Münchner Gsindl. Martin Arz

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Münchner Gsindl - Martin Arz

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Rudi anders ist. Dass er, ausgerechnet er, dann mit einem dahergelaufenen Stricher … Bin ich nicht genug? Bin ich so mies im Bett, dass man mich durch einen Stricher ersetzen muss?«

      »Ach, Lucky-Bussimausi.« Becky drückte ihren Mitbewohner an ihre Brust. Lucky hieß eigentlich Luciano. Er hieß nicht nur wie ein echter Italiener, er sah auch so rassig aus. Auf Fotos wirkte er wie ein Italo-Popstar. Doch Lucky war klein. Sehr klein. Sein Gesicht verschwand zwischen Beckys Brüsten, weil er nur eins siebenundfünfzig groß war. So groß wie Salma Hayek oder Eva Longoria und nur einen Zentimeter kleiner als Madonna oder Prince. Und wie Prince hatte Lucky die zarte Figur eines Knaben. Um maskuliner zu wirken, und vor allem, um nicht in jeder Kneipe nach seinem Ausweis gefragt zu werden, trug er einen gepflegten kurzen Bart und häufig Hemden, die er so weit aufknöpfte, dass man seine Brustbehaarung sehen konnte. »Du bist halt ein süßer Bub, der leider auf diese Pädos anziehend wirkt.«

      Luckys Smartphone machte »pling«.

      »Echt jetzt?« Becky schob ihren Mitbewohner von sich weg und schüttelte den roten Lockenkopf. Ihr zartes porzellanenes Gesicht, das für gewöhnlich etwas geradezu Madonnenhaftes hatte, verdüsterte sich. Sie wusste, was das Pling bedeutete. Es war das Push-Benachrichtigungs-Pling von Luckys favorisierter Dating-App. »Dein Ernst? Du heulst mir hier die Ohren voll wegen diesem ollen Rudi, und dabei hast du schon längst wieder neue alte Säcke am Start?«

      »Ja, mei.« Lucky griff sein Handy und wischte darauf herum. »Ich bin ja wieder auf dem Markt. Ach, der sieht eigentlich ganz nett aus …«

      »Wie alt?«

      »Laut Profil fünfundvierzig. Wahrscheinlich also fünfundfünfzig.«

      »Könnte dein Vater sein«, stöhnte Becky.

      »Mein Vater ist zweiundvierzig!«

      »Und? Hat er Schwanzpics dabei?«

      »Wer nicht.« Lucky schüttete sich Milch in ein Glas, häufte dann drei Löffel Kaba-Erdbeermilchpulver hinein und rührte um, bis die Milch gleichmäßig rosa gefärbt war. Mit einem Strohhalm nahm er den ersten großen Schluck. Er stand auf Erdbeermilch und schwor darauf, dass sie durch einen Strohhalm noch viel besser schmeckte. Lucky lümmelte sich auf die Eckbank in der Küche, während er durch die Bilder scrollte – abwechselnd Kaffee schlürfend oder Erdbeermilch saugend. »Nicht schlecht.«

      »Zeig.« Becky nahm ihm das Handy weg. »Boah, warum seid ihr Kerle immer so schwanzfixiert?«

      »Da sieht man gleich, was einen erwartet.«

      »Das ist ja widerlich … Wobei … Der sieht ganz gut aus …«

      »Was ist eigentlich mit Polly?«, fragte Lucky und pulte zwischen seinen Zehen. »Ich hab schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen.«

      »Ach was«, winkte Becky ab. »Die wird sich schon wieder ein­kriegen.«

      »Wir hätten sie nicht einfach zurücklassen sollen.«

      »Polly ist ein erwachsenes Mädchen. Die wird sich schon noch amüsiert haben. Außerdem hat sie ja so geheimnisvoll getan …« Es klingelte. Becky gab Lucky sein Telefon zurück und schielte zur ­Küchenuhr. Kurz nach zehn. »Um die Zeit?«

      »Mach halt nicht auf«, brummelte Lucky, während er auf dem Display herumtippte.

      »Wahrscheinlich der Paketbote.«

      Als sie aufmachte, stürmte ein Mann an ihr vorbei in die Wohnung. Er war etwas zu jugendlich für sein Alter gekleidet, Sneaker, Designerjeans mit Löchern, knallgelbes Polohemd, Sommersakko; alles schrie »Marke«, »Maximilianstraße« und »teuer«. Seine schulterlangen Haare waren nach hinten gegelt.

