Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband - Alfred Bekker страница 23
Der Wahn ließ ihre Worte verzerrt klingen.
"Bitte!", rief Susanne keuchend.
"Sie werden einen leichten Tod haben, Susanne...", war Christianes kalte Erwiderung.
"Ich kann mich kaum noch halten..."
"Quälen Sie sich nicht, Susanne!"
Dann beugte Christiane sich nieder, um Susannes zitternde Hände von der Kante zu lösen und sie endgültig in den Abgrund zu stürzen.
"Nein!", schrie Susanne in höchster Verzweiflung.
Das Geräusch schneller Schritte ließ Christiane sich umdrehen. Wilfried lief im Laufschritt durch die offenstehende Gittertür. Er rannte auf die Fallgrube zu.
"Susanne!", rief er.
"Wilfried! Hier bin ich!", schrie die Baroness in höchster Verzweiflung.
Nur noch Augenblicke würde sie sich mit der Kraft ihrer Hände halten können. Und selbst diese kurze Zeitspanne konnte sich noch dadurch verkürzen, dass Christiane sie einfach in die Tiefe stürzte.
Christiane blickte Wilfried entgeistert an.
Wilfried blickte hinab in die Fallgrube. Er sah Susannes verzweifelten Blick.
"Ich kann nicht mehr!", rief Susanne.
Wilfried schnellte vor, wollte sich niederbeugen, um Susanne seinen Arm entgegenzustrecken. Aber Christiane stellte sich ihm in den Weg.
"Lass mich vorbei!", rief dieser. Er ergriff sie bei den Schultern, um sie zur Seite zu schieben. Er wusste, dass jede Sekunde zählte.
"Lass sie sterben! Sie hat den Tod verdient!", rief Christiane mit verzerrter Stimme.
Christiane versuchte, sich Wilfrieds Griff zu entwinden.
Sie stieß ihn von sich, setzte dabei alles ein, was sie an Kraft mobilisieren konnte und schaffte es tatsächlich Wilfrieds festen Griff abzuschütteln.
Sie taumelte zurück, versuchte verzweifelt das Gleichgewicht zu halten und stolperte dann rückwärts in die offene Fallgrube. Mit einem Schrei verschwand sie in dem finsteren Abgrund.
Susanne schlug der Puls bis zum Hals.
Ihre Kräfte waren erschöpft.
Ihre Finger fanden an der glatten Kante nicht länger halt.
Sie spürte, wie sie abrutschte. Langsam, aber unaufhaltsam.
Ihr Atem ging schneller.
Sollte es wirklich so sein, dass auch sie dort unten, in dem düsteren Schlund ihr kaltes Grab fand?
Und dass, kurz bevor die Rettung möglich gewesen wäre?
So hätte Christiane am Ende doch noch triumphiert...
Dann verloren Susannes Finger den Kontakt mit der Steinkante...
Jetzt ist es aus, dachte Susanne.
Da spürte sie einen Augenaufschlag später einen festen Griff um ihr linkes Handgelenk.
Sie blickte hinauf. Wilfried kniete am Rand der Fallgrube.
Seinem Gesicht war die Anstrengung anzusehen. "Du musst durchhalten!", rief er. "Hörst du?"
"Ja..."
Und dann begann Wilfried, sie Stück für Stück emporzuziehen. Susanne half dabei so gut es ging mit. Ihr erschien es, als würde es eine Ewigkeit dauern, bis sie endlich oben angelangt war.
Erschöpft sank sie in Wilfrieds Arme. Er strich ihr über das Haar und ersuchte sie zu beruhigen.
"Es ist jetzt alles vorbei", sagte er.
"Es war so schrecklich!", schluchzte Susanne.
"Ja, ich weiß..."
"Ich habe dir großes Unrecht getan, Wilfried. Erst hier, im Verlies, habe ich erkannt, dass Christiane all das eingefädelt hat, was sie dir zu Last legte..."
Wilfried nickte.
"Sie war ein verwirrter Geist", sagte er ruhig.
Susanne sah ihren Liebsten an. "Christiane hat Lisa umgebracht. Genau hier, an diesem Ort. Sie hat es mir selbst gestanden..."
"Komm", sagte Wilfried und half Susanne auf die Beine. Sie warf einen kurzen Blick in die Tiefe. Nichts war dort zu sehen, außer Finsternis.
"Ich habe Christiane einiges zugetraut, aber nicht das", gestand Wilfried dann. Er sah Susanne in die Augen. "Ich hoffe, jetzt wird alles gut, Susanne." Sie schmiegte wortlos den Kopf an seine Schulter und Wilfried legte den Arm um sie.
"Lass uns diesen furchtbaren Ort verlassen", murmelte Susanne.
23
Es gab eine polizeiliche Untersuchung der Ereignisse auf Schloss Eichenbach.
Unter anderem kamen die Tagebücher der Komtesse Christiane von Buchenberg-Selm dabei zu Tage, in denen sie akribisch über alles Buch geführt hatte.
Über Lisas Tod berichtete sie ebenso ausführlich wie über ihre Pläne, was Susanne anging.
Unsterblich war sie in Wilfried verliebt gewesen und mit ihrer wahnhaften Eifersucht hatte sie jede Frau verfolgt, die sich den Platz an der Seite des Fürstensohnes zu erobern drohte.
Lisa Reindorfs Überreste wurden geborgen und der Familie übergeben.
Christiane von Buchenberg-Selm wurde in aller Stille in der Familiengruft beigesetzt.
Die Tage gingen dahin.
Es brauchte eine Weile, bis Susannes Stimmung sich wieder aufhellte. Auch wenn sie erleichtert darüber war, dass der Schrecken nun ein Ende hatte und sich all ihre Ängste und Befürchtungen nicht bewahrheitet hatten, so hatten sie die jüngsten Ereignisse auf Schloss Eichenbach doch mehr mitgenommen, als sie es sich zunächst hatte eingestehen wollen.
Wilfried schlug vor, eine kleine Reise zu unternehmen, um etwas Abstand von den Dingen zu gewinnen, die geschehen waren.
Susanne zögerte zunächst, doch dann gelang es Wilfried, sie zu überzeugen. Ein paar Wochen waren sie unterwegs: Mailand, Venedig, Paris... Schon in den ersten Tagen merkte Susanne, wie gut Wilfrieds Vorschlag gewesen war. Und nach und nach gewann sie ihre ursprüngliche Fröhlichkeit und Unbeschwertheit zurück. Als sie dann zurückkehrten, stellte Susanne überrascht fest, dass Schloss Eichenbach jetzt keinen bedrohlichen oder einschüchternden Eindruck mehr auf sie machte.
"Ich wollte die Wahrheit erfahren", sagte Susanne einmal, als sie mit Wilfried zusammen ausritt und sie ganz in der Nähe jenes Teiches, an dem Wilfried ihr einen Ring geschenkt hatte, ein Picknick machten. "Aber ich ahnte