Western Ferien Sammelban 9018 - 9 Romane um Gunfighter und Helden. Pete Hackett
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Während Maxwell Hook mit seinen Männern wie ein lautloser Spuk aus Cabeza Prieta verschwand, verließen in der anderen Richtung auch die Campesinos um Carlo Janos die Stadt. Sie waren so zufrieden, wie es die Umstände zuließen. Immerhin hatten sie jetzt ein Maultiergespann mit einem Wagen, und für das Nötigste zum Überleben war ebenfalls gesorgt. Vielleicht war dies der letzte Raubzug, zu dem sie gezwungen waren.
Die Sonne, die nur scheinbar in Mexiko jenseits der Grenze untergegangen war, obwohl sie selbstverständlich zu Arizona gehörte, war nicht mehr zu sehen. Nur zögernd verließen die Überfallenen ihre Häuser. Sie wehrten sich noch immer, ihr Unglück zu begreifen. Hilflos waren sie diesen entfesselten, brutalen Kerlen ausgeliefert gewesen. So mancher von den Männern hatte eine gehörige Tracht Prügel erhalten.
Marshal Erdoes war zum Glück nicht tot, doch die Banditen hatten ihn übel zugerichtet. Er wurde in ein Haus getragen, während man auf der Plaza aufgeregt diskutierte und über die Frevler schimpfte. Dass sogar das Gefängnis leer war, bemerkten die Verzweifelten erst viel später.
2
Einen einzigen Insassen hatte das Gefängnis von Prescott. Slinger war zwar nur ein Halbwüchsiger, doch er hatte schon für mehr Ärger gesorgt als mancher abgefeimte Schurke. Nicht nur, dass er sich in Rains von einer Bande von Waffenhändlern zu Handlangerdiensten missbrauchen ließ, er hatte mich auch in eine ganz miese Falle gelockt und dazu meine Tasche gestohlen, an der mir sehr gelegen war, weil in ihr der Aktenordner steckte, den ich in St. Louis in der „Western Missouri Trailblazing Company“ aufgespürt hatte. Dieser Ordner enthielt Dokumente und Briefe. Und über einen Mann, der dort genannt wurde, hoffte ich, Licht in das Dunkel meiner Vergangenheit zu bringen.
Die Tasche hatte ich glücklicherweise inzwischen wieder zurückerhalten, aber nur, weil der dürre, sommersprossige Halunke die Unverschämtheit gehabt hatte, sie bei Manuela abzuliefern, der er eine haarsträubende Story von einem Toten erzählte, neben dem er sie angeblich gefunden hatte. Statt der erhofften Belohnung hatte Chaco ihn jedoch durchschaut und kurzerhand ins Jail geworfen, während Manuela sich nur schwer von dem Schock erholt hatte und erst glaubte, dass ich noch am Leben war, als ich wieder leibhaftig vor ihr stand. Dieser Gauner verdiente, dass man ihm Beachtung schenkte. Deshalb war auch Chaco, der sich einige Zeit in unserem Haus aufgehalten hatte, wieder auf dem Weg zu seinem Office.
Ich dagegen wollte das Wells Fargo Office aufsuchen. Vielleicht war schon die Antwort auf meinen telegraphischen Bericht an die Zentrale in San Francisco eingegangen.
Slinger hatte eine unruhige Nacht verbracht. Aber er war nicht untätig gewesen. Diesem verfluchten Bastard, der ihn hier eingelocht hatte, wollte er es zeigen. Wenn er sich auch einen schweren Fehler geleistet hatte, als er ausgerechnet hier in Prescott auftauchte und die schnellen Verbindungen der Wells Fargo Leute unterschätzte, so gab er sich doch noch lange nicht geschlagen. Schließlich hatte er sich in seinem kurzen Leben als Tramp so manchen Trick angeeignet, und jetzt stand er wieder mal vor einer Situation, in der er das Gelernte nutzbringend anwenden konnte.
Der große Mann, den sie Carringo nannten, hatte ihn gestern ganz schön in die Mangel genommen. Aber obwohl er alles ausgespuckt hatte, was er über die Männer um Ben Hillary und den geplanten Waffenschmuggel nach Mexiko wusste, hatte der Kerl sich nicht einwickeln lassen. Seine eisigen Augen hatten ihn erbarmungslos gemustert, und er, Slinger, hatte begreifen müssen, dass Carringo seinen groben Spaß in die falsche Kehle gekriegt hatte.
Egal! Wenn er hier erst mal raus war, sollte der blonde Schnüffler vor Wut ersticken. Und das würde nicht mehr lange dauern. Dafür hatte er gesorgt. Wenn ihm der Bastard von einem Marshal auch alles weggenommen hatte, was er irgendwie als Waffe hätte einsetzen können, so hatte er doch übersehen, dass ein in die Enge getriebener Tramp mit allem etwas anfangen konnte. Sogar mit einem Strohsack, auf dem er eigentlich hatte schlafen sollen. Doch zum Schlafen war die Nacht zu kostbar gewesen. In aller Ruhe und ungestört war es ihm gelungen, einzelne Hanffäden aus dem Sack zu ziehen und daraus geschickt eine Schlinge zu fertigen. Es war eine Mordsarbeit, und zum Schluss bluteten seine Finger, aber Slinger hatte sich sagen lassen, dass eine Schlinge aus Hanf an einem anderen Körperteil noch viel unangenehmere Spuren hinterlassen konnte.
Er hatte nicht vor, mit seinem kleinen Lasso jemanden aufzuhängen. Das wäre nicht möglich gewesen. Aber seit dem Moment, an dem er am Anfang des Zellenganges den Haken mit den Schlüsseln entdeckt hatte, war er entschlossen gewesen, sie sich zu holen. Er hatte unzählige Versuche unternommen. Er war schon nahe dran gewesen, sein Vorhaben aufzugeben. Doch dann sah er im Geiste Carringo und das Halbblut Chaco, die beide anscheinend eine dicke Freundschaft verband, vor sich, und seine Energie gehörte ganz dem Hass.
Das leise Klappern des Schlüsselbunds auf dem Fußboden hatte wie Musik in seinen Ohren geklungen. Vorsichtig zog er die kostbare Beute zu sich heran, immer besorgt, sie nicht unterwegs noch zu verlieren. Als er das kühle Metall zwischen seinen Fingern fühlte, atmete er erleichtert auf. Der Schlüssel passte, und in Sekundenschnelle war Slinger frei.
Jetzt musste er sich aber beeilen. Der Morgen war angebrochen, und jeden Augenblick konnte sich einer von seinen Gegnern wieder für ihn interessieren. Jedenfalls wollte er nicht ohne Waffe sein, und zu Fuß war der Weg, den er vor sich hatte, auch ziemlich weit. Er pries die Weitsicht des Marshals, der offenbar an alles gedacht hatte, was er für seine Flucht brauchte. Im Office fand er ein Gewehr und die dazugehörige Munition. Jetzt fühlte der Junge sich schon wieder fast unbesiegbar.
Er schlich zum Stall des Jailgebäudes. Wie er von früheren Beobachtungen her wusste, stand dort stets ein Ersatzpferd für alle Fälle. Na, und so ein Fall war das ja jetzt zweifellos.
Slinger grinste verschlagen, während er sich auf den Hengst schwang. Es hatte besser geklappt, als er zu hoffen gewagt hatte. Es war eben noch immer ein Fehler gewesen, wenn man ihn unterschätzt hatte. In rücksichtslosem Galopp preschte er über den Hof. Er beugte sich weit über den Hals des Tieres, das sich anfänglich gegen die brutale Behandlung wehrte, von dem hageren Burschen aber zum Gehorsam gezwungen wurde. Er sah den Mann kaum, der gerade das Gebäude erreichte und ihm reflexartig in die Zügel greifen wollte. Er ritt ihn einfach über den Haufen, und als er einen flüchtigen Blick zurückwarf, freute er sich erst richtig, dass er ausgerechnet diesen verhassten Halbindianer erwischt hatte. Hoffentlich hatte er ihm wenigstens das Kreuz gebrochen!
Genauso gefährlich sah es auch aus. Ich wurde von weitem durch das wilde Wiehern des Pferdes aufmerksam und erkannte mit Entsetzen, dass Chaco dem heranrasenden Tier nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Die Ereignisse richtig zu beurteilen, war nicht schwer. Slinger, der raffinierte Halunke, hatte es tatsächlich geschafft, aus seinem unfreiwilligen Hotel auszubrechen. Das musste ich verhindern. Mit langen Sätzen eilte ich heran. Der Bursche preschte direkt auf mich zu. Ein Warnschuss würde sicher genügen. Ich hatte nicht die Absicht, den Gauner zu erschießen, wenn ich auch wenig Hoffnung hatte, dass er seinen Lebenswandel demnächst ändern würde und sich damit auf jeden Fall früher oder später einen unehrenhaften Tod verdiente.
Ich riss meinen Revolver aus dem Holster und setzte ihm eine Kugel direkt vor die Hufe. Der Hengst war zu meinem Leidwesen prächtig erzogen und scheute nur geringfügig. Slingers Erziehung ließ dagegen zu wünschen übrig. Kaum dass er mich sah, riss er das Gewehr an die Hüfte und feuerte sofort. Der Kerl hätte mich glatt durchlöchert, wenn ich nicht im letzten Moment wie ein Seehund mit dem Bauch über die Straße gerutscht wäre.
Ich rollte