Das Salz der Friesen. Andreas Scheepker
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Читать онлайн книгу Das Salz der Friesen - Andreas Scheepker страница 7
»Verzeiht, dass wir Euch an einem so jammervollen Tag mit Fragen belästigen müssen«, begann Ulfert Fockena salbungsvoll. »Aber Graf Enno schätzte Euren Gatten als Freund und als Kaufmann. Ihm ist sehr daran gelegen, den Mörder schnell zu finden und zu bestrafen.«
Rinelde Sanders legte die Schreibfeder beiseite und nickte. »Stellt Eure Fragen.«
»Ist etwas aus dem Kontor Eures Mannes entwendet worden?«, fragte Lübbert Rimberti.
Rinelde Sanders schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Mein Mann hatte sein Geld gut versteckt und verschlossen. In seinem Kontor hatte er immer nur ein paar Münzen in einem Schrankfach. Und die sind noch alle da.«
»Ihr hattet schon Gelegenheit, Euch davon zu überzeugen?«, fragte Rimberti so höflich wie möglich.
Rinelde Sanders’ Blick wurde eisig. »In unserem Kontor wimmelt es von Kunden und Bediensteten. Da sollte niemand in Versuchung geführt werden.«
Es polterte an der Tür, und ein hagerer Mann mit rotem Gesicht stolperte herein. Die Kleidung aus elegantem schwarzem Tuch passte nicht zu seiner ungepflegten Erscheinung. Das Haar stand nach allen Seiten ab, der Bart war seit Tagen nicht gestutzt und die Kleidung an Brust und Bauch bekleckert.
»Schwager Berend, was habt Ihr hier zu suchen?«, fragte Rinelde Sanders mit tadelndem Unterton.
»Ich wollte nachsehen, wie es mit Euch steht, liebe Schwägerin«, brachte der Mann mit schwerer Zunge vor.
»Immerhin sehe ich, dass Ihr noch steht. Das ist um diese Tageszeit schon sehr bemerkenswert, lieber Schwager«, entgegnete die Witwe schroff.
»Ich …« Der Mann suchte nach Worten. »Er war nicht nur Euer Mann, er war auch mein geliebter Bruder.« Tränen standen in seinen geröteten Augen. Er schniefte und wischte sich mit dem Ärmel die Nase.
Für einen Moment schien Rinelde Sanders von Mitleid berührt. »Ich danke Euch für Euren Besuch. Wir reden später.«
Der Mann druckste. »Auch wenn das jetzt etwas unpassend ist: Vielleicht könnt Ihr mir aus einer kleinen Verlegenheit helfen. Dringende Geschäfte, versteht Ihr?«
Rinelde Sanders’ Gesicht wurde hart. Wortlos griff sie in einen Lederbeutel und holte ein paar Münzen heraus, die sie auf die Tischkante legte. Sie sah nicht hin, als ihr Schwager sich mit ungelenkem Schritt näherte und die Münzen umständlich von der Tischkante nahm.
»Dank Euch für die Hilfe«, sagte Berend Sanders mit übertriebener Ergebenheit. »Ihr könnt Euch auf mich verlassen. Ich werde in dieser schweren Zeit unerschütterlich zu Euch stehen.« Er deutete eine Verbeugung an und schwankte hinaus.
»Auch das ist ein Erbteil, welches mein Mann mir hinterlässt«, erklärte Rinelde Sanders ungerührt.
»Wird er etwas erben?«, fragte Ulfert Fockena.
»Nein. Mein Schwiegervater hat das Geschäft Jakob hinterlassen. Berend ist der Ältere. Aber er hat es nie zu etwas gebracht. Berend hat beim Tod meines Schwiegervaters eine Leibrente und lebenslanges Wohnrecht im Elternhaus bekommen. Dieses Erbe kann er nicht versaufen. Mein Schwiegervater war ein weiser Mann. Das Elternhaus selbst ist dem Kloster Ihlow überschrieben worden und wird nach Berends Ableben ganz dem Kloster zugutekommen. Es gibt noch einen dritten Bruder. Er heißt Konrad und ist auf eigenen Wunsch in dieses Kloster eingetreten. Er ist dort Bibliothekar.«
»Und mit dem Haus hat er sich gewissermaßen in das Kloster eingekauft«, stellte Ulfert Fockena fest.
