Das Salz der Friesen. Andreas Scheepker
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Читать онлайн книгу Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker страница 4
Rimberti zog den ledernen Vorhang zur Seite und schaute auf die Landschaft, die an ihnen vorbeiruckelte. Gleich kamen sie an die Stelle, an der im letzten Jahr ein Toter entdeckt worden war. Rimberti zog den Vorhang zu und tat so, als machte er ein Nickerchen.
Kapitel 3
Graf Enno II. von Ostfriesland betrachtete das Geldstück, auf das sein Porträt geprägt worden war.
»Gute Arbeit«, lobte er den Münzmeister. »Nehme Er die erste Münze als Geschenk.« Der Graf gab dem Mann mit einer Geste zu verstehen, dass er nun nicht mehr gebraucht wurde.
»Nun? Wie gefallen Euch die neuen Münzen?«, fragte er seine in der Norder Residenz am Marktplatz versammelten Berater. Drei der vier Männer nickten stumm. Einer stand ein wenig abseits und blickte zu Boden. »Euer Beifall hält sich ja in Grenzen«, stellte Enno in beleidigtem Ton fest.
»Euer Vater hat ein Bild unseres Herrn am Kreuz auf seine Münzen prägen lassen«, bemerkte Drost Eggerik Beninga.
»Steht nicht im Evangelium, dass wir dem Kaiser geben sollen, was des Kaisers ist? Und hat unser Herr dies nicht am Exempel einer Münze gelehrt, auf der das Bild des Kaisers eingeprägt war? Oder glaubt Ihr, dass unser Erlöser Wert darauf gelegt hätte, auf eine ostfriesische Münze geprägt zu werden?«, gab Enno spöttisch zurück.
»Vermutlich nicht. Es wäre ihm eine Ehre gewesen, Euch den Vortritt zu lassen«, antwortete Beninga.
»Wie könnt Ihr …«, wollte Enno sich empören, aber Eggerik Beninga unterbrach ihn.
»Ich bin jederzeit gern bereit, mein Amt jemandem zur Verfügung zu stellen, der Euch nach dem Munde redet, anstatt Euch zu beraten.«
»Nur frei heraus«, sagte Enno mit bemühter Ruhe. »Ihr wart ein treuer Diener meines seligen Vaters. Es ist gewiss nicht leicht für Euch, Euch auf die neue Zeit einzustellen. Ich bin eben anders als mein Vater.«
»Ihr sprecht es aus, wie es ist«, antwortete Beninga und deutete müde eine Verbeugung an.
»Doktor Rimbert ist soeben angekommen«, meldete ein Bediensteter.
»Was fällt dir ein, hier so hereinzuplatzen? Was ist das für ein Benehmen?«, herrschte Graf Enno seinen Diener an. »Dies ist die letzte Meldung, die du hier gemacht hast. Ab jetzt kannst du bei den Pferden ausmisten. Melde dich beim Stallmeister!«
Zitternd und mit hochrotem Kopf verbeugte sich der Bedienstete und verließ den Raum. Lübbert Rimberti blieb noch einen Moment in der geöffneten Tür stehen und trat dann ein.
»Hier liegt es: Hillersum!« Graf Enno klopfte energisch mit dem Nagel des Zeigefingers auf die ausgebreitete Karte. Er nickte Drost Eggerik Beninga zu, der Rimberti die Sachlage genauer erklärte.
»Es handelt sich um eine Herrlichkeit. Hillersum hat etwa vierhundert Einwohner. In Hillersum steht eine dem heiligen Nikolaus geweihte Kreuzkirche. Außerdem hat der Ort eine kleine, aber gut befestigte Burg. Dann gehören zur Herrlichkeit noch die beiden Kirchdörfer Rickertsum und Folkmershusen, das kleine Dorf Uiterweer und noch ein paar Bauernschaften. Außerdem gibt es dort das Klostervorwerk Oldekamp.«
Beninga zeigte die Orte auf der Karte an und Rimberti versuchte, sich daran zu erinnern, ob er jemals dort gewesen war.
