Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore

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Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018 - Cedric Balmore

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da und gingen dann wieder in den Park spielen. Dort warteten bereits ein paar Freunde auf sie.

      Zum ersten Mal betrat Doris die Wohnung Professor Winters. Sie war mit wertvollen alten Möbeln eingerichtet, aber keinesfalls überladen, und wirkte sehr gemütlich. Hübsche Bilder, auch Fotos, und sehr viele Blumen gaben der Wohnung das Gepräge. Doris hatte ein Gespür für eine heimelige Atmosphäre, und hier fand sie die.

      Sie saßen auf dem Balkon. Es war ja herrliches Wetter draußen. Frau Winter hatte schnell Rühreier mit Schinken gemacht, dazu gab es Toast und frischen Salat. Ein zünftiges Glas Bier rundete das Essen ab.

      Doris aß mit Heißhunger. Aber sie beobachtete, dass es Professor Winter nicht anders ging.

      Frau Winter, die schon zu Mittag gegessen hatte, saß dabei, unterhielt sich mit beiden und blickte sehr zufrieden auf ihren Mann, aber auch auf Doris. Sie sah, wie gut es beiden schmeckte.

      „Das ist ja heute lange gegangen“, sagte sie zu ihrem Mann. „Ich habe gedacht, du kommst überhaupt nicht mehr.“

      „Der Teufel war los“, sagte er kauend und schien nicht gewillt, eine nähere Erklärung abzugeben. Das tat er dann erst, als er gegessen hatte und sich zufrieden zurücklehnte.

      Frau Winter brachte noch jedem eine Tasse Kaffee, trank selbst mit, und dabei unterhielten sie sich fast eine Stunde.

      „Ich muss längst wieder hinunter“, erklärte Doris.

      „Aber nicht doch“, wehrte Winter ab. „Jetzt sind Sie doch mein Gast. Und schließlich bin ich der Chef. Wenn das sonst nichts bringt, aber hier wenigstens bringt es etwas“, fügte er lachend hinzu. „Also, ich gebe Ihnen den dienstlichen Befehl, bleiben Sie ruhig noch was sitzen. Die werden da unten auch mal ohne sie auskommen.“

      Sie hätte wieder auf die Innere Station gemusst. Andererseits war die Unterhaltung mit Frau Winter und ihrem Mann nicht unangenehm. Im Gegenteil. Sie verstand sich mit Frau Winter auf Anhieb gut. Bisher hatten sie sich nur gegrüßt. Und plötzlich kam die Unterhaltung auf Wieland Graf. Doris hätte nicht sagen können, wie sie darauf gekommen waren. Aber es ergab sich so. Und es war Frau Winter, die sagte:

      „Sie arbeiten gern mit ihm zusammen, nicht wahr? Ich glaube, dass er ein sehr netter Mann ist.“

      „Er ist ein sehr netter Mann“, bestätigte Doris.

      „Ich habe meinem Mann oft gesagt, wir müssten uns mehr um ihn kümmern. Er macht auf mich den Eindruck eines Menschen, den man seelisch unterstützen muss.“

      „Er lehnt das aber ab“, sagte Winter zu seiner Frau. „Und er ist ein erwachsener Mensch. Ich kann meine Liebe nicht anderen aufdrängen, wenn sie die gar nicht wollen. Liebe Helga, du gehörst zu den Leuten, die nach Pfadfinderart jeden Tag ihre gute Tat vollbringen wollen. Das ist die Sorte, die sich auf einen alten Mann stürzt, um den über die Straße zu bringen, und in Wirklichkeit wollte er gar nicht hinüber. Lass Doktor Graf in Frieden! Er ist erwachsen. Und er weiß, was er tun muss. Uns geht das doch nichts an.“

      „Aber du bist es doch, Florian, der immer predigt, dass man andere nicht allein im Regen stehen lassen soll. Dass man ihnen helfen soll wenn sie Schwierigkeiten haben, wenn sie in Not sind, wenn sie ein seelisches Tief haben.“

      „Ja“, meinte er nickend, „wenn sie das wollen. Aber nicht gegen ihren Willen. Und so lange er keinen Selbstmordversuch unternimmt, und danach sieht er weiß Gott nicht aus, ist es sein Problem.“

      Helga blickte Doris beifallheischend an. „Nun sagen Sie doch mal was. Sind Sie auch der Meinung meines Mannes?“ Doris lächelte unsicher. „Ich würde Ihnen so gerne beipflichten, Frau Winter, aber ihr Mann hat recht. Nach meinem Standpunkt hat er recht.“

      Helga Winter seufzte. „Dann bin ich wieder geschlagen. Aber ich meine dennoch, dass man sich um ihn kümmern sollte, und wenn er zehnmal diese Hilfe ablehnt. Er tut es aus Bescheidenheit.“ Winter kannte seine Frau und wusste, wie fanatisch sie werden konnte, wenn es um so etwas ging. Er räusperte sich und erklärte in völlig verändertem Tonfall:

      „Ich glaube, Schwester Doris, wir beide müssen wieder an unsere Pflicht.“ Er wandte sich seiner Frau zu. „Schönen Dank, Helga. Ich habe mit großem Appetit gegessen.“ Er lachte. „Um nicht zu sagen mit mörderischem Kohldampf.“

      Zum Abschied sagte Helga Winter zu Doris: „Wenn Sie nach Dienstschluss oder in der Mittagspause einen Moment Zeit haben, kommen Sie doch auf einen Sprung zu mir herauf. Es war so nett, sich mit Ihnen zu unterhalten.“

      Doris bedankte sich. Und auch ihr hatte die Unterhaltung mit Helga Winter gefallen. Aber sie hatte nicht ernstlich vor, dieses Angebot anzunehmen, zumal sie vermutete, dass es mehr aus Höflichkeit ausgesprochen worden war.

      Als sie dann wieder auf ihrer Station war, sah sie im Laufe des Nachmittags vom Fenster aus per Zufall etwas ganz Merkwürdiges, und sie konnte ihre Überraschung darüber kaum verbergen.

      Sie wusste, dass sich Schwester Heidi früher freigenommen hatte, kannte aber den Grund nicht. Und es interessierte sie auch nicht wirklich. Aber als sie da zum Fenster hinausschaute, sah sie unten Dr. Graf mit seinem Wagen und Schwester Heidi, die vom Portal aus auf diesen Wagen zuging. Dr. Graf wartete. Und sie konnte sogar durch die Rückscheibe sehen, wie er sich zur Seite beugte, um die rechte Tür zu Öffnen.

      Schwester Heidi, in weißer Bluse und weißem Faltenrock, ging auf diese Tür zielstrebig zu und stieg ein.

      Doris ertappte sich selbst dabei, dass sie weiter nach unten sah und verfolgte, wie der Wagen den Weg entlang zum Tor fuhr, um dann nach rechts einzubiegen.

      Nach rechts, dachte sie noch. Wo fährt er da hin? Aber es geht mich nichts an.

      Und trotzdem war da ein eigenartiges Gefühl in ihr. Etwas, als wurme sie, dass Heidi zu Dr. Graf in den Wagen gestiegen war.

      Unsinn, schalt sie sich selbst. Es geht mich doch wirklich nichts an. Vielleicht nimmt er sie bloß irgendwohin mit.

      Sie machte ihren Dienst weiter, und als sie Schluss hatte, fuhr sie mit dem Rad nach Hause. Es war wiederum ein schöner Tag. Sie ließ sich Zeit. Besorgungen hatte sie nicht zu machen. Sie fuhr langsam, und sah überall die Paare auf den Bänken sitzen oder Spazierengehen. Sie empfand keinen Neid bei diesem Anblick. Aber in ihr wühlte es. Was ist nur mit mir los?, dachte sie.

      Fängt es jetzt schon an? Falle ich um? Werfe ich meine Vorsätze und Prinzipien beiseite? Nein, das wollte ich nicht, und das will ich nicht. Ich brauche keinen Mann. Es gibt Millionen von Frauen, die völlig allein leben auf der Welt und damit zurechtkommen.

      Aber als sie dann zu Hause war, ließ sie der Gedanke daran, dass Dr. Graf zusammen mit Heidi weggefahren war, nicht mehr los. Sie versuchte vergeblich, nicht mehr daran zu denken.

      Sie beschloss, einfach noch ein Stück mit dem Rad zu fahren, um nicht zu Hause herumzusitzen. Sie hatte zwar ihren Putztag, aber sie verschob ihn auf morgen. Sie zog nur ihre Strickjacke über, weil es am Abend doch etwas kühler wurde, ging wieder hinunter und holte das Rad aus dem Keller. Dann fuhr sie los. Ziellos radelte sie durch die Straßen und kam dann wieder nach einer längeren Rundfahrt zurück. Ihre Laune hatte sich nicht gebessert. Als gäbe es auf der Welt nur Paare, hatte sie unterwegs massenhaft junge Menschen gesehen, die Arm in Arm gegangen waren. Sie hatte das Gefühl, diesen Anblick einfach nicht mehr ertragen zu können.

      Zurück in ihren vier Wänden, saß sie lange im Sessel, stützte

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