»Es bedarf schon eines gewissen Wohlstandes, um das Armutsgelübde ablegen zu können«, erwiderte Rinelde Sanders.
»Jemand hat Salz auf Euren Mann gestreut. Habt Ihr eine Vermutung, was das zu bedeuten hat?«, fragte Lübbert Rimberti. »Hat Euer Mann auch mit Salz gehandelt?«
»Mein Mann hat zusammen mit Hilko Boyen mit Salz gehandelt«, antwortete die Witwe. »Das meiste Salz wird verkauft. Das Fleisch wird damit eingepökelt und überallhin verkauft. Aber etliche Fässer mit Salz verkaufen wir auch nach Westfalen oder verschiffen es in die Ostsee. Und nun, meine Herren, bitte ich Euch, mich allein zu lassen. Ich trauere um meinen Mann und bitte um Euer Verständnis.«
Rimberti und Fockena erhoben sich und verließen den Raum. Als Rimberti sich noch einmal zu Rinelde Sanders umwandte, um ihr einen Abschiedsgruß zu entbieten, war sie schon wieder in ihre Arbeit vertieft und schrieb mit ihrer Feder auf das Papier.
»Da stimmt doch etwas nicht«, sagte Ulfert Fockena, nachdem er den Bierkrug mit einem Zug bis zur Hälfte geleert hatte. »Da wird ihr Mann am helllichten Tag ermordet, und sie sitzt ungerührt da und macht ihre Bestandsaufnahme. Und auf keine Frage hat sie eine Antwort.«
»Nicht so laut«, raunte Lübbert Rimberti seinem Freund zu und sah sich in der Gaststube um. Aber niemand schien Interesse daran zu haben, ihrem Gespräch zuzuhören.
»Und doch trauert sie. Das habe ich deutlich gespürt. Vielleicht trauert sie um ihren Mann, aber ich habe das Gefühl, dass da noch eine andere Trauer ist. Und darüber will sie nicht reden.« Ulfert Fockena grinste. »Glaub mir! Ich verstehe etwas von Frauen.«
Lübbert Rimberti deutete mit einer Kopfbewegung in den hinteren Teil der Gaststube. An einem der Tische im Halbdunkel saß Berend Sanders. Er sprach angeregt mit einem schwarzbärtigen Mann, der in dunkelgrünes Tuch gekleidet war. Der Mann schien Berend Sanders mit einem Anliegen zu bedrängen. Sanders hob mehrere Male abwehrend die Hände und erwiderte etwas. Dabei schüttelte er den Kopf.
Schließlich stand der Mann auf und verließ den Schankraum. Rimberti sah, dass eine Narbe über seine Wange bis unter das Auge lief. Der schwarze Bart verbarg die Entstellung des Gesichts nur teilweise.
»Wir sollten uns um den trauernden Bruder kümmern«, raunte Ulfert Fockena. »Ich übernehme das Trinken und du das Trauern.«
»Dürfen wir Euch unser Beileid aussprechen?«, sagte Lübbert Rimberti, als er und Ulfert Fockena vor Berend Sanders standen.
»Ich danke Euch«, sagte Sanders, sein Desinteresse kaum verbergend.
»Dürfen wir Euch zu einem Trunk auf das Wohl Eures Bruders einladen?«, fragte Fockena.
»Ich danke Euch«, antwortete Sanders sichtlich erfreut, und die Augen leuchteten wie seine rote Nase.
»Es ist sicherlich nicht einfach für Euch«, sagte Rimberti, während er der Bedienung ein Zeichen gab.
»Nein, gewiss nicht«, erwiderte Sanders und stieß laut hörbar auf. Eine Dunstwolke sauren Atems hüllte Rimberti ein, der sich gerade vorgebeugt hatte, um mit dem Mann ins Gespräch zu kommen.
Die Schankmagd kam und wischte mit einem dreckigen Tuch über den Tisch. Dann brachte sie drei große Bierkrüge.
»Auf unsere Lieben, die wir vermissen.« Ulfert Fockena hob den Krug und nickte Sanders zu.
»Jau«, murmelte Sanders, der schon den Krug an den Mund gesetzt und mit dem Trinken begonnen hatte.
»Ein schmerzlicher Verlust«, bemerkte Fockena, der einen großen Schluck genommen hatte. »Nun kommt eine große Verantwortung auf Euch zu.«
Das Geräusch, das Sanders von