Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans. Kim Forester
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Um sie herum war es so dunkel, dass sie kaum etwas erkennen konnte, aber wenn sie mit den Fingern über die Felswände strich, fühlte sie tiefe Rillen darin. Kratzspuren … Jemand war gegen seinen Willen in diesen Tunnel verschleppt worden. Schaudernd zog sie ihre Hand zurück. Von wem stammen diese Spuren? Und durch wen – oder was – ist er hier runtergezerrt worden?
Trotzdem schien ihr dieser Weg die beste Möglichkeit zu sein, dem Schlund zu entkommen. Sie strampelte noch heftiger mit den Füßen. »Du schaffst das, Nixi«, feuerte sie sich knurrend an. »Du kannst sogar Fischgekröse in Perlen verwandeln – das ist deine Spezialität.« Sie hatte ein Händchen dafür, schlimme Situationen zu ihren Gunsten ausgehen zu lassen, seit sie im Alter von sieben Jahren zur Waise geworden war. Von einem Tag auf den anderen hatte sie lernen müssen, mit dem wenigen auszukommen, was sie auf der Festungsinsel ergaunern konnte. Andere wären vielleicht verhungert oder hätten irgendwann aufgegeben, aber nicht Nixi. Sie hatte sich so lange als Taschendiebin durchgeschlagen, bis sie zur Anführerin der berüchtigtsten Gang von Waisenkindern auf der Insel geworden war und Schwarzmarkthändler, Schiffskapitäne und Ganoven gleichermaßen sie respektierten – und das noch vor ihrem dreizehnten Geburtstag.
Und nun machte sie eben das Beste daraus, dass sie ertrunken und von den Kelpies als Meermensch ins Leben zurückgeholt worden war. Auch wenn sie sich insgeheim nichts mehr wünschte, als wieder ein Mensch zu sein.
Je weiter Nixi in den Tunnel vordrang, desto dunkler wurde es. Ohne ihre Meermenschenaugen, mit denen sie auch bei trübem Dämmerlicht noch bestens sehen konnte, wäre sie längst vollkommen blind gewesen. Doch selbst so war sie gezwungen, langsamer zu schwimmen und sich mit den Händen vorwärtszutasten, um nicht gegen die Wände zu stoßen. Ihre Fingerspitzen ertasteten weitere Kratzspuren, die hier noch tiefer und dichter nebeneinanderlagen. Als hätte derjenige, der sie verursacht hatte, noch verzweifelter versucht, sich zu befreien …
Ihre Kiemen begannen zu flattern, als sie eine Veränderung im Wasser wahrnahm. Es fing an zu blubbern und zu brodeln. Druckwellen trieben aus der Tiefe auf sie zu. Da kommt etwas!
Plötzlich wurde sie von Panik erfasst, die jedoch schnell einer Art Frust wich. Ihr einziger Ausweg war versperrt! Sie hatte keine Wahl. Sie wirbelte herum und schwamm, so schnell sie konnte, zurück zum Tunneleingang, während das Wasser um sie herum gegen die Wände gedrückt wurde. Was auch immer da hinter ihr war, es kam näher, immer näher …
Nixi schwamm hastig um eine Biegung und unterdrückte einen Aufschrei, als sie sich den Arm an der Felswand aufschrammte. Obwohl sie Angst hatte, wagte sie einen Blick zurück. Sie konnte schattenhafte Silhouetten hinter sich ausmachen, so viele, dass es wirkte, als sei der ganze Tunnel voll davon. Verzweifelt strampelte sie noch schneller mit den Beinen – bis sie endlich in halsbrecherischem Tempo aus dem Tunnel schoss. Nach der Finsternis erschien ihr das düstere Dämmerlicht in der Tiefe des Schlunds hell wie Sonnenschein. Sie bekam einen Felsvorsprung zu fassen und brachte sich dahinter in Deckung.
Gleich darauf kam eine Herde Kelpies in einem Schwall schäumenden, aufgewühlten Wassers aus dem Tunnel geprescht.
Das glaubte Nixi jedenfalls im ersten Moment. Doch während die Kreaturen am Grund des Schlunds ihre Kreise zogen, mit kräftigen Beinschlägen gegen die Strömung ankämpften und dabei ein durchdringendes Kreischen ausstießen, begriff sie, dass es sich um etwas anderes handeln musste. Nur was? Ein Schauer lief über ihre Schuppen. Etwas derart Entsetzliches hatte sie nie zuvor gesehen. Obwohl diese Kreaturen die gleichen langen Hälse und behuften Beine wie die Kelpies besaßen, ragten spitze Flossen aus ihren Rücken und aus ihren Flanken sprossen glitschige Tentakel.
Ihre fahlen Augen blitzten im Dämmerlicht auf, während sie sich mit ganzer Kraft gegen die Strömung warfen. Einige versuchten, mit ihren Mäulern Halt an den glatten Felswänden zu finden, und eine andere Kreatur bäumte sich mit den Hufen strampelnd auf. Doch die Strömung zwang sie unbarmherzig zurück in die Tiefe.
Mit einem flauen Gefühl im Magen klammerte Nixi sich an dem Felsvorsprung fest. Sie wollen nach oben!
Sie musste die Kelpies warnen.
Aber wie? Das ist deine Schuld, Simeon! Sie verfluchte ihren erbittertsten Feind, dessen Schiff sie mithilfe der Kelpies versenkt hatte. So hatten sie Nixis Gang gerettet, die von Simeon an Bord gefangen gehalten worden war. Simeon selbst war bei der Aktion ertrunken. Nixi hatte versucht, ihn zu retten, damit aber nur erreicht, dass sie jetzt hier unten mit diesen fürchterlichen Kreaturen festsaß …
Denk nach, spornte sie sich an, wobei sie in denselben knurrenden Tonfall verfiel, den sie gegenüber ihrer Gang angeschlagen hätte. Sie duldete keine Feigheit, weder von ihnen noch bei sich selbst.
Die Monster glauben offenbar, dass es einen Weg nach oben gibt. Ich muss also nur versuchen, diesen vor ihnen zu finden.
Vorsichtig tastete sie sich am Rand des Abgrunds entlang, sorgfältig darauf bedacht, immer im Dunkeln zu bleiben. Mehrmals wurde sie von einer Strömung erfasst und einmal wäre sie beinahe mitten zwischen die fürchterlichen Kreaturen gerissen worden, doch Nixi gelang es im letzten Moment, ihre krallenartigen Fingernägel in einen Spalt im Fels zu graben. Sie hielt sich mit aller Kraft fest, während die Strömung an ihr zerrte und Nixi schließlich auf den Kopf stellte. Dabei fiel ihr Blick auf eine schmale Öffnung in der Felswand, durch die kleine Luftblasen aufstiegen und zum oberen Ende des Schlunds trieben. Ein Weg nach oben!
Der Abstand zwischen Nixi und den aufsteigenden Luftblasen war ungefähr so groß, wie ein Fischerboot lang ist, aber um dorthin zu kommen, musste sie an zwei der monströsen Kreaturen vorbei, deren Tentakel wie Seetang im Wasser wogten.
Nixi dachte nicht lange nach. Sie stieß sich von der Felswand ab, schoss auf die Kreaturen zu und über sie hinweg und kämpfte sich in Richtung der Luftblasen vor. Ihre Muskeln schmerzten vor Anstrengung. Ein Tentakel streifte ihren Knöchel. Sie spürte, wie er nach ihr griff, doch sie wich mit einer geschickten Bewegung aus. Die beiden Monster hoben den Blick. Mit funkelnden Augen sahen sie zu, wie Nixi an ihnen vorbeischwamm. Ihr schrilles Wiehern erfüllte die unterseeische Schlucht und in Nixis Ohren fühlte es sich so an, als versuche jemand, ihre Trommelfelle mit einer Harpune zu durchbohren.
Dann hatte sie die Aufwärtsströmung erreicht. Luftblasen sprudelten um sie herum. Sie hustete und würgte, weil sie zwischen ihre Kiemen drangen. Die Strömung riss sie hinauf und wirbelte sie umher. Mehrmals schlug sie sich die Knie und Ellbogen an den immer enger werdenden Wänden des Schlunds an, während sie in rasantem Tempo aus der Dunkelheit ins Helle schoss.
An der Kante des Abgrunds angekommen, krallte sie sich fest und zog sich aus dem Strom der Luftblasen auf den Meeresgrund. Mit einem Purzelbaum landete sie in ruhigerem Gewässer. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch sie hatte keine Zeit, wieder zu Atem zu kommen. Eilig schwamm sie auf die Seegrasfelder und Korallengrotten der Kelpies zu.
Es war erstaunlich, wie schnell sie sich an den Anblick von Kelpies, die die Seegrasfelder bestellten oder Fische in die Netze der Menschen trieben, gewöhnt hatte. Noch vor wenigen Tagen hatte sie die für Monster gehalten und jetzt schnürte sich ihr bei dem Gedanken, dass die Kreaturen dort unten im Schlund sie angreifen könnten, die Kehle zu. Ja, die Kelpies hatten sie in ein schuppiges Ungeheuer verwandelt – aber sie hatten ihr auch geholfen, ihre Gang zu retten. Und nun musste sie die Kelpies retten …
Sie entdeckte Sorsha, die Kelpiestute, die sie am besten kannte, vor der Speiselagune, wo