Münchner Gsindl. Martin Arz
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Читать онлайн книгу Münchner Gsindl - Martin Arz страница 5
»Werden schon rechte Horrorblagen sein«, sagte Lucky. »Wenn sie nach dem Vater kommen … Hat Polly nicht gesagt, dass der gelackte Gelkopf ein Busengrabscher ist?«
»Stimmt. Tittenförster. Aber die Polly findet die Kleinen doch recht erträglich.«
»Arschlochkinder, hat sie gesagt.« Lucky sog genüsslich Erdbeermilch durch den Strohhalm. »Und wo Arschlochkinder sind, sind meist auch Arschlocheltern. Quod erat demonstrandum.«
»Brauchst ned so gschert daherzureden.«
»Wieso, ich studiere doch!« Lucky machte Anführungszeichen in die Luft.
Keine zehn Minuten später flitzte Becky frisch geduscht und mit etwas Vernünftigem bekleidet aus dem Haus und rannte vor zur U-Bahn-Station am Candidplatz.
Lucky zündete sich eine neue Zigarette an und setzte eine neue Erdbeermilch an, als es klingelte.
»Lass mich raten, du hast deinen Schlüssel vergessen«, sagte er beim Türöffnen.
»Wohl kaum«, antwortete Max Pfeffer und hielt seine Kripomarke hoch. Er stellte sich und seine Kollegin Annabella Hemberger vor. »Dürfen wir kurz reinkommen, Herr …«
»Russo, Luciano Russo.« Lucky starrte wie paralysiert in Pfeffers braune Teddyaugen. »Ja, klar, kommen Sie rein.« Er riss sich zusammen und bat die Polizisten in die Küche.
»Worum gehts?«, fragte er und kaute auf der Unterlippe. Das waren keine Drogenbullen, das war ihm klar. ›Entspann dich‹, sagte er sich und nahm hektisch einen großen Zug Erdbeermilch durch den Strohhalm.
»Wohnt hier eine Polina Komarowa?«, fragte Bella Hemberger.
»Ja.« Lucky atmete hörbar aus. Es ging um Polina, nicht um ihn. »Die wohnt hier. Polina Komarowa. Wir haben ’ne WG. Polly und Becky und Lucky. Also Lucky, das bin ich.«
Pfeffer nickte. Frisch geduscht, mit Blenheim Bouquet eingeduftet und zwei schnelle Espressi mit Zigaretten später, fühlte er sich wieder wohl und fit für den Tag. »Steht auch draußen am Klingelschild. Können Sie uns bitte ein Bild von Polina zeigen?«
»Warum? Ja, klar, warum auch nicht.« Lucky ging in die Küche, nahm sein Smartphone vom Tisch und suchte ein Foto, auf dem Polina abgebildet war. »Hier. Das war neulich am Flaucher, da haben wir schon mal angegrillt …«
»Das ist sie«, sagte Hauptkommissarin Hemberger nüchtern. »Da hat sie ja ganz lange Haare.«
»Klar. Polly hat Haare bis zum Arsch. Ihr ganzer Stolz.«
Die beiden Kriminaler tauschten einen Blick. Die Leiche hatte kurze Haare.
»Ist etwas mit ihr?« Lucky wurde unruhig.
Er ließ sich langsam auf die Eckbank sinken, als er die Nachricht hörte. »Oh, Scheiße«, flüsterte er schließlich. »Die arme Polly.« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Wie ist es denn, ich meine, wie hat man sie …«
»Das wissen wir noch nicht mit Sicherheit.«
»Und jetzt?« Er sah Pfeffer fast flehentlich an.
»Jetzt sagen Sie uns, was für ein Mensch Polina war. Ob sie Angehörige hatte …«
»Und grad vorhin war der Förster da«, sagte Lucky schwach. »Weil Polly nicht bei ihm aufgetaucht ist.«
»Der Förster?«, hakte Pfeffer nach. »Hat Polina etwas mit Forstwirtschaft zu tun gehabt?«
»Nein.« Lucky lachte trocken. »Der Förster. Der Mann von der Susa Förster. Die heißen so.«
»Susa Förster? DIE Susa Förster? Die Krimiautorin?«, fragte Bella.
