Isola Mortale. Giulia Conti
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Von Simon nahm Stefano keine Notiz, aber ein zweiter Carabiniere empfing ihn immerhin mit einem Lächeln, als er sich zu ihm ins Heck setzte. Stefano zündete den Motor mit einer wichtigtuerischen Geste, mit der sich schon ankündigte, was er bei dem bevorstehenden Ritt über den See aus dem Boot herausholen würde. Noch aber lagen sie am Steg, und der Motor blubberte nur verhalten vor sich hin.
Auf ein Zeichen Stefanos löste der Carabiniere neben Simon die Leinen, sie legten ab und fuhren langsam auf den See hinaus, immer noch mit blubberndem Motor, knapp an dem geschmückten Baum auf der Plattform vorbei. Kaum hatten sie die erste Reihe gelber Bojen erreicht, die die Hafengrenze markierten, gab Stefano Gas. Das Boot bäumte sich auf, senkte sich dann sofort wieder, und sie sausten über das Wasser, gewaltige Heckwellen hinter sich lassend.
Die Isola San Giulio war gut acht Kilometer entfernt, wofür sie keine zehn Minuten benötigen würden. Simon lehnte sich auf seiner Bank zurück, streckte die Beine aus und genoss die Fahrt über den See und den Blick auf die Insel, die schnell immer näher kam. Rundum dicht bebaut ragte sie aus dem Wasser auf, wie stets dominiert vom Kloster und dem Glockenturm der Basilika. Und doch sah sie nie gleich aus, wechselte jeden Tag ihr Gesicht. Mal, wenn die Sonne schien, lag sie heiter wie ein buntes Schiff im blauen See, mal verschwamm sie düster und nebelverhangen im Dunst, dann wieder, nachts, wenn sie angestrahlt war, stand sie trutzig im Wasser und erinnerte an eine Burg. Jetzt schimmerte sie hell und einladend in der Wintersonne.
Simon war schon Hunderte Male auf sie zugefahren, aber immer wieder überwältigte ihn ihr Anblick. Zwischen all dem verwitterten Stein, den lichten Fassaden der Palazzi, den Arkaden, schmiedeeisernen Balkonen und blassblauen Fensterläden wuchsen sattgrüne Zypressen und Kastanienbäume in die Höhe. Es war ein Postkartenanblick, tausendmal gesehen und abgebildet, von unten und von oben, vom See oder aus der Luft, aber dennoch verbrauchte er sich nicht.
Stefano fuhr kurz vor der Insel noch schwungvoll eine letzte Kurve, drosselte dann den Motor, und sie machten an dem langen Holzsteg fest, an dem auch die Verkehrsschiffe anlegten. Carla und Simon sprangen fast gleichzeitig an Land. Die beiden Carabinieri wollten sich ihnen anschließen, aber Carla stoppte sie in einem brüsken Ton, den Simon gar nicht an ihr kannte. »Fahren Sie zurück nach Omegna, Stefano. Ich melde mich, wenn wir hier fertig sind und wieder abgeholt werden wollen.«
Sie liefen schweigend nebeneinander her, eine Treppe hoch, durch einen Torbogen vorbei am Eingang zur Basilika und an dem Inselshop, der einst eine Taverne war und in dem nun Postkarten, Drucke, kleinere Antiquitäten und allerlei Krimskrams verkauft wurden. Schließlich kamen sie auf einen schmalen, mit runden Steinen gepflasterten Pfad, die Via del Silenzio, den Weg der Stille, der um die kleine Insel herumlief.
Carla blieb an einer niedrigen Mauer stehen. »Einen Moment haben wir noch, Simone. Den hat Stefano gerade für uns herausgefahren.« Sie grinste, nahm ihre Sonnenbrille ab, setzte sich mit lang ausgestreckten Beinen auf die Mauer, zündete sich eine Zigarette an, hielt Simon das Päckchen hin.
»Nein, danke. Seit wann rauchen Sie denn? Ich habe Sie noch nie mit einer Zigarette gesehen.«
»Ein kleiner Rückfall. Mir ist im Augenblick danach.«
Diesen Ton kannte Simon. Er erlaubte keine Rückfragen. Schweigend setzte er sich neben sie.
