Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband. Alfred Bekker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband - Alfred Bekker страница 10
"So ist es."
"Aber warum das alles?"
"Um Ihnen die Augen zu öffnen, Susanne. Sie sollen erkennen, wer der Mann wirklich ist, dessen Namen Sie tragen wollen... Die Wahrheit liegt dort unten, in den alten Gewölben, in den dunklen, kalten Verliesen unter dem Schloss..."
Damit drehte sie sich herum und ging.
"Und was sollte ich dort finden?", rief Susanne der Komtesse hinterher.
Diese drehte sich noch einmal kurz um. Ihr Lächeln wirkte mechanisch. "Das müssen Sie schon mit eigenen Augen sehen, Baroness. Mir glauben Sie ja ohnehin nicht!", und damit wandte sich um und ging. "Seien Sie keine Närrin und verschließen Sie nicht die Augen vor der Wahrheit!", rief sie noch.
Schnelle Schritte waren jetzt von der anderen Seite her zu hören und hallten in dem hohen Flur wider.
Mit fragendem Gesichtsausdruck eilte Wilfried von Eichenbach herbei.
Er sah erst Susanne an, dann die davoneilende Komtesse Christiane.
Diese blieb vor einem großformatigen, goldgerahmten Gemälde stehen, das den Flur zierte. Es zeigte eine Landschaft in sturmdurchtoster Nacht.
"Was ist passiert?", wandte sich Wilfried an Susanne.
Christiane drehte sich zu ihm herum. Die dezenten Ohrringe, die sie trug, bewegten sich dabei, so dass sie in dem gedämpften Licht des Flures glitzerten.
"Die Wahrheit kommt ans Tageslicht, Wilfried", sagte sie leise. "Du wirst es nicht verhindern können... Es sei denn, du tust mit mir dasselbe, was du mit dieser armen jungen Frau getan hast."
"Das ist alles nicht wahr, Christiane!", erwiderte Wilfried, sichtlich um seine Fassung bemüht.
"Ach, nein?"
"Was du behauptest, ist nie geschehen. Vielleicht glaubst du sogar selbst an das, was du sagst, Christiane. Aber es ist eine Einbildung. Eine fixe Idee, von der du besessen bist!"
"Lisa Reindorf wollte zu einer Freundin in Köln. Aber dort ist sie nie angekommen, denn zuvor verschwand sie..."
"Das ist doch nur Gerede!"
"Sie hatte es mir zuvor gesagt, Wilfried! Soll ich dir Einzelheiten sagen? Die damalige Adresse dieser Freundin? Ihr Name war Carina Mehler und sie wohnte..."
Wilfried trat auf Christiane zu. "Ich glaube nicht, dass Lisa dir erzählt hat, was sie vorhatte... Jetzt hast du den Bogen wirklich überspannt, in dem du eine so aberwitzige Behauptung aufstellst!"
"Verzeih mir bitte, wenn ich dir nicht so recht zu folgen vermag, Wilfried!"
"Lisa und du - ihr habt euch von Anfang an nicht besonders gemocht. Warum sollte sie ausgerechnet dich über ihre Pläne informiert haben, Christiane? Das ist doch lächerlich!"
Christiane seufzte.
"Wie groß muss ihre Verzweiflung wohl gewesen sein, dass sie sich an mich wandte - einen Menschen, der ihr zugegebenermaßen alles andere als nahe stand..."
Wilfried machte noch einige Schritte auf die junge Komtesse zu und blieb dann stehen. "War es nicht in Wahrheit ganz anders, Christiane?", fragte Wilfried dann in einem Tonfall, der sehr ruhig und gefasst klang. "Wenn Lisa verzweifelt gewesen ist und sich auf Schloss Eichenbach nicht so recht wohlzufühlen vermochte, so lag dies doch wohl daran, dass du sie von Anfang an mit deinem Hass verfolgt hast!"
"Nein!"
"Jede Gelegenheit hast du wahrgenommen, um ihr das Leben schwer zu machen?"
"Sie war eine Bürgerliche und passte einfach nicht hier her, Wilfried. Wahrscheinlich hat sie das irgendwann auch selbst erkannt." Sie wandte sich mir zu, musterte mich einige Augenblicke lang und sagte dann: "Ich habe mir Sorgen um Lisa Reindorf gemacht - so wie ich mir jetzt Sorgen um Sie mache, Baroness." Dann begann Christiane zu schluchzen. "Ich weiß doch, was ich gesehen habe... Den Schrei... Mein Gott, es ist so gegenwärtig, als wäre es erst gestern gewesen. aber mir glaubt ja niemand. Mich nimmt man nicht für voll, weil ich angeblich ein seelisches Leiden habe..."
"Christiane!", rief Wilfried.
Aber die Komtesse wandte sich - immer wieder aufschluchzend - um und lief den Flur entlang. Hinter der nächsten Biegung verschwand sie.
Susanne stand wie betäubt da.
Christianes Worte hatten Wunden in ihr aufgerissen, von denen sie geglaubt hatte, dass sie gerade dabei waren, zu verheilen. Susanne nahm sich fest vor, dem Rat ihrer Mutter zu folgen. Sie wollte sich ihre Liebe zu Wilfried nicht zerstören lassen. Durch nichts - auch nicht durch die nagenden Zweifel, die die junge Komtesse gesät hatte.
Andererseits konnte sie die Möglichkeit wirklich ausschließen, dass doch etwas an Christianes Worten dran war.
Eigentlich hielt Susanne das für ausgeschlossen. Aber ein Rest von Unsicherheit blieb.
Wilfried berührte Susanne sanft bei den Schultern.
"Es tut mir leid, dass es zu dieser hässlichen Szene gekommen ist", sagte er dann. "Aber Angesichts dieses perfiden Spiels, das Christiane treibt, fällt es zunehmend schwerer, die Contenance zu bewahren..."
Susanne blickte zu ihm auf, studierte genau den Blick seiner grauen Augen. "War es bei Lisa Reindorf genauso?", fragte sie dann, fast flüsternd.
Wilfried nickte.
"Christiane blickte von Anfang an auf sie mit außerordentlicher Geringschätzung herab. Sie ließ Lisa spüren, dass sie nicht von adeliger Herkunft war..." Ein angestrengter Zug machte sich jetzt im Gesicht des Fürstensohnes bemerkbar. Seine Augen blitzten entschlossen.
"Christiane ist krank - das mag vieles entschuldigen und ich bin sicher der Letzte, der ihr schweres Schicksal nicht anzuerkennen wüsste. Aber irgendwo gibt es eine Grenze... und ich finde, Christiane hat sie eindeutig überschritten."
Dann blickte Wilfried an seiner zukünftigen Frau herab.
Die Bewunderung, die er empfand, war ihm deutlich anzusehen.
"Dies ist also das Kleid aus Mailand..", murmelte er.
"Ja. Gefällt es dir?"
"Wie du schon in Mailand sagtest: Es ist ein Traum. Aber zu diesem Traum wird es erst, wenn du es trägst, Susanne..."
11
Am Abend suchte Wilfried von Eichenbach seinen Vater auf, der sich in der Schlossbibliothek aufhielt.
Fürst Friedrich war in die Lektüre eines ledergebundenen Bandes vertieft. Er war ein leidenschaftlicher Sammler von wertvollen Erstausgaben, die sich in großer Zahl in den langen Regalreihen befanden.
Im Kamin prasselte ein Feuer, denn es war etwas kühler geworden.
Der Fürst blickte von seiner Lektüre auf und sah seinen Sohn etwas erstaunt an.
"Hast