Münchner Gsindl. Martin Arz
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Читать онлайн книгу Münchner Gsindl - Martin Arz страница 21
»Anspruchslos?«, schnaubte Susa Förster. »Da sitzt meine eigene Schwiegermutter und versucht, mich zu erpressen!«
»Das ist nicht das richtige wording, my dear. Ich wollte es nicht so weit kommen lassen. Aber die Umstände zwingen mich leider …« Sie zuckte mit den Schultern.
»Und Herbert?« Susa sah ihrer Schwiegermutter fest in die Augen. »Erpresst du ihn auch? Ist diese ganze Versöhnungsmasche nur eine deiner billigen Scharaden? Du bist das manipulativste Weibsstück, das ich kenne.«
»Sachte.« Marlies löffelte Sahne aus ihrer Cappuccinotasse. »Ich wollte es nicht, aber die Situation hat sich geändert. Siehst du, Susa, ich habe erst aus der Presse über den Mord bei dir im Haus …«
»Es war nicht bei mir im Haus!«
»Na ja, im übertragenen Sinn. Jedenfalls wäre es nicht gut, wenn nun die Presse erfahren würde, dass deine Schwiegermutter am untersten Rand der Gesellschaft dahinvegetieren muss und …«
»Du vegetierst nicht am untersten Rand der Gesellschaft!« Susa kochte. »Du hast das Geld, das du Herberts Vater abgenommen hast, mit vollen Händen aus dem Fenster geschmissen! Selbst schuld. Und du hast dein Auskommen. Dir fehlt nichts.« Sie wühlte in ihrer Handtasche, förderte das Portemonnaie zutage, holte zwei Fünfzigeuroscheine heraus und knallte sie auf den Tisch. »Hier. Kauf dir Kaviar.«
»Glaub mir, wenn ich das der Presse erzähle, wird es nicht so easy für dich sein, dich wieder reinzuwaschen. Herbert hat schon eingesehen, dass eine glückliche Mutter vorteilhaft für eine glückliche carreer ist. Und was soll ich dir sagen: Diese Monika von Dettmann von den Münchner Nachrichten hat mich schon angerufen, ob ich nicht auch was zu dem Fall zu sagen hätte. Ich habe sie vertröstet. Also, ein großer Flatscreen.«
»Du erpresst mich ganz unverschämt. Hast du neulich nicht noch groß einen auf Karmapunktesammeln gemacht?«
»Ja.« Marlies nickte ernst, dann lächelte sie den Ernst weg. »Karma is a bitch.« Sie nahm die beiden Fünfzigeuroscheine, faltete sie und steckte sie in die Hosentasche.
»Jetzt kommt sie auch noch mit solchen Scheißhaussprüchen«, stöhnte Susa Förster.
»Mach du dir keine Sorgen um mein Karma.«
»Womit erpresst du Herbert?«, fragte Susa und trank ihren Spritz aus.
»You know«, Marlies überging Susas Frage nonchalant, »du hast nicht ein einziges Mal gesagt, dass ich nichts gegen dich in der Hand hätte oder so. Kein Wort, dass du kein Verhältnis hast. Not even once!«
Susa Försters Unterkiefer mahlte, sie schnaufte tief durch die Nase ein und aus. »Also, dann mal raus mit deiner Räuberpistole: Mit wem soll ich denn ein Verhältnis haben?«
»Too late, my dear.« Marlies stand auf und packte den Henkel ihrer Handtasche mit beiden Händen. »Zu spät. Du übernimmst die Rechnung?«
Marlies eilte die Straße hinunter in Richtung Hohenzollernstraße. Ihr Hirn brauste. Polly war ermordet worden. Karma is a bitch. Beides bereitete ihr ernsthaft Sorgen. Sie nahm vor allem die Karma-Sache ziemlich ernst. Für Marlies war das kein Blabla pseudoesoterischer Milleniumsveganer. Als sie ihrer Schwiegertochter das mit den Karma-Punkten erzählt hatte, hatte sie viel über sich verraten, nur hatte Susa das nicht ernst genommen. Marlies wusste, dass sie nicht so weitermachen konnte. Ihren Sohn erpressen, ihre Schwiegertochter erpressen. Nein, Erpressung war letztlich ein viel zu hartes Wort. Sie bat um freundliche Unterstützung. Sie hätte sich allerdings auch nie vorgestellt, dass es so verdammt einfach sein würde! Wie eben bei Susa hatte auch ihr Sohn nicht einmal nachgefragt, was sie denn tatsächlich im Detail wusste. Beide waren sofort eingeknickt. Beide hatten indirekt gestanden. Rechtfertigte das, das Karma herauszufordern? »Mensch, ich will doch nur ein klein bisschen besseres Leben«, murmelte sie halblaut vor sich hin. Materielle Dinge, Smartphone, Flatscreen, das wars schon. Okay, noch ein neues Bett … Polly war ermordet worden. Das änderte alles. Karma is a bitch.
13
Max Pfeffer zog sich aus. Komplett. Er rollte seine Kleidung zu einem kleinen Bündel zusammen, damit sie nicht durch den Kies beschmutzt wurde. Dann setzte er sich auf einen der größeren Steine in die Sonne. Er hätte sich gerne hingelegt, aber auf den unbequemen Kieseln? Auf den sandigeren Stellen der Isarinsel, die man über den Marienklausensteg erreichen konnte, lagen bereits andere Leute. Die meisten nackt. Hier traute man es sich noch. Pfeffer hatte früher im Englischen Garten oder an der Isar immer nackt gebadet. Nackerte gehörten zu München wie die Frauenkirche. Und wie die Frauenkirche waren Nackerte längst eine Touristenattraktion, vor allem bei verklemmten Amerikanern. Was zur Folge hatte, dass es in den letzten Jahren immer weniger Nackerte gab, denn wer wollte sich beim Freikörpersonnenbaden schon von Touris fotografieren lassen.
Pfeffer beobachtete die Flussbadenden, zwei alte Damen um die siebzig planschten kreischend. Ihm war das Wasser definitiv noch zu kalt. Ein leichter Wind kam auf. Das Wassergurgeln, das Rauschen der Baumwipfel, die Tiergeräusche vom nahen Tierpark – Urlaub mitten in der City. Pfeffer zündete sich eine Zigarette an. Wie oft hatte er schon aufgehört? Immer wieder. Einmal war er sogar für fast fünf Jahre clean. Immer wieder angefangen. Und immer wieder hatte es Tim genervt. Natürlich. Kein Wunder. Aber Tim war nie so genervt gewesen, dass er mit Trennung gedroht hatte. Bei Tims Tod war Pfeffer wieder zwei Jahre clean gewesen. Unmittelbar nach der Beerdigung kam der Rückfall. Er musste einfach rauchen. Alle Vernunft, alles Wissen, dass das nichts brachte – im Gegenteil – beiseitegewischt. Nun saß er da am Wasser, nackt im Schneidersitz und betrachtete die brennende Zigarette. Er dachte an Tim und verdrängte sofort den Gedanken, denn er spürte den Kloß im Hals. Denk an die Arbeit!
Mortimer Olberding wollte er sich noch selbst vornehmen. Allein. Bella Hemberger hatte er nach der Befragung der Nachbarn nach Hause geschickt. Was hieß Befragung: Es war kaum jemand zu Hause gewesen, was nicht nur daran lag, dass am Nachmittag einige noch arbeiten mussten. Sie erfuhren:
»Die Webers? Die sind um die Jahreszeit immer in Südafrika.«
»Die Rachowiaks? Weiß nicht, die müssten auf ihrem Weingut in Südfrankreich sein, denke ich.«
»Warten Sie mal, ich glaube die Brunners sind am Gardasee für die nächsten zwei Monate.«
Und so weiter. Wirklich weiterhelfen konnte niemand. Das Kindermädchen kannten einige vom Sehen. Unterhalten hatte sich nur eine einzige Nachbarin mal mit ihr, als sie ihr mit den Zwillingen auf der Straße begegnet war. Den Gärtner kannten einige, drei beschäftigten ihn auch, und alle waren sich einig, dass das ein ganz netter Kerl war. Und über die Försters konnte oder wollte niemand etwas sagen. Unauffällige Nachbarn, hieß es meistens. Und drei betonten ausdrücklich, dass sie ja noch nie was von »der« gelesen hätten, weil zu anspruchslos. Pfeffer hatte seine Kollegin beauftragt, sich für die weitere Befragung von Nachbarn ein Team zusammenzustellen.
Die einzig halbwegs interessante Befragung hatten sie gleich nach Mortimer Olberding: Sie trafen Robert Nowak zu Hause an, den deutlich jüngeren Bruder von Susa Förster, von seinem Schwager (und nicht nur dem) verächtlich ›Loser-Bob‹ genannt. Robert Nowak – den Namen kannten nur noch wenige in München. Robert, das Nesthäkchen in der Nowak-Familie, Vater Soziologieprofessor, Mutter Heilpraktikerin, elf Jahre nach Susa geboren, war mal eine der großen Hoffnungen des FC Bayern gewesen, er war in der U19-Liga. Galt als eins der herausragenden Talente, spielte leichtfüßig wie ein junger Gott. Die Übernahme in die