Sie nahm einen tiefen Zug. »Ich habe Ihnen doch von meinem Kollegen erzählt, oder? Der vor ein paar Monaten in Frankfurt spurlos verschwunden ist.«
»Der bei der Sanitärmesse war? Um Raubkopien aufzuspüren? Wegen dem ich bei der Polizei in Frankfurt nachgehakt habe, weil er auf einmal verschwunden war?«
Sie nickte. »Ja, genau. Sie haben ja wohl seitdem nichts mehr aus Frankfurt gehört?«
»Nein, mein Bekannter, der für Vermisstensachen zuständige Kommissar, wollte sich melden, wenn er etwas Neues von Ihrem Kollegen erfährt. Das hat er aber bisher nicht getan.«
Sie zog wieder an ihrer Zigarette. »Aber ich habe schlechte Nachrichten. Es hat nämlich jetzt jemand in Mexiko mit seiner Kreditkarte bezahlt. Das weiß ich von meinen italienischen Kollegen.«
»Was heißt jemand?«
»Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass er das selbst war. Ich vermute, dass man ihm etwas angetan hat. Er war kein Typ, der sich korrumpieren lässt, dann verschwindet und sich einen Lenz in Acapulco macht.«
»War?«
»Ja, Sie haben richtig gehört. Ich glaube nicht mehr, dass er noch lebt. Ich hätte von ihm gehört.«
»Soll ich noch mal in Frankfurt nachfragen?«
»Ja, das wäre gut, auch wenn es wahrscheinlich nichts bringt.« Carla wich seinem Blick aus. »Sorry, die Sache nimmt mich ziemlich mit.« Hastig drückte sie ihre Zigarette auf der Mauer aus und warf sie mit Schwung weg. »Basta, genug davon.« Sie schaute auf ihre Uhr, tippte mit dem Finger darauf. »Es wird auch Zeit, wir müssen los.« Mit einem Ruck richtete sie sich auf. »Gleich treffen wir übrigens eine, die nichts so schnell umwirft.«
»Die Äbtissin?«, fragte Simon.
»Haben Sie schon mal von ihr gehört?«
»Nein. Ich sagte Ihnen ja schon, dass ich mit Religion nicht viel am Hut habe.«
»Dann machen Sie sich mal auf eine Offenbarung gefasst.«
5
Die Holztür zum Büro der Äbtissin stand offen, und als Simon und Carla vorsichtig ihre Köpfe hineinsteckten, sprang die Oberin sofort von ihrem Schreibtisch auf und kam ihnen mit energischen Schritten entgegen. Ihr Büro hätte auch das eines Managers eines mittelständischen Unternehmens sein können. Der hohe Raum war licht und geräumig, öffnete sich mit einer Fensterfront zum See, war nüchtern und zweckmäßig eingerichtet. Rund um einen Konferenztisch aus Glas standen ordentlich aufgereiht ein paar Holzstühle, dahinter, am Kopfende, nahmen ein Schreibtisch mit einem großen Computerbildschirm und ein Flipchart fast die gesamte Breite ein, und an den Wänden reihten sich Regale, prall gefüllt mit Aktenordnern. Altes Eichenparkett verlieh dem Raum trotz der eher spartanischen Einrichtung Würde und sogar etwas Wärme. Nur das Kreuz aus grauem Metall an der Wand hinter dem Schreibtisch gab einen Hinweis auf die religiöse Bestimmung dieses Ortes.
Die Äbtissin musste auf die siebzig zugehen, war sehr groß, aber ihr Oberköper war schmal, und sie bewegte sich trotz ihres Alters ausgesprochen leichtfüßig in ihrer schwarzen Kutte. Abrupt blieb sie vor den Besuchern stehen, einen gewissen Abstand wahrend, aber doch so nah, dass Simon unter ihrer Haube die hohe Stirn und die klugen hellblauen Augen wahrnahm. Ihre Augenbrauen darüber waren aschgrau und buschig und kontrastierten mit ihrem schmalen Gesicht und ihrer fast weißen, glatten Haut.
Simon wollte ihr seine Hand geben, bemerkte aber noch rechtzeitig, dass das verfehlt war. Mit einem Nicken, das ihn an die Queen erinnerte, begrüßte die Oberin sie. »Maresciallo Moretti, ja? Sie kommen wegen Suor Teresa.«
»Sì, Reverenda Madre«, sagte Carla und gab damit auch die Antwort auf die Frage, die Simon sich in diesem Moment stellte, nämlich, wie man eine Äbtissin eigentlich ansprach. Carla schien in Religionsfragen nicht ganz so inkompetent zu sein wie er. War sie eigentlich gläubig? Simon