Sprache. Man erzählt, dass Ihr an einem Werk über Friesland schreibt.«

      Ubben nickte ihm zu, und Rimberti spürte, dass diesem Mann jede eitle Selbstdarstellung fremd war. »Frisia descriptio soll es heißen. Das ist auch ein Grund für meine Reise in die Heimat. Es gibt eine Reihe von Fragen, die ich für meine Beschreibung Ostfrieslands klären möchte. Außerdem werden die Eltern alt, und ich möchte jede seltene Gelegenheit nutzen, sie zu besuchen. Aber erzählt von Euren Geschäften, Doktor Rimberti.«

      Nur kurz berichtete Rimberti von seinem Gutachten, dass er zum Verkauf der Herrlichkeit Hillersum schreiben sollte. Ausführlicher erzählte er vom Mord an Kaufmann Sanders.

      »Salz?«, fragte Hinrich Ubben erstaunt, als Rimberti seine Erzählung unter Auslassung einiger Details beendet hatte. »Das wird an der Küste gewonnen. In meiner Heimat Ostermarsch, aber vor allem in der Westermarsch und auf Bant werden im Vorland große Mengen Salz gewonnen. Aber auch im Watt vor der Küste bei Esens wird Salztorf ausgegraben.«

      Rimberti sah ihn staunend an. Obwohl er in Ostfriesland aufgewachsen war und ihm bekannt war, dass im Bereich der Küste Salz gewonnen wurde, so wusste er nichts darüber, wie diese Salzgewinnung vor sich ging.

      »Hier ganz in der Nähe, an der Westermarscher Küste, solltet Ihr Euch das einmal ansehen«, sagte Hinrich Ubben. »Die Torferde unter dem Kleiboden und unter dem Schlick ist sehr salzhaltig. Sie wird ausgegraben und getrocknet. Später wird sie dann verbrannt, und die Asche wird mit Wasser ausgelaugt. Und das wird dann eingekocht. Es wird so viel Salz gewonnen, dass unsere Heimat gut versorgt wird und sogar damit gehandelt werden kann. Wie man bei meinem lieben Freund Hilko Boyen sieht.«

      Boyen nickte. »Ich lasse hauptsächlich Fisch damit einpökeln. Und wenn das Salz sehr weiß und rein ist, salze ich auch Butter und Fleisch damit ein. Aber das wisst Ihr bereits. Wenn es Euch interessiert, werde ich mich darum kümmern, dass Ihr die Salzsiederei in Westermarsch besichtigen könnt. Alle paar Tage fährt auch jemand zur Insel Bant, um Vorräte zu bringen.«

      »Berend Sanders erzählte, dass die Aufsicht über die Salzbuden seine Aufgabe ist«, erklärte Rimberti.

      »Berend ist ein Großmaul. Eigentlich hätte er als Ältester die Geschäfte übernehmen müssen, aber er hat schon das Erbe seines früh verstorbenen Onkels in ein paar Jahren verbraucht. Glücksspiele, falsche Freunde, Liebschaften, und die wenigen Investitionen in den Handel waren schlecht gewählt. Dann war das Geld weg. Der alte Sanders hat seinem jüngeren Sohn Jakob das Geschäft übergeben, und er hat für Berend alle Schulden bezahlt und ihm eine Leibrente festgesetzt. Berend musste alle Ansprüche auf die Firma aufgeben. Das ist vertraglich geregelt.«

      »Und dann ist da noch ein dritter Bruder«, stellte Rimberti fest.

      »Konrad. Er hat die freien Künste studiert und ist Bibliothekar im Kloster geworden, in der Schola Dei in Ihlow. Der alte Sanders hat ihn dort eingekauft.«

      »Und was wird aus ihm, wenn das Kloster aufgelöst wird?«, erkundigte sich Rimberti.

      »Ihlow?«, fragte Heinrich Ubben erstaunt. »Die Schola Dei? Graf Enno wird es nicht wagen, die Schule Gottes aufzulösen. Die edelsten Familien des Landes haben ihre Söhne diesem heiligen Ort anvertraut. Seine große Bibliothek und die Gelehrsamkeit und Frömmigkeit seiner Mönche sind weit über Ostfriesland bekannt.«

      »Die Axt ist schon an die Wurzel gelegt«, sagte Rimberti. »Graf Enno hat bereits gewisse Pläne. Und Bruder Konrad in der Schule Gottes ist nun alleiniger Erbe des Sanders’schen Handelshauses.«

      Kapitel 9

      »Hier up an.« Der Siedemeister wies Rimberti und Fockena zu einer Anhöhe,

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