"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber
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30„Das zeigt sich schroff erst dort, wo sie (die Gesetzesforschung, d. Verf.) beim Menschen anlangt und sein Seelenleben ihr Gegenstand wird. Hier wird sie zur „beobachtenden Psychologie“ (Hegel Zitat). Es ist eine Menge von Gesetzen, die sich hier aufdrängt. Aber die „reale Individualität“ des Bewusstseins fassen sie nicht. Die Welt des Individuums ist nicht nur tief innerlich und verwickelt, sondern auch „zweideutig“: Individuum und Welt „modifizieren“ sich wechselseitig.“ Nicolai Hartmann, G. W. Fr. Hegel, Berlin 1929, S. 115.
31Nach Hubert Rohracher könnte man hier die psychischen Funktionen, wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken und sodann die psychischen Kräfte, wie Trieb Gefühl und Wille nennen. Ders., Einführung in die Psychologie, 9. Aufl., Wien 1965, S. V-VII.
32Ders., Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 3. Teil, S. 13 f.
33Laut dem „Neuen Brockhaus“ (3. Aufl., Wiesbaden 1959) werden darunter (nach Franz Mesmer, 1734-1815, auf den Hegel weiter unten eingeht) von Menschen ausstrahlende (Heil-) Kräfte verstanden.
34Ders., Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 3. Teil, a. a. O., S. 13 ff.
35Diese Rückkehr zur Einheit geschieht in der Philosophie des Geistes und was die Persönlichkeit des Einzelnen betrifft, im philosophischen Erkennen des „subjektiven Geistes“.
36Dies mag am Beispiel der modernen Gemeinde verdeutlicht werden. Man kann zum Zweck der Bildung einer Theorie der modernen Gemeinde als Ausgangspunkt den Gemeindebegriff nehmen, wie er im Gemeinde- und Staatsrecht verankert ist. Sodann kann man die Gemeinde in die verschiedenen (besonderen) rechtlichen Sphären einteilen, um so zu einer vollständigen Theorie der Gemeinde im Sinne eines rechtlichen Gebildes zu kommen. Doch mit einer solchen Abstraktion würde man nach Hegel die moderne Gemeinde als ein lebendiges konkretes Ganzes nicht erfassen; ist sie doch auch ein politisches, administratives und ökonomisches Gebilde. Um nun die moderne Gemeinde als das zu erfassen, was sie ihrem Wesen nach ist, gilt es herausfinden, was ihr normatives, ihr sittliches Grundprinzip, ihre „Idee “, ist. Ihre Idee würde nach Hegel in der Freiheit vom und in der Freiheit im Staat, kurz, in der kommunalen Selbstverwaltung bestehen. Das Walten dieser sittlichen Idee muss jedoch im Einzelnen im Gemeinde- und Verfassungsrecht, im Wissen und der Gesinnung der Bürger und in der Wirklichkeit der Gemeinde, also im Handeln des Gemeindevorstandes, der Verwaltung, der Bürger nachgewiesen und begrifflich dargestellt werden. Darüber hinaus ist die Idee der Gemeinde im Verhältnis einer Gemeinde zu anderen, im Gemeindewesen des modernen Staates überhaupt und in der Geschichte von Gemeinde und Staat ebenfalls zu verfolgen und begrifflich darzustellen. Zu einer solchen philosophischen Theoriebildung müssen, wie erwähnt, die Ergebnisse der „abstrakten“ Gemeindewissenschaften einbezogen und „aufgehoben“, in dem Sinne, dass sie „negiert“, „bewahrt“ und „erhöht“ werden. Die philosophische Theorie der teilweise autonomen Gemeinde stellt diese nicht nur als eine Wirklichkeit dar, sondern sie beweist auch, dass sie im modernen Staat notwendig und vernünftig ist.
37Um z. B. zum Begriff der christlichen Religion zu gelangen, bedarf es empirischer und vergleichender Forschungen zu den einzelnen Religionen. Durch Abstraktion wird dann ein allgemeiner Religionsbegriff und in weiteren Schritten der Begriff der christlichen Religion gewonnen. Ein Schritt darüber hinaus wäre dann derjenige hin zu dem subjektiven (und zugleich objektiven), also zum spekulativen Begriff der christliche Religion, der das, was, die christliche Religion ihrem Wesen nach und damit das ausmacht, was alle christlichen Gemeinden und ihre Mitglieder vereinigt. In einem weiteren Schritt gilt es, die Idee der christlichen Religion als eine Einheit von Glaubensprinzipien und ihrer Objektivierung und Verwirklichung in der Welt zu verfolgen und begrifflich darzustellen. Das betrifft die Riten, die normativen Ordnungen (z. B. das Kirchenrecht), die Organisation (z. B. die Kirche), die einzelnen Gemeinden und schließlich das religiöse Leben des Einzelnen. Erkennen lassen muss nach Hegel diese Darstellung der Idee der christlichen Religion, dass sie ein notwendiges und vernünftiges Moment der Wirklichkeit im modernen Staat ist, obwohl Staat und Religion voneinander getrennt sind.
38Der Geist bildet, wie sich Hegel verstehen lässt, jeweils den theoretischen Bezugsrahmen, den gemeinsamen Gegenstand, der einzelnen Geisteswissenschaften, die sich innerhalb desselben entfalten müssen.
39Der theoretisch-spekulative Begriff ist demnach, wie erwähnt, mit dem Begriff, der nach Hegel den Gegenstand bewegt, identisch. Er ist demnach nicht der Begriff, der von außen durch Abstraktion gewonnen wird, also im Sinne einer „abstrakten Allgemeinheit“ oder einer „allgemeinen Vorstellung“. Aber als ein tätiges, dem Gegenstand, den Dingen, innewohnendes Prinzip ist er nach Hegel auch nicht, wie schon bemerkt, dem natürlichen Sprachgebrauch völlig fremd.
40Nach Hegel bestimmt der Gegenstand die Methode und die Kategorien, durch die, bzw. in denen er erkannt wird. Die Kategorien müssen dem Gegenstand angemessen, dürfen also nicht nur subjektiv und willkürlich, sein. Was die Methode betrifft, um das herauszufinden, was der Gegenstand in Wahrheit ist, dazu als Beispiel folgende sehr grobe Skizze: Im frühfeudalen Grundeigentum waren die unmittelbaren Produzenten, die für den freien Grundherrn (und Krieger) eine Grundrente erarbeiten und erwirtschaften mussten, Leibeigene. Dies war noch ein Zustand relativer gesellschaftlicher Unterschiedslosigkeit (Undifferenziertheit), der jedoch einen Widerspruch enthielt. Denn die unmittelbaren Produzenten, die leibeigenen Knechte, wurden von den Priestern der sich entwickelnden Kirche im christlichen Glauben sozialisiert, nach dem, Hegel zufolge, jeder Mensch als ein solcher frei ist. Und dieser Glaube stand im Widerspruch zur Leibeigenschaft. Die Freiheit, die das Christentum lehrte, versprachen die teils von geistlichen, teils von weltlichen Herren gegründeten und von ihnen sodann verwalteten Städte. In den Städten, in die viele Leibeigene strömten und sie wachsen ließen, bildete sich ein freies Stadtbürgertum in Gestalt vor allem von Handwerkern und ihren Vereinigungen, den Zünften, heraus, und alsbald befreiten sich die Städte von ihren Herren und gaben sich eine eigene Verfassung und Regierung. Geboren war damit die relativ autonome Stadt des Mittelalters, die eine Vorgängerin des modernen Staates werden sollte. Kurz, es war ein wirklicher Unterschied von Stadt und Land eingetreten, der begrifflich auch dementsprechend entfaltet werden muss. Doch das Gebiet, das Stadt und Land einschloss, entwickelte sich in der Folge zum Territorialstaat als ein Teil des formal übergeordneten Reiches. Damit wurde den Städten wieder die Autonomie genommen. Dieser Einbuße an Gemeindefreiheit stand eine größere Sicherheit und damit Freiheit für den Einzelnen innerhalb der entstandenen Staatsgebiete und des Reichsgebiets gegenüber, und in den Städten konnten sich, infolge einer Vereinheitlichung von Recht