»Genau die. Bei denen ist … war die Polly Kindermädchen. Wohnen in Harlaching, Gabriel-Max-Straße, glaube ich. Der Förster war vor … na ja, … einer Viertelstunde, zwanzig Minuten hier und hat einen Aufstand gemacht, weil die Polly nicht aufgetaucht ist und alles bei denen zusammenbricht, wenn nicht sofort jemand die Kinder beaufsichtigt. Voll der Spacko mit seiner gegelten Arschlochfrisur. Dann hat er der Becky Geld in die Hand gedrückt, damit sie es macht. Sie ist eben erst los.«
»Da geben Sie uns bitte gleich die Adresse.« Pfeffer sah sich in der Küche um. Eine kunterbunte Mixtur aus gebrauchten Möbeln, bunt, jung, tendenziell saugemütlich, aber irgendwie auch ein bisschen siffig. Über dem Küchentisch hing an der Wand ein ausgestopfter Rehbockkopf, das Geweih mit bunten Plastikblumen verziert.
Lucky bemerkte den Blick. »Alles vom Sperrmüll«, sagte er. »Beziehungsweise vom Straßenrand. Viele Leute stellen Sachen, die sie nicht mehr brauchen, an den Straßenrand. Sind manchmal Schätzchen dabei. Des einen Müll ist des anderen Schatz.«
»Nachhaltig«, konstatierte Bella Hemberger.
»Nicht wahr?« Lucky lächelte scheu. »Wir containern auch, Polly und ich. Becky findet das voll eklig, die denkt, dass da überall Ratten sind und so. Stimmt gar nicht. Na ja. Nicht regelmäßig, aber immer öfter. Es wird so viel gutes Zeugs weggeschmissen und Geld ist ein scheues Eichhörnchen.«
»Das ist wahr«, nickte Pfeffer. »Und nun zeigen Sie uns Polinas Zimmer.«
Bevor sie sich im Zimmer der Ermordeten umsahen, fotografierte Pfeffer mit dem Smartphone den Raum aus verschiedenen Perspektiven. Lucky lehnte im Türrahmen, schnupperte verträumt in Richtung Max Pfeffer, dann rauchte er Kette und schlürfte hektisch Erdbeermilch. Pfeffer und seine Kollegin streiften sich dünne Einmalhandschuhe über und sahen sich im Zimmer um. Es roch nach Räucherstäbchen. Mindestens fünf Räucherstäbchenhalter unterschiedlichster Gestalt, Pfeffer zählte nur grob auf die Schnelle, waren im Zimmer verstreut.
»Die Polly ist eine Liebe«, plapperte Lucky ungefragt. »Die mag immer jeden, und jeder mag sie. Oh, Shit. Sie mochte jeden! Sie war so ein Sonnenscheintyp. Immer gut gelaunt und so. Auch wenn alles Scheiße war …«
»Was denn zum Beispiel?«, fragte Pfeffer, während er an dem kleinen Schreibtisch die Schubfächer öffnete in der Hoffnung, dass Polly ganz oldschool war – in der Hoffnung, ein Tagebuch oder Briefe zu finden. Er hatte gehört, dass Mädchen das mittlerweile wieder machen würden. Offline Tagebuch schreiben und so etwas. Nichts. Stattdessen überall indischer Kitsch, bunte Tücher und Fähnchen, Ketten und Klimbim, kleine Buddha- und Ganeshafiguren, dvds mit Bollywoodstreifen und Liebesromane extrem kitschiger Natur, wenn man den Covers Glauben schenkte.
»Wie, was denn?«, echote Lucky. »Ach so, was Scheiße war. Na, eigentlich nix bei ihr. Lief bei ihr. Als Kindermädchen hat sie bei den Försters ganz gut verdient. Ging halt alles für Klamotten und so Zeug drauf. Mädels halt. Und Party machen. Und ihr Bollywoodzeugs. Sie hat auch auf einen Indientrip gespart. Keine Ahnung. Wobei, also, wenn ich meine, dass sie eine Liebe war, dann war das eher so, na ja, unverbindlich. Ich glaube, dass sie ganz viel in sich hineingefressen und weggelächelt hat. Sie wollte nie, dass man sich Sorgen um sie machen musste. Ach, und ihre Familie kommt aus Kasachstan. Voll die Russen, ey. Also diese sogenannten Deutschen.« Er machte Anführungszeichen mit der freien Hand. »Sie wissen schon. Die Eltern leben in irgendeinem Kaff im Schwabenland oder so. Voll konservativ und so. Halten Schwule für pervers, verstehen Sie? Vergöttern Putin und glotzen den Lügensender rt-Deutsch, wollen aber nicht in Russland leben. Na, kennt man ja. Und ’nen Kerl hatte die