Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband. G. S. Friebel
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Читать онлайн книгу Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband - G. S. Friebel страница 7
»Nun, wir haben ja so ungefähr die gleiche Figur. Da werden wir schon etwas finden, zumindest für die Nacht. Morgen werden wir dann weitersehen. Komm mal mit, wir sehen gleich bei mir nach, damit du Wäsche, Nachthemd und einen Morgenrock hast.«
»Ja, aber«, stotterte Helga, »ich möchte Ihnen wirklich nichts fortnehmen.«
So einfach wie sie aufgewachsen war, da hatte es keine doppelten Dinge im Haushalt gegeben. Jeder hatte einen dürftigen Morgenmantel, und der musste für viele Jahre reichen. Neulich noch hatte Helga zu ihrer Mutter gesagt, sie brauche unbedingt einen neuen, ihrer sei schon viel zu klein und zu eng. Da hatte die Mutter doch wirklich gesagt: »Das ist doch wirklich Verschwendung! Du bist jetzt schon siebzehn Jahre alt. In ein, zwei Jahren heiratest du bestimmt, wenn du nicht eine Jungfer bleiben willst. Da kriegst du dann einen schönen neuen Morgenrock, wie es sich für eine junge Frau gehört. Außerdem brauchst du ihn dann auch für das Krankenhaus!«
»Für welches Krankenhaus?«, hatte sie erstaunt gefragt.
»Na, wenn du ein Kind kriegst, dann gehst du doch ins Krankenhaus. So was macht man nicht mehr zu Hause.«
Helga hatte damals nur ganz dumm die Mutter angesehen, und dann war ein Würgen in ihrer Kehle gewesen. Man sprach so kalt, so gleichgültig von dem Leben und der Ehe und der Liebe. Sie hatte so viele Bücher verschlungen, und überall stand zu lesen, wie wundervoll die Liebe sei. So ganz anders, als es die Eltern darstellten.
Damals hatte sie gedacht: Vielleicht bin ich gar nicht ihr Kind. Vielleicht hat man mich damals in der Klinik vertauscht? Vielleicht sind meine wirklichen Eltern reich und vornehm. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen. An allem störte sie sich: an der Sprache, an den groben Tischsitten, an allem. Sie war für das Feine und Nette, das Freundliche, Herzliche. Mit dieser Sehnsucht im Herzen in so einem rüden Haushalt leben zu müssen, sich auch noch unterzuordnen, da fühlte man sich ständig gedemütigt und gequält.
Natürlich wurde sie ständig aufgezogen und gehänselt. Man war auch wütend darüber, dass sie so viel las. Über alles mokierte man sich. Nichts konnte sie ihnen recht machen, und wenn sie dann wirklich mal sagte: »Man isst Fleisch mit Messer und Gabel«, dann sah der Vater sie nur schräg an und sagte: »Lass mich in Ruhe, sei keine Zimperliese. Das ist ja nicht mehr zum Aushalten mit dir!«
»Ja ja!«, rief dann Eva dazwischen, die auch nicht viel gelernt hatte, »das kommt von dem vielen Schmökern. Sie soll lieber kochen und putzen lernen. Aber dazu ist Fräulein Prinzessin zu vornehm.«
In diesem Augenblick merkte sie erst, wie sehr sie ihre Familie hasste. Sie betete diese wundervolle Frau an. Einfach herrlich war sie!
Elvira hatte ein ähnliches Zimmer wie Helga, nur noch etwas größer und pompöser. Aber sonst glichen sie sich, was Möbel und Teppiche betraf.
Sie ging jetzt zu dem siebentürigen Schrank und öffnete all seine Türen. Helga hielt die Luft an.
»Sind das alles Ihre Kleider?«
»Aber ja doch!«, lachte Elvira. »Ich trag sie nur eine kurze Zeit, und dann werf’ ich sie fort. Die Mode ändert sich ja so schnell. Komm her, hier sind die Morgenröcke. Warte mal, dieser würde dir stehen. Du bist ja jünger als ich, und da muss man deine Jugendlichkeit herausstreichen. Das ist sehr wichtig, Kleines.«
Sie holte einen Traum von Morgenmantel aus dem Schrank. Er war schneeweiß, mit Federn um den Hals. Ganz zart und wie Spinnweben umschmeichelten sie den kleinen Kragen. Auch um die Ärmel, wie unten um den Saum, waren die Federn angenäht.
Helga sagte keuchend: »Ist das wirklich ein Morgenmantel?«
»Aber ja doch, wenn ich dir das sage!«
»Und den soll ich tragen?«
»Ich schenke ihn dir.«
Helga schluckte. »Aber das kann ich doch nicht annehmen. Der ist doch viel zu kostbar für mich.«
»Komm schon«, sagte Elvira. »Mach jetzt keine Zicken. Zieh den Mantel an. Wenn ich dir sage, er gehört dir, dann gehört er dir. Später brauchst du natürlich keine abgetragenen Sachen zu nehmen. Dann kannst du selbst einkaufen.«
Helga stand wie verzaubert vor dem bodenlangen Spiegel und hielt sich den Mantel vor.
»Los, zieh deine Klamotten aus! Jetzt wollen wir mal sehen, ob er dir wirklich steht.«
Gehorsam schlüpfte sie aus dem Sommerkleidchen. Jetzt stand sie in ihrer billigen Unterwäsche vor der eleganten Elvira. Diese rümpfte die Nase. Wirklich, die kam ja aus der tiefsten Provinz!
»Zieh den Plunder auch aus«, sagte sie herrisch.
Helga errötete leicht. Sie hatte sich noch vor niemandem ausgezogen und schämte sich. Elvira bemerkte das sehr wohl und wusste jetzt mit absoluter Gewissheit, dass sie noch Jungfrau war. Also auch nichts mit einem Dorflümmel getrieben hatte.
Sie lachte heiser auf: »Aber, aber, Kleinchen, ich bin doch auch eine Frau. Ich guck dir wirklich nichts ab. Los, mach schon! Neue Unterwäsche kriegst du auch von mir. Aber erst probieren wir mal den Morgenmantel. Den musst du auf nackter Haut tragen. Das ist ein Gefühl, sage ich dir.«
Die Frau war so nett, und sie durfte sich jetzt nicht prüde anstellen. Und so zog sie sich vor den gierigen Blicken der Frau aus. Helga merkte nichts davon. Sie blickte züchtig zu Boden.
Elvira kam langsam näher. Kaum konnte sie sich beherrschen, aber sie hatte dieses Versprechen gegeben. Nun denn, dachte sie in diesem Augenblick, anfassen darf man ja noch mal, und später werde ich sie dann auch vernaschen. Ob Roger es will oder nicht. Sie ist wirklich ein tolles Püppchen.
Helga hatte noch etwas Unfertiges an sich. Kleine Babygrübchen, die zarten, knospenden Jungmädchenbrüste, die schmalen Lenden und dazu die langen, schlanken Beine mit dem etwas staksigen Gang. Sie würde die Männer wild machen.
Elvira streckte die Hand aus und streichelte die kleinen Brüste. Sofort hoben sich die Knospen. Helga hatte wieder so ein seltsames Gefühl. Ihr wurde zugleich heiß und kalt. Und die Frau streichelte nicht nur ihre Brüste, sondern auch den kleinen Bauch und die Lenden, die Schenkel. Obwohl sich das junge Mädchen furchtbar schämte, so hatte sie doch gleichzeitig den Wunsch, sie möge nicht aufhören.
»Du bist wirklich sehr schön, kleine Helga«, gurrte die Frau an ihrer Seite.
»Ja?«, stotterte sie verlegen.
»Dich hat wohl noch niemand so sacht gestreichelt wie?«
»Mit Jungens will ich nichts zu tun haben«, sagte sie hitzig.
»Ich bin ja auch kein Junge«, lächelte Elvira. »Es gefällt dir also?«
Helgas Wangen brannten heiß. Alles was mit Liebe und Sex zu tun hatte, war daheim verboten gewesen. Man durfte nicht darüber reden. Das war sündig, tabu. Das spielte sich im Dunkeln ab. Heimlich. Sie wusste, dass ihre Freundinnen mit Jungen hinter der Scheune gingen. Oft hatte sie sie kichern gehört, und dann kamen sie wenig später wieder und hatten zerzauste Haare und zerdrückte Pullis. Sie gaben dann immer schrecklich an und wollten, dass Helga auch mitmache.
»Stell dich doch nicht so an! Das muss man tun! In der Stadt tun sie das alle.«
Aber