Freiheit und Sein als Lebenskunst. Hannes Kerfack
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Dass das Dekret auf einer Vorlage der Sorbonne-Universität basiert, beweist auch die Teilnahme des Kardinal Guise an der Disputation und am Entwurf in Trient und St. Germain.108
Falls das Dekret über die Bilderverehrung nicht abgeschlossen wird, droht Kardinal Guise am 28. November 1563 mit einem eigenen Konzil in Frankreich, das über die Bilderfrage entscheiden soll. Gerade diese Drohung unterstreicht die Angst Kardinal Morones vor dem Gallikanismus, dass sich ein Nationalkonzil über die päpstliche Kurie oder ein allgemein katholisches Konzils stellt und er danach strebt, das Konzil schnell abzuschließen.109 Das entworfene Dekret hat daher einen lokalen Anlass, der aus den Bilderunruhen- und zerstörungen in Frankreich resultiert und aus Vorgesprächen von Mitgliedern an der Universität Sorbonne, fasst Jedin zusammen.110
Die Entstehungsfrage mündet daher in die Interpretation und das eine kann nicht vom anderen getrennt betrachtet werden. Zweitens reflektiert das Bilderdekret die vorhergehenden Quellen und setzt sie voraus. Nachdem nun in einem ersten Schritt die Quellen analysiert und kontextuell ausgewertet worden sind, geht es nun in einem zweiten Schritt darum, die Spuren innerhalb des Bilderdekretes als Summe der Quellenkontexte zu identifizieren, das als Seins-System durch die vielen Kontexte neu entsteht und als Objekt ein individuelles Für-Sich-Sein entwickelt, um zu einem An-Sich-Sein für andere Gläubige zu werden (ein Für-Andere-Sein).
1.3.2. Die Interpretation des Bilderdekretes
Das Bilderdekret hat mehr einen praktisch-theologischen als einen dogmatischen Anlass angesichts der Bilderzerstörungen in Frankreich. Deutlich wird das zu Beginn des Dekretes, dass die Bischöfe und diejenigen, die mit Seelsorge und Lehramt beauftragt sind, das Volk über den rechten Gebrauch der Bilder durch das Volk unterrichten sollen.111 Diese Stelle greift die Entscheidung des Religionsgespräches von Poissy auf.
Bilder haben eine mimetische Funktion zum Verinnerlichen der Glaubensartikel und sie erinnern an die biblischen Wunder und Zeugnisse Gottes, die zur Nachahmung, Kontemplation und Anregung des Glaubens anleiten.112
Das verdeutlicht auch, dass die Obrigkeit für die Erziehung und Bildung verantwortlich ist, gemäß ihres göttlich beauftragten Amtes. Es ist gut und nützlich, die Heiligen anzurufen, zur Erlangung der Wohltaten bei Gott und durch den Prototyp des Bildes Jesu Christi.113 Die Bilderverehrung bezieht sich dagegen allein auf den Prototyp des Bildes, den entsprechenden Heiligen, und nicht das Bild selbst. Die Bilder enthalten keine göttliche Kraft, wodurch sich das Bilderdekret vom zweiten Konzil von Nizäa abgrenzt. Die Bilder sind nicht wesensgleich und nicht wesensähnlich mit dem Abgebildeten.114
Zweitens erinnern die Bilder zwar, wie das Sakrament des Abendmahls an die Taten und Passion Christi. Andererseits enthalten sie im Unterschied zur Eucharistie keine Gnade.115 Die Bilder sind gegenüber der Eucharistie zweitrangig.116 Damit schließt das Konzil die Gleichrangigkeit von Bildern und Sakrament im zweiten Konzil von Nizäa aus und weiterhin bestätigt es das exklusive Sakramentsverständnis der Libri Carolini. Andererseits bestätigt das Konzil den Beschluss und die Ansichten von Johannes von Damaskus, dass sich die Bilderverehrung allein auf den Prototyp beziehen soll.117 Die Bilder können Verehrungsriten wie Küssen, Beten und Proskynese empfangen.118
Das Anathem gilt denjenigen, die die Fürsprache der Heiligen und die Mittlerschaft der Heiligen zwischen Gott und den Menschen leugnen.119 Die Bilder sind im Unterschied zu Calvin keine Zeichen, sondern vergegenwärtigen das Göttliche und schließen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie erinnern an die Taten der Heiligen und vergegenwärtigen die vergangene Heilszeit.120
Das Bilderdekret muss in letzter Instanz verabschiedet werden, da der vorsitzende Papst im Sterben liegt, sodass das Konzil auf den 4. Dezember 1563 vorverlegt wird, um einer möglichen Papstwahl durch das Konzil zuvorzukommen.121 Auffällig ist daher auch eine offene Haltung in der Bilderfrage. Beispiele, die sich auf die Nachahmung der Heiligen oder die Missbräuche beziehen, fehlen. Der Text enthält keine festen canones oder doctrina, im Unterschied zum Konzil von Nicäa122, wo die Horen dogmatische Festsetzungen sind und die canones die Inhalte der Dekrete zusammenfassen.
Wahrscheinlich legitimiert sich das Trienter Bilderdekret dadurch, indem es gerade auf Nizäa zurück verweist und die Bilderverehrung als gut und nützlich einstuft. Das Trienter Konzil legt sich nicht fest und überlässt die zukünftige Entwicklung und die Entscheidung über den rechten Gebrauch der Bilder dem Papst.123 Die Missbräuche betreffen die falsi dogmatis aus der Entscheidung der französischen Religionsgespräche. Falsche Bilder, die falschen Glaubensinhalts sind, sind zu vermeiden124, was z.B. trinitarische Darstellungen oder Darstellungen des unsichtbaren Heiligen Geistes sind. Das Göttliche kann nicht ins Bild gesetzt werden und auch nicht mit leiblichen Augen und durch Farben und Figuren ausgedrückt werden, sodass der kreativen Freiheit und der Entstehung von „festem Sein“ durch transzendente Strukturen Grenzen gesetzt werden, um auch dogmatische Entscheidungen und Fundamente zu bewahren.125 Die Bilder dienen der christlichen Verkündigung, sodass sie frei von Irrtümern sein müssen.126 Laszive, obszöne Darstellungen sind verboten und sollen vermieden werden, sowie das Profitstreben durch die Bilder, womit wahrscheinlich die Ablassbilder gemeint sind. Bilder mit reicher Ornamentik mit Gold und Edelsteinen, sowie „verführerischer Schönheit“ sind zu vermeiden. Dazu gehören auch Missbräuche und Exzesse und „Saufgelage“ bei Wallfahrten.127 Diese sind der Würdigkeit der Verehrung der Reliquien und Heiligen nicht angemessen.128 Sie sind profane Elemente und können die Heiligkeit, den abgegrenzten Raum, die Aura der Reliquien und der Wallfahrt stören. Biblisch wird das durch Psalm 92 begründet, dass dem Haus Gottes Heiligkeit und damit Achtung entgegenzubringen ist.129 Verantwortlich für die Umsetzung des Dekretes und die Vermeidung von Tumulten und Anstößigem sind die Bischöfe in den Provinzen selbst, sodass die „Freiheit“ durch verantwortliche Strukturen und Autoritäten begrenzt wird. Zugleich soll kein ungewohntes Bild ohne die Genehmigung des Bischofs aufgestellt werden. Falls es zu Streitfällen und Diskussionspunkten kommt, sollen Bildexperten in eine Kongregation eingeladen werden, um den spezifischen Streitfall innerhalb eines Provinzkonzils mit den anderen Bischöfen der Metropoliten zu klären.130 Im Zweifel soll der Papst, der römische Bischof, im Streitfall entscheiden. Diese Lesart korrespondiert mit dem Beschluss von St. Germain und zweitens indirekt auch mit der der Ordnung der Bilderverehrung durch die Obrigkeit bei Luther. Aber sie ist stärker auf das päpstliche Amt fokussiert, das die letztgültige Entscheidungsgewalt darstellt.131
Dazu eine erste Zusammenfassung, bevor in einem zweiten Teil der praktisch-theologische Hintergrund des Dekretes innerhalb der Volksfrömmigkeit und der jeweiligen Sozialisation der damaligen Individuen gesprochen wird. Das Trienter Bilderdekret ist ein Text, der auf Grundlage mehrerer, legitimierender Schriften und Traditionen entsteht, als Seins-Systeme und Objekte, die in einem Gesamt-Sein kulminieren. Das Dekret entsteht in letzter Instanz, kurz vor dem Schluss des