"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber

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auf der höchsten Spitze ihrer Erhebung über die Endlichkeit (der Reproduktion, d. Verf.) wieder in diese zurück und stelle somit nur einen beständigen Kreislauf dar. Auch der durch den Widerspruch der Einzelheit und der Gattung notwendigerweise herbeigeführte Tod bringe gleichfalls nicht - weil er nur die leere selbst in der Form der unmittelbaren Einzelheit erscheinende, vernichtende Negation der Einzelheit, aber eben nicht deren erhaltende Aufhebung sei - die an und für sich seiende Allgemeinheit (einen objektiven Geist, d. Verf.) oder die an und für sich seiende Einzelheit, die Subjektivität, die sich selber zum Gegenstand hat (ein Ich, der. Verf.), hervor. Auch in der am meisten vollendeten Gestalt, zu der sich die Natur erhebe, also im tierischen Leben, gelange der Begriff77 nicht zu einer Wirklichkeit, die seinem Wesen als Seele 78 entspricht, nicht zur völligen Überwindung der Äußerlichkeit und Endlichkeit seines Daseins. Dieses geschehe erst im Geist, der eben durch diese in ihm selbst zustande kommende Überwindung sich selber von der Natur unterscheide, so dass diese Unterscheidung nicht bloß das Tun einer äußeren Reflexion über das Wesen des Geistes sei.

      Diese zum Begriff des Geistes gehörende Aufhebung der Äußerlichkeit ist das, was Hegel die Idealität des Geistes nennt.79 Alle Tätigkeiten des Geistes seien nichts als verschiedene Weisen, wie die Äußerlichkeit in die Innerlichkeit, die der Geist selbst sei, zurückgeführt wird. Nur durch diese Idealisierung oder Assimilation des Äußerlichen werde er Geist und sei er Geist. Die Zurückführung des Äußerlichen auf das Innerliche findet, wie sich Hegel verstehen lässt, vor allem durch die Sprache statt, und zwar durch die Alltagssprache bis hin durch die Sprachen der Wissenschaften, der Religion, der Dichtung und der Literatur.80

      Betrachtet man den Geist etwas näher, so ergebe sich, Hegel zufolge, als seine erste und einfachste Bestimmung, dass er ein Ich ist. Das Ich sei ein vollkommen Einfaches und Allgemeines. Sagen wir Ich, so würden wir wohl ein einzelnes Ich meinen, weil aber jeder ein Ich sei, würden wir damit nur etwas ganz Allgemeines ausdrücken.81 Die Allgemeinheit des Ichs bedeute, dass es von allem, selbst von seinem Leben abstrahieren kann. Der Geist sei aber nicht bloß das abstrakt Einfache, wenn von der Einfachheit der Seele im Gegensatz zur Zusammengesetztheit des Körpers die Rede war, sondern er sei trotz seiner Einfachheit ein in sich Unterschiedenes-, setze doch das Ich sich selbst gegenüber, mache es sich doch zu seinem Gegenstand und kehre aus diesem jedoch erst abstrakten und noch nicht konkreten Unterschied zur Einheit mit sich zurück. Dieses Bei-sich-selbst-sein des Ichs in seiner Unterscheidung mache die Unendlichkeit oder Idealität des Ichs aus.82 Diese Idealität würde sich aber erst bewähren in der Beziehung des Ichs zu dem ihm gegenüberstehenden, unendlich mannigfaltigen Stoff. Indem das Ich diesen Stoff erfasst, werde dieser von der Allgemeinheit des Ichs zugleich “vergiftet“ und “verklärt“, verliere sein vereinzeltes, selbständiges Bestehen und erhalte ein geistiges Dasein.83 Das Ich erfasst den Stoff, wie sich Hegel verstehen lässt, nur im Medium der Sprache.84 Und je nachdem mit welchem Sprachsystem, Wort- und Bedeutungsfeld, das Ich sich einem Stoff nähert, wird dieser, in den Worten Hegels, “vergiftet“ oder “verklärt“. So “vergiftet“ ein Geschäftsmann einen Wald, indem er ihn dem System der praktischen kommerziellen Sprache unterwirft, ihn damit lediglich als Roh- oder Brennstofflieferant betrachtet, ihn folglich abholzen lässt, um ihn als Ware zu verkaufen. Mit einer ganz anderen Sprache nähert sich dagegen demselben Wald ein romantischer Dichter, erfasst ihn in seiner Sprache und “verklärt“ ihn in seinem Gedicht. Geht man davon aus, dass jede Sprache die Intention eines Subjektes, sei es einer Gruppe, eines Volkes oder sei es einer Gesellschaft, einschließt, so übernimmt jeder, der diese Sprache erwirbt, stillschweigend die Intentionen85, die in ihr enthalten sind.

      Aufgrund der unendlichