Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore
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„Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin sicher, Sie werden es mir gleich sagen“, erklärte sie abweisend.
Er grinste. „Das tu ich auch“, meinte er. „Ich habe das Gefühl, dass Sie sich innerlich darüber aufgeregt haben, dass ich Ihnen erzähle, was es zu essen gibt, aber mit keinem Wort erwähne, ob ich mit Ihnen einverstanden bin oder sagen wir mit dem, was Sie getan haben. Also ich bin einverstanden und hatte es eigentlich nicht anders von Ihnen erwartet. Es ist höchste Zeit, dass jemand herkommt wie Sie. Reicht Ihnen das als Lob? Oder brauchen Sie noch eine goldene Schleife?“
„Stürzen Sie sich nicht in Unkosten“, sagte sie angriffslustig, wandte sich ab, um zu gehen.
„Sollten Sie Hammelfleisch mit Bohnen nicht mögen“, rief er ihr nach, „können Sie auch auf Königsberger Klopse umsteigen. Und der Nachtisch ist Pudding. Ich lasse ihn immer zurückgehen. Aber wenn Sie wollen, können Sie meine Portion haben.“
Sie gab ihm keine Antwort darauf und war wütend, als sie die Tür hinter sich schloss. Dieser Affe, dachte sie, was bildet der sich ein? Ein komischer Kerl. Einmal zu Tode betrübt, dann kaltschnäuzig und sachlich durch und durch und jetzt aufreizend und herausfordernd. Im Grunde ist er wie alle anderen. Und ich hatte geglaubt, er sieht in mir ein Neutrum. Der will mich ärgern. Möchte die Wut auf seine geschiedene Frau auf mir abladen. Aber da hat er sich geschnitten. Da kann er bei mir nicht landen.
Sie ging essen und setzte sich ganz bewusst und absichtlich an einen Tisch, an dem bereits drei Schwestern saßen.
Kurz nach ihr kam Dr. Graf. Er sah sich suchend um, und sie beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Aber da war sie nicht die Einzige. Denn mit ihr am Tisch saßen Schwester Heidi und Schwester Christa. Schwester Heidi gab sich gar keine Mühe, ihr Interesse für Dr. Graf zu verbergen, während Schwester Christa den Kopf zwar gesenkt hielt, aber für Doris unübersehbar zu Dr. Graf hinstarrte.
Da hörte Doris Schwester Heidi leise zu Schwester Christa sagen:
„Dir fallen gleich die Augen aus.“
„Halt bloß die Klappe!“, zischte die stämmige Schwester Christa. „Bildest du dir vielleicht ein, dass du bei ihm Glück hast? Du doch schon lange nicht. Dir sieht er doch an der Nasenspitze an, was mit dir los ist. Und das mag kein Mann.“
„Eine so erfahrene Frau wie du muss es ja wissen“, höhnte Schwester Heidi und widmete sich wieder ihrem Essen.
Schwester Christa nutzte die Gelegenheit, nun ganz offen und unversteckt zu Wieland Graf hinüberzusehen, der an einem Fenstertisch mit einem Kollegen saß.
Später kam dann ein Gespräch zwischen Schwester Christa, Schwester Heidi und Doris auf, als die dritte Schwester am Tisch ihren Platz verlassen hatte und sich die Stationsschwester Silke dorthin setzte. Sie ergriff die Gelegenheit, um Doris mit den beiden Kolleginnen von der Inneren Abteilung bekannt zu machen.
Es gelang Doris mit viel Geschick, die Unterhaltung dahin zu lenken, dass nicht die anderen sie ausfragten, wo sie herkäme und was sie da getan habe, sondern dass die beiden erzählten, Schwester Christa und Schwester Heidi, welche Aufgaben sie auf der Station zu erfüllen hatten. Und ihre Ausführungen wurden noch von denen der Stationsschwester ergänzt.
Indessen hatte Doris ihren Teller leer gegessen und lehnte auch einen Kaffee, zu dem sie eingeladen werden sollte, dankend ab.
Sie war wieder auf der Station, bevor Dr. Graf dort auftauchte. Aber sie war allein im Stationszimmer, und als sie ihn durch die Glasscheibe kommen sah, fürchtete sie, er werde zu ihr hereinkommen. Es gab einige Eintragungen zu machen, und sie beugte sich tief über das Medikamentenbuch, als sei sie konzentriert beschäftigt.
Aber er ging am Stationszimmer vorbei. Kurz darauf hörte sie die Tür des Arztzimmers klappen, das gleich nebenan lag.
Noch vor den beiden jüngeren Schwestern kam die Stationsschwester zurück, setzte sich neben Doris und zündete sich eine Zigarette an.
„Diese blöden Gänse“, sagte sie. „Ich meine Heidi und Christa. Richtige Suppenhühner sind das. Die sind wie verrückt auf Doktor Graf. Dabei interessiert er sich überhaupt nicht für Frauen. Die sind jetzt in seinem Zustand ungefähr das Letzte, wonach der sich sehnt.“
„Wieso?“, fragte Doris und stellte sich ahnungslos.
„Der hat eine katastrophale Ehe hinter sich. Das weiß hier jeder.“
„Kennen Sie die Frau?“
Schwester Silke schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht. Aber ich habe mal ein Telefongespräch mitgehört, ob ich nun wollte oder nicht, ich musste es einfach mithören. Ein Telefongespräch mit seiner Frau. Sie hat einfach hier angerufen. Und er war hier im Stationszimmer. Die Zentrale hat durchgestellt. Er hätte wohl am liebsten gleich wieder aufgelegt, aber dann hat er ein paar Dinge gesagt, da habe ich mit den Ohren geschlackert, kann ich Ihnen sagen.“
„Mich interessiert das nicht“, erklärte Doris rundweg. „Es ist seine Sache und die seiner Frau. Ich habe auch meine Probleme. Jeder hat sie.“
„Recht haben Sie, Schwester Doris. Vergessen wir das. Sie sind jedenfalls nicht eine von denen, die Doktor Graf schöne Augen macht. Am Ende sind die Kerle alle gleich. Meiner ist auch hinter jedem Rock her.“
„Sie sind verheiratet?“, fragte Doris Interesse heuchelnd und hoffte, dass sie damit auf den grünen Knopf gedrückt hatte, der Schwester Silke bewegen konnte, nun von sich zu reden und keine Fragen mehr zu stellen.
„Ja, das bin ich“, sagte die Stationsschwester. „Auch wenn ich keinen Ring trage. Der hindert im Dienst. Verheiratet mit dem liebsten Mann der Welt, und manchmal könnte ich den Kerl in die Hölle schießen. Aber so sind sie alle. Wenn er irgendwo eine Frau sieht, verrenkt er sich den Hals. Die geben sich gar keine Mühe, das zu verbergen. Das tun sie nur vor der Ehe. Wenn man einmal das Jawort gegeben hat, ist es aus.“
„Arbeitet Ihr Mann im medizinischen Bereich?“, fragte Doris.
Schwester Silke schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Er ist beim Theater an der Kasse. Wenn Sie übrigens mal für die Oper Freikarten haben wollen, falls Sie sich für Oper interessieren, er bringt mir manchmal welche mit. Ich mag Opern nicht. Und schon gar nicht die von Wagner. Da sitzt man die halbe Nacht und bekommt rote Flecken am Hintern. Das hört und hört nicht auf, und sie singen immer wieder dasselbe. Grässlich.“
Doris lächelte. „Aber eine Oper ist doch schön. Wenn sie gut gespielt wird. Es muss nicht gerade Wagner sein. Aber Mozart. Denken Sie doch an 'Zauberflöte'.“
Schwester Silke winkte ab. „Hören Sie auf. Alles dasselbe. Und dieses hin und her Gesinge, das geht mir einfach auf den Wecker. Ich kann auch nicht so lange herumsitzen.“
„Und Ihr Mann?“
„Der geht überhaupt nicht hin. Wenn es den juckt, sieht er sich mal eine Probe an. Er kann ja überall hin. Aber es macht ihm wohl auch keinen Spaß. Da gehen wir lieber zum Trabrennen. Haben Sie Spaß am Trabrennen?“
Doris schüttelte den Kopf. „Nein. Das macht doch nur Spaß, wenn man wettet. Und ich wette nie.“
„Ich wette für mein Leben gern“, erklärte Schwester Silke. „Und ich habe auch schon ein paarmal gewonnen. Allerdings“, fügte sie betrübt hinzu, „öfter noch