»Folkmershusen hat einen Hafen«, fuhr der Drost fort. »Das Land ist fruchtbar, der Hafen verzeichnet einen lebhaften Handel. Es gibt tüchtige Handwerker. Insgesamt leben etwas mehr als tausend Menschen in der Herrlichkeit. Was seht Ihr mich an, verehrter Doktor Rimberti? Vermutlich seid Ihr dort schon gewesen und kennt Hillersum durch eigene Anschauung.«
»Ich frage mich: Warum verkauft jemand ein so blühendes Territorium mit diesen wirtschaftlichen Möglichkeiten?«
»Der Besitzer der Herrlichkeit ist Häuptling Eilert Nanninga. Er hat viele Schulden. Durch seine Frau fallen ihm Güter in der Nähe von Oldenburg zu. Dorthin möchte er sich zurückziehen. Er will mit den Geldern für den Verkauf seine Schulden begleichen, und mit dem Rest will er behaglich leben.«
Rimberti zwinkerte Beninga zu. »Das bedeutet, dass in ein paar Jahren ein paar Güter zum Verkauf stehen, um Schulden zu begleichen.«
»Das soll dann nicht mehr unsere Sorge sein«, mischte sich Graf Enno ein.
»Und was ist Eure Sorge?«, fragte Rimberti.
»Die Herrlichkeit Hillersum liegt in der Grafschaft Ostfriesland«, stellte Enno fest. »Es gibt drei Kaufgebote. Eines stammt von mir, und eines stammt von Häuptling Manninga aus Pewsum. Ich denke, wir beide werden uns einigen können.«
»Und der dritte Bieter?«, fragte Rimberti. Er wusste, dass jetzt das Problem kam.
»Das dritte stammt von einem auswärtigen Hof.«
»Und er bietet mehr.«
»So ist es«, antwortete Enno kleinlaut.
»Karl von Geldern hat sein Interesse an der Herrlichkeit Hillersum bekundet«, erklärte Eggerik Beninga. »Wir haben Hinweise, dass es Verhandlungen zwischen ihm und Junker Balthasar von Esens gibt. Wir befürchten, dass die beiden sich verbünden wollen. Mein Vater hat vor vier Jahren Krieg gegen Balthasar geführt. Es gibt Hinweise darauf, dass Balthasar einen neuen Angriff plant. Er hat neue Truppen anwerben lassen, und es häufen sich Nachrichten von Überfällen auf Kaufleute und Handelsschiffe. Erst vor einer Woche hat er ein Schiff aus Emden aufgebracht, beladen mit Bier, Speck und einer großen Lieferung Salz. Bei einem nächsten Waffengang hätte Balthasar einen mächtigen Verbündeten: Herzog Karl von Geldern. Und die beiden hätten einen Stützpunkt mit Hafen und gut befestigter Burg mitten in unserem Land.«
»Ihr habt den Kaiser um Vermittlung angerufen, und er hat mich entsandt, damit ich ein juristisches Gutachten erstelle«, stellte Rimberti fest.
»Es sind mehrere Fragen zu bedenken«, entgegnete der Drost. »Es geht um die Frage, in welchem rechtlichen Verhältnis der Besitzer einer ostfriesischen Herrlichkeit zum ostfriesischen Grafen steht. Kann ein auswärtiger Regent wie Herzog Karl von Geldern überhaupt Besitzer einer ostfriesischen Herrlichkeit sein?«
»Verzeiht«, unterbrach Rimberti, »aber dahinter steht ja die Frage, ob die Herrlichkeiten überhaupt Bestandteil der Grafschaft Ostfriesland sind. Graf Ulrich nannte sich ›Graf in Ostfriesland‹ und nicht ›von Ostfriesland‹.«
Graf Enno spürte, dass seine Autorität in Zweifel gezogen wurde, auch wenn er nicht genau verstand, um welche Frage es ging. »Man merkt Euch an, dass Ihr in einer Herrlichkeit aufgewachsen seid, Doktor Rimberti. Aber die Ära der Häuptlinge ist zu Ende. Vorbei sind die Zeiten, wo die Häuptlinge sich gegenseitig befehden und Unglück über das Land und seine Einwohner bringen.«
Rimberti entgegnete dem Grafen freimütig: »Ihr braucht ein juristisches Gutachten, das den Verkauf der Herrlichkeit an Balthasar oder an Karl von Geldern für unrechtmäßig erklärt.«
Graf Enno legte Rimberti die Hand auf die Schulter. »Wir sprechen die gleiche Sprache. Und mein