Wer auf dich wartet. Gytha Lodge

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Wer auf dich wartet - Gytha Lodge Detective Chief Inspector Sheens ermittelt

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bewirkt hätte. Vielleicht wären die Ereignisse trotzdem unerbittlich auf dieses Ende zugesteuert. Aber vielleicht wäre auch alles ganz anders gekommen.

      Zum ersten Mal war ihm der Anruf am Ende einer quälenden freitagmorgendlichen Dienstbesprechung untergekommen. Die Abwesenheit von Detective Chief Inspector Wilkinson hatte das Ganze noch schlimmer gemacht. Ohne sein gnadenloses Pochen auf die Tagesordnung war das Meeting in Diskussionen über jedes Detail ausgeufert, eine deprimierend langwierige Veranstaltung.

      Zuletzt hatten sie sich noch dazu durchgerungen, die anstehenden Fälle zu verteilen, und Yvonne Heerden, seine engagierte Amtskollegin bei der uniformierten Polizei, hatte ohne Wenn und Aber drei Diebstähle und einen Verkehrsunfall übernommen.

      Dann sagte sie: »Wir haben von der Zentrale eine unbestätigte Meldung über einen Mord weitergereicht bekommen. Ich habe Ihnen eine Kopie zukommen lassen«, fuhr sie an Jonah gewandt fort, »aber ich glaube nicht, dass sich daraus irgendwas ergibt, deshalb können wir die Sache auch übernehmen. Der Anrufer behauptet, seine Freundin sei ermordet worden, während er mit ihr geskypt hat. Den Mörder hat er allerdings nicht gesehen. Als die Zentrale nach seinem Namen und weiteren Details gefragt hat, hat er aufgelegt. Die Kollegen haben versucht, das zu überprüfen, konnten jedoch im Netz keine Spur einer Frau dieses Namens finden.«

      Jonah überflog den Bericht, bis er auf den Namen des Mädchens stieß: Zoe Swardedeen.

      Ich muss … Meine Freundin ist ermordet worden … las er.

      Heerden hatte wahrscheinlich recht. Vermutlich ging es nur um simple Schreibtischarbeit. Eine Anfrage bei der Vermisstenstelle. Ein paar alternative Schreibweisen des Namens abfragen.

      »Okay?«, fragte Heerden, während er weiterlas.

      Irgendetwas an den Formulierungen des Anrufers ließ Jonah zögern. Irgendetwas beunruhigte ihn.

      Aber Heerden wartete auf eine Antwort, und schließlich vertraute er darauf, dass sie und ihr Team die Sache richtig einschätzten. Seine eigenen Leute steckten bis zum Hals in einem komplizierten Erpressungsfall und hatten keine Zeit für Fleißarbeit.

      »Klar«, sagte er. »Halten Sie mich auf dem Laufenden, falls sich etwas ergibt.« Als Nächstes stand ein Verkehrsunfall mit mehreren Todesopfern auf der Tagesordnung, der vermutlich von einem Lkw-Fahrer verursacht worden war, der auf sein Handy geguckt hatte. Jonah war froh, dass er sich damit nicht beschäftigen musste. Solche Fälle hinterließen Narben. Fälle, bei denen man sich schnell vergewisserte, dass es seinen Liebsten gut ging. Fälle, die das Leben flüchtig und die Welt wie einen willkürlichen, gleichgültigen Ort erscheinen ließen.

      Und während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, wurde sein Unbehagen über die seltsame anonyme Meldung eines Mordes in den Hintergrund gedrängt.

      Eigentlich hatte Aidan viel zu tun. Drei Studenten hatten ihre Essays geschickt, und er hatte einen Haufen Verwaltungskram für die Fakultät zu erledigen, doch er hatte es nicht geschafft, auch nur eine einzige Zeile zu lesen. Er hatte E-Mail um E-Mail geöffnet, ohne dass er bei dem lauten Herzklopfen und Rauschen in seinen Ohren irgendetwas verstanden hätte. Er nahm die Worte gar nicht wahr; er sah nur die sich öffnende und wieder schließende Tür, in Endlosschleife.

      Die Ungewissheit war das Schlimmste. Erst hatte er sich einzureden versucht, dass das Ganze ein Missverständnis oder ein Traum gewesen sein müsse, bevor er sich daran erinnerte, dass Zoe nicht mehr aus dem Badezimmer gekommen war, solange er den Bildschirm beobachtet hatte. Tief im Innern wusste er, dass sie dringend Hilfe gebraucht und sie vermutlich nicht erhalten hatte.

      Direkt nach dem Aufstehen hatte er die Nachrichten und sozialen Netzwerke auf Hinweise durchkämmt, eine Suche, die er seitdem in regelmäßigen Abständen wiederholt hatte. Aber nirgendwo fand er eine Meldung über einen Mord oder ein Gewaltverbrechen in Southampton. Nichts über einen Angriff auf eine junge Frau. Ein absolut schwarzes Loch.

      Es gab natürlich einen Weg, es herauszufinden, so er denn wollte. Er könnte noch einmal bei der Polizei anrufen, und wenn man ihn diesmal nach seinem Namen und seiner Adresse fragte, könnte er sie nennen.

      Gestern Abend war er kurz davor gewesen. Die Zentrale hatte ihn zu einer Polizistin durchgestellt, die alles, was er gesagt hatte, mitgetippt und in Daten verwandelt hatte. Sie hatte auch weitergetippt, als er gestanden hatte, dass er die Nummer des Einweg-Handys nicht wusste, von dem aus er anrief, weil es ein Ersatztelefon war, das er aus einer Schreibtischschublade gekramt hatte. Und sie hatte mitgeschrieben, als er ihr erklärte, weshalb er glaubte, dass seine Freundin ermordet worden war.

      Ganz zum Schluss hatte die Polizistin ihn nach seinem Namen gefragt, und während des langen, aufgeladenen Schweigens, das folgte, hatte er ihm schon auf der Zunge gelegen. Dann hatte er gehört, wie irgendwo draußen eine Wagentür zugeschlagen wurde.

      Er hatte aufgelegt und krank vor Anspannung auf weitere Geräusche gelauscht. Er versuchte, sich einzureden, dass er nichts zu befürchten hatte, doch er wusste, dass das nicht stimme. Er hatte allen Grund, sich zu ängstigen. Weil Zoe vor seinen Augen ermordet worden war. Weil die ganze Wahrheit ans Licht kommen könnte.

      Das durfte er nicht zulassen. Für ihn stand alles auf dem Spiel. Alles.

      Er hatte überlegt, dass Skype-Fenster zu schließen, um die Szene auszublenden. Aber es war seine einzige Möglichkeit, nach Zoe zu schauen. Zu sehen, ob die Polizei bei ihr eintraf.

      Mitternacht war gekommen und gegangen.

      Es war jetzt elf Stunden her, dass er gesehen hatte, wie die Tür zu Zoes Wohnung aufgeschwungen war. Elf Stunden und kein Zeichen, keine Nachricht. Sollte er noch einmal bei der Polizei anrufen? Alles noch einmal durchgehen und sich zu erkennen geben?

      Aber allein der Gedanke ließ ihn jedes Mal in kalten Schweiß ausbrechen. Das konnte er nicht riskieren, er spürte es geradezu körperlich, im Magen und in den Lenden. Und es machte das Stillsitzen unerträglich.

      Zoe, dachte er, als könnte er sie mit schierer Willenskraft dazu bringen, sich zu melden. Zoe, bitte. Ruf an, verdammt noch mal.

      Jonah ging zu Domnall O’Malley, dem einzigen Mitglied seines Teams, das er auf seinem Weg durch die modernen, hell erleuchteten Räumlichkeiten des CID entdeckte.

      »Sind Sie ernsthaft der Erste am Arbeitsplatz?«, fragte er ungläubig.

      »Himmel, nein«, antwortete O’Malley und lehnte sich mit dem ganzen Gewicht seines massigen Körpers auf dem Stuhl zurück. »Ich bin vor fünf Minuten gekommen. Juliette ist schon seit vor acht hier. Aber Lightman kommt ein wenig später, hat er gesagt.«

      »Lightman hat gesagt, er würde zu spät kommen?«

      »Ich weiß«, sagte O’Malley. »Hat mich auch überrascht. Vielleicht hat er sich endlich eine Freundin zugelegt und nicht gut geschlafen.«

      »Aber wir reden von Ben Lightman«, entgegnete Jonah. »Er braucht keinen Schlaf.«

      »Ja, da haben Sie auch wieder recht. Nun, was auch immer, ich habe jedenfalls vor, ihn damit gnadenlos aufzuziehen.«

      Grinsend ging Jonah in sein Büro und ließ die Tür offen. Er zog kurz sein Handy aus der Tasche und fragte sich, ob Jojo ihm heute schreiben würde oder ob sie sich wieder an irgendeinem entlegenen Ort ohne Funknetz aufhielt.

      Ihr Nachrichtenaustausch war fraglos einer der Lichtblicke seiner Tage. Ihre Neckereien und ihr Humor konnten seine

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