      »Wo ist Polina?« rief er. »Wo ist ihr Zimmer?«

      »Das geht Sie wohl gar nichts an«, antwortete Becky und stellte sich ihm breitbeinig, mit in die Hüften gestemmten Händen in den Weg.

      »Hören Sie«, der Mann schloss die Augen und atmete tief ein. Als er sprach, öffnete er die Augen und sah Becky durchdringend an: »Ich bin Herbert Förster. Polina arbeitet für uns als Kindermädchen.«

      »Ach, Sie sind das!« Becky war wirklich erfreut, ihr zartes Madonnengesicht leuchtete. »Schön. Lernen wir Sie auch mal …«

      »Ich bin hier nicht, um jemanden kennenzulernen.« Er blickte in die Küche. Lucky hob lässig die Hand und sagte »Servus«. Herbert Förster zuckte irritiert mit dem Kopf. »Hören Sie. Heute ist Ihre, äh, Mitbewohnerin nicht aufgetaucht. Ich habe jetzt einen wichtigen Termin, eigentlich bin ich schon zu spät, alles wegen Ihrer Mitbewohnerin – und meine Frau hat in einer halben Stunde ein Interview. Die Kinder sind unbeaufsichtigt. Da kann Polina nicht einfach unentschuldigt fehlen. Also, wo ist sie?« Er sah sich gereizt im kleinen Flur um. »Ist das die Tür zu ihrem Zimmer?«

      »Sie ist nicht da«, antwortete Becky. »Ist heute noch nicht aufgetaucht.«

      »Ach«, machte Herbert Förster. Er riss die Tür auf. Es handelte sich tatsächlich um Polinas Zimmer. Das bemerkte selbst Förster, denn wenn es eins gab, was er über sein Kindermädchen wusste, dann dass sie Bolly­woodfilme liebte. Ihr Zimmer war mit Original-Filmpostern und allerlei Tand aus Indien geschmückt. Über dem Bett hingen die Poster von ›Om Shanti Om‹ und ›Kuch Kuch Hota Hai‹. Dass die Bewohnerin des Zimmers ein besonderes Faible für die beiden Stars Salman Khan und Hrithik Roshan hatte – vor allem für den smarten, durchtrainierten Hrithik Roshan mit seinen magisch hellgrünen Augen –, ließ sich nicht übersehen. Försters Aggression verpuffte angesichts des bunten Kitschs.

      »Gut, sie scheint nicht da zu sein«, sagte er missmutig. »Können Sie sie erreichen? Ich habe ein paar Mal versucht, sie auf dem Handy anzurufen, aber da kommt gleich ›The person you’ve called is temporarily not available‹.«

      »Ich ruf sie mal an«, rief Lucky von der Küche aus und nach kurzer Zeit: »Nee, Mailbox.«

      »Großartig«, schnaubte Förster. Dann musterte er Becky. »Was machen Sie eigentlich?«

      »Wie? Was ich mache?«

      »Ja, es ist nach zehn Uhr morgens, und Sie sind zu Hause …«

      »Ich studiere und hab noch ein bisschen Zeit«, antwortete Becky gedehnt. »Lucky studiert auch.« Sie deutete auf ihren Mitbewohner, der bei den Worten leicht grinste. »Polly ist die Einzige, die einen festen Job hat, falls Sie …«

      »Weniger Text! Haben Sie Zeit? Ach was, natürlich haben Sie Zeit.« Förster packte Becky am Oberarm. »Sie bekommen hundert Euro cash auf die Hand, wenn Sie sofort aufbrechen und heute die Kinder hüten.«

      Überrumpelt gab Becky nur ein »Äh« von sich.

      »Auf. Los!«, rief Förster.

      »Darf ich mir vielleicht noch etwas Vernünftiges anziehen«, sagte Becky, die in bequemer Jogginghose und ausgeleiertem Schlafshirt dastand. »Und außerdem bitte Vorkasse! Weils pressiert: hundertfünfzig.«

      Förster zückte wortlos seinen Geldbeutel und drückte Becky drei Fünfziger in die Hand. Dann nannte er die Adresse in Harlaching. »Zack. Los! Ich benachrichtige meine Frau, dass Sie kommen. Wenn Sie in einer halben Stunde nicht dort sind, dann ist unser Deal geplatzt. Verstanden?« Er stürmte aus der Wohnung.

      »Schönen

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