Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband. G. S. Friebel
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Читать онлайн книгу Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband - G. S. Friebel страница 8
»Du kannst mir ruhig sagen, ob es dir gefällt oder nicht«, sagte Elvira heiser.
Helga schrak aus ihren Gedanken auf. Sie spürte jetzt wieder die streichelnden Hände und hatte den Wunsch, sich auf den Teppich zu legen – und sie sollte immer weitermachen. Immerzu. Dann sah sie sich selbst im Spiegel, ganz nackt; und da schämte sie sich so entsetzlich, dass sie den Morgenmantel an sich riss und ihn schnell überzog.
Elvira hatte ein wissendes Lächeln in den Mundwinkeln. Man konnte sie also sehr schnell wecken. Und vielleicht stand sie gar nicht auf Männer? Pech für Roger. Dann hätte sie eine neue Bettgespielin.
»Na, wie fühlt er sich an?«
Die weiche Seide umschmeichelte ihre Figur, und Elvira hatte recht, er fühlte sich wundervoll an. Die ganze Haut schien zu leben und zu zittern. Kaum konnte sie sich aufrecht halten, so aufgeregt war sie.
»Komm, jetzt zeige ich dir, wo meine Unterwäsche liegt. Du kannst dir welche aussuchen.«
Natürlich waren sie auch aus Spitze und dünnem Stoff, und so zart und so weich. Die würden das Waschen nicht lange aushalten.
»Sie kommt aus Paris«, sagte Elvira gleichgültig.
»Wundervoll«, flüsterte Helga.
»Willst du baden?«
Das junge Mädchen sah auf und sagte lachend: »Aber heute ist doch nicht Samstag.«
»Aber wir baden jeden Tag. Immer, wenn uns der Sinn danach steht. Komm mit.«
Sie ließ Wasser für Helga einlaufen und gab reichlich duftenden Schaum dazu. Helga musste baden, und Elvira saß daneben und sah ihr zu. Für sie war das ein reiner Genuss. Nur das unschuldige Mädchen merkte nichts von den gierigen Wünschen der Frau.
Nach dem Bad zog sie wieder den Morgenmantel an, und dann gingen sie in den Salon zurück. Elvira bot ihr etwas zu trinken an. Sie nahm es, obwohl sie auch das nicht gewöhnt war. Aber sie wollte jetzt als ganz große Dame gelten.
»Ich mache uns etwas zu Essen, und dann plaudern wir miteinander, ja?«
»Ja«, sagte sie selig.
Helga stand am Fenster und schaute auf die Straße. Langsam brach die Dunkelheit herein. Unten wurde es lebhafter.
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, flüsterte sie leise vor sich hin.
6
Als Helga auch um zehn Uhr abends noch nicht zu Hause war, machte sich die Familie langsam Sorgen. Die Mutter schimpfte, und der Vater knurrte: »Wenn die nach Hause kommt, dann setzt es aber eine Tracht Prügel. Die soll sich bloß nicht einbilden, sie könnte mit uns tun und lassen, was sie will!«
»Bestimmt hockt sie mit einem Jungen irgendwo zusammen«, sagte Eva schadenfroh.
Egon, ihr Mann, sagte daraufhin ärgerlich: »Sie sind ja nicht alle so geil wie du.«
Daraufhin wurde sie schrecklich wütend, heulte und ging nach oben in die kleine Wohnung. Diese junge Ehe konnte man wirklich nicht glücklich nennen.
Der Zeiger der Uhr kroch immer weiter. Als wieder eine Stunde vorüber war, hielt es die Mutter nicht mehr aus. »Ich geh sie jetzt suchen. Bestimmt ist etwas passiert«, jammerte sie los.
»Ich geh mit«, sagte Egon. »Aber das sage ich dir jetzt schon, von mir fängt sie sich auch ein paar ein, wenn ich sie finde.«
»Hört doch endlich auf!«, sagte die Mutter zornig. »Sie ist kein Kind mehr. Alle hackt ihr auf ihr rum.«
Überall in der Nachbarschaft fragte man nach Helga, obwohl sich die Mutter sehr schämte; denn was sollten sie von ihnen denken. Um Mitternacht von Haus zu Haus zu gehen, um das Kind zu suchen, das machte wirklich keinen guten Eindruck. Aber im Augenblick war die Sorge doch größer. Aber wo sie auch fragten, man konnte keine Auskunft geben. Niemand schien Helga gesehen zu haben, auch die Freundinnen nicht, mit denen sie sonst zusammen war. Man holte sie eigens aus dem Bett. Verstört sahen sie Frau Wenda an.
»Sie war nicht bei uns. Wir haben ihr noch gesagt, sie soll mit zum Treff kommen, in die alte Schule. Sie wissen ja, dort sind wir immer. Aber sie ist nicht mitgegangen.«
»Hat sie denn auch nicht gesagt, wohin sie wollte? Irgendeine Andeutung gemacht?«
»Nein, gar nichts. Ich glaube, sie wollte nach Hause zurück.«
»Ja, richtig«, murmelte Frau Wenda plötzlich. »Egon, sie war ja bei uns. Erinnerst du dich? Es hat Krach gegeben, du weißt doch noch.«
»Herrje! Glaubst du wirklich, die hält sich deswegen irgendwo versteckt?«, fragte er zornig. »Das wird ja immer schöner. Man kann sich ja wohl mal die Meinung sagen, oder?«
Sie hatten das ganze Dorf abgeklappert, aber niemand hatte das Mädchen gesehen. So kamen sie müde nach Hause, in der Hoffnung, dass sie in der Zwischenzeit dort angekommen sei. Aber auch hier war sie nicht. Helga blieb verschwunden. Nun fühlten sie sich echt betroffen. Alle hatten auf einmal ein schlechtes Gewissen. Seltsam war das schon: Wenn jemand erst mal fort ist, dann fällt einem auf, dass man nicht richtig gehandelt hat, dass man vieles hätte anders machen können. Immer wenn es zu spät ist, will man auf einmal alles ändern.
»Was machen wir denn jetzt bloß?«, fragte die Mutter leise. »Wir können doch nicht einfach hier herumsitzen und warten.«
»Bis zum Morgen müssen wir schon warten. Dann gehen wir zur Polizei.«
»O du liebe Güte, das überlebe ich nicht«, seufzte die Mutter. »Mit der Polizei haben wir noch nie etwas zu tun gehabt. Das kann ich nicht.«
»Dann werden Vater und ich gehen.«
Egon ging nach oben. In der kleinen Schlafstube wartete seine Frau. Sofort wollte sie wieder über ihre Schwägerin herziehen.
»Na, wo hat sie denn gesteckt, die Prinzessin? Will jetzt wohl immer abgeholt werden, wie?«
»Eva, halt deinen Mund! Wir haben Helga immer noch nicht gefunden. Sie ist spurlos verschwunden, und morgen müssen wir zur Polizei.«
»Wirklich? Ich dachte, alles sei nur Spaß?«
»Nein, und du mit deiner ewigen Petzerei, du hast sie aus dem Haus geekelt!«
»Ach so!«, empörte sie sich. »Jetzt bin ich wohl an allem Schuld, wie? Immer ich! Du hast es wohl nicht gewollt, damals, wie? Das wird ja immer schöner!«
Egon hielt mit dem Ausziehen inne, blickte sie an und meinte sehr wütend: »Und du, Nutte, hast es sofort zugelassen.«
Eva warf sich in die Kissen und heulte wie ein Schlosshund. Er kümmerte sich nicht um sie und war kurze Zeit später eingeschlafen.
Am nächsten Morgen kamen sie alle unten in der Küche zusammen. Von Helga noch immer keine Spur. Der Vater hatte schon ein Bild von seiner