Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband. G. S. Friebel

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Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband - G. S. Friebel

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lassen. Vornehme Leute tranken immer Tee, nie Kaffee. Im Fernsehen hörte und sah man doch immer, wie sie Tee servierten.

      »Das ist einfach toll!«, sagte sie überwältigt.

      »Und jetzt zeige ich dir dein Zimmer«, sagte der Zuhälter.

      Helga zitterte und ging mit. Als er ihr aber dann das Zimmer am Ende des Ganges zeigte, war sie abermals sprachlos. Es war genauso, wie es sich junge Mädchen erträumen. Ein Traum, ganz weiß, mit Gold und duftigen Gardinen, einem hellblauen Teppich und kleinen, niedlichen Nischen mit einem lustigen Sofa und einem Sessel. Teure Flakons standen auf dem Frisiertischchen, und einen Schreibtisch gab es da auch.

      Der Zuhälter verschwieg sehr wohl, dass hier all seine Pferdchen am Anfang einmal gelebt hatten – als sie das ganz große Geld einbrachten, manchmal pro Freier tausend Mark. Hier durften die Jungfrauen nächtigen, wie er es bei sich nannte – so lange, bis sie es nicht mehr waren und er sie auch nicht mehr als solche verkaufen konnte. Dann wurden sie brutal aus diesem Reich geworfen und landeten im Eroscenter, wo es längst nicht mehr so wundervoll und schön war.

      Er hatte da einen ganz raffinierten und gemeinen Trick, um die unschuldige Brut richtig an den Mann zu bringen. Andere Zuhälter waren gleich brutal und gemein. Damit verschreckte man sie nur und hatte seinen Ärger. Nein, er machte das ganz anders. Er zwang sie in ein Schuldgefühl, ein Abhängigkeitsverhältnis. So taten sie es dann wirklich freiwillig, und die reichen Kunden waren von diesen Mädchen begeistert und hingerissen und konnten nicht genug davon haben.

      »Gefällt es dir?«

      »Hier soll ich wirklich leben?«, jauchzte Helga überwältigt.

      »Ja!«

      »Aber«, stammelte sie, brachte aber dann vorläufig kein Wort über die Lippen. Ihr war, als träume sie, als würde sie irgendwo liegen und dies alles träumen.

      Gleich würde sie unsanft geweckt werden, und dann war der Traum verschwunden.

      »Komm, jetzt suchen wir erst einmal Elvira. Sie wird sich um dich kümmern, ich habe jetzt keine Zeit mehr. Ich muss fort.«

      Erschrocken blickte sie Roger an.

      »Wer ist Elvira?«

      Er lächelte spöttisch. »Du hast wohl Angst, dass es meine Frau ist, wie? Und sie dir jetzt den Kopf wäscht?«

      So etwas hatte sie in der Tat gedacht.

      »Elvira kümmert sich um alles. Du kannst ihr vertrauen.«

      Er ging in den großen Salon zurück und rief laut ihren Namen. Irgendwo in den Hinterräumen, die er ihr noch nicht gezeigt hatte, hörte sie, wie eine Tür zugeschlagen wurde. Dann kamen Schritte näher, und wenige Augenblicke später stand eine atemberaubende Schönheit auf der Schwelle. Sie hatte wundervolles rotes Haar! Es sah herrlich aus, und wie lang und gepflegt es war! Und dazu diese blass-grünen Augen in dem schneeweißen Gesicht! Helga hielt sie auch für eine Schauspielerin und kam sich in ihrem kleinen Sonntagskleidchen richtig schäbig vor.

      »Hallo Elvira!«, sagte Roger. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und wurde dann plötzlich sehr wütend.

      »Du hast schon wieder getrunken!«, zischte er sie an.

      »Und?«, sagte Elvira gleichgültig. »Geht dich das einen Dreck an?«

      »Verdammt noch mal! Ich hab dir schon oft genug gesagt, du sollst damit aufhören! Zumindest am Tage, kapiert.«

      »Du kannst mir gar nichts sagen, Kleiner. Und jetzt lass mich in Ruhe.«

      »Du bleibst!«, donnerte er.

      Helga wurde ängstlich, weil er plötzlich so böse war.

      In diesem Augenblick bemerkte Elvira Helga, und schlagartig wurde ihr hochmütiges Gesicht zart, weich und anschmiegsam. Als sie jetzt auf sie zukam, hatte Helga das Gefühl, sie würde wie eine Katze gehen. Genauso, ja, damit kannte sie sich aus. Auf dem Lande gab es genug davon.

      »Du hast mir eine Freundin mitgebracht?«, gurrte sie und strich Helga übers Haar.

      Die hatte auf einmal ganz komische Gefühle, sie konnte sich das nicht erklären. Bevor sie aber überhaupt etwas sagen konnte, riss Roger sie fort.

      »Lass das sein!«, herrschte er sie an.

      Helga starrte von einem zum andern und machte einen verstörten Eindruck.

      Roger sagte: »Komm, du gehst erst mal auf dein Zimmer. Ich muss mit Elvira reden. Sie ist betrunken. Nachher kümmere ich mich wieder um dich. Los, komm schon!«

      Mit Riesenschritten rannte er zu ihrem Zimmer. Als sie es betreten hatte, schloss er die Tür zu, und sie hörte, wie er ins Wohnzimmer zurückging.

      4

      Inzwischen hatte sich Elvira an der Bar breitgemacht und hielt schon wieder ein Glas in ihren Händen.

      »Prächtig!«, höhnte sie. »Bald holst du dir auch noch Mädchen aus dem Kindergarten.«

      »Stell das Glas hin, oder ich schlag dir mitten in die Fresse!«, keuchte der Zuhälter.

      »Das, mein liebes Brüderchen, wagst du ja gar nicht. Du hast doch Angst vor deiner großen Schwester. Nicht wahr, das hast du doch? Und jetzt halt deine dreckige Schnauze und lass mich trinken, oder…« Sie machte eine Pause.

      »Vielleicht hast du doch recht. Vielleicht sollte ich heute damit aufhören. Du hast mir ja ein prächtiges Vögelchen mitgebracht. Es ist nicht zu verachten. Sie ist doch noch unschuldig?«

      »Wenn du sie mit deinen dreckigen Fingern anrührst, dann schlage ich dir den Schädel ein!«

      Elvira legte den Kopf schief und lachte gurrend. »Du bist ja heute wirklich ein spaßiger Kunde, Roger. Was hast du nur, warum bist du so schlecht aufgelegt?«

      Er kochte vor Wut. Immer wenn seine Schwester getrunken hatte, wurde er schrecklich wütend. Er hatte einfach Angst, dass sie zu viel trank. Und wenn einer stockbetrunken war, wusste er oft nicht mehr, was er sagte. Und das war in seinem Beruf sehr gefährlich. Er hasste sie über die Maßen. Am liebsten hätte er sie auf dem Grunde des Rheins gesehen, dort, wo er am tiefsten war.

      Elvira war wirklich seine Schwester. Sie war mit einem der größten und gemeinsten Bosse aus ihrem Syndikat verheiratet. Da der aber im Augenblick untertauchen musste – die Kripo war wegen eines Mordes hinter ihm her – war Elvira zu ihm gekommen, um hier so lange zu warten, bis sie wieder zu ihrem Herrn und Gemahl gehen konnte. Die Polizei wusste nichts davon. Schon sie im Hause zu haben, war eine Gefahr. Aber Roger konnte nichts machen, gar nichts; denn die Bosse waren noch stärker. Und lehnte er sich dagegen auf, würde ihm ein kleiner Unfall passieren. Und dieser Unfall würde sich in die Länge ziehen. Er wusste ganz genau, dass sie vorher ihre Opfer unmenschlich quälten und sie dann ganz langsam umbrachten. Sie sollten nämlich etwas von ihrem Tode haben. Man starb ja nur einmal.

      Mit dieser Viper im Haus musste er also leben und noch sehen, dass er seine Geschäfte zustande brachte. Elvira war außerdem lesbisch. Das wusste ihr Mann nicht, aber Roger. Und er hatte nicht die geringste Lust, es ihm zu hinterbringen. Außerdem war Elvira ein so falsches Luder und fuhr zweigleisig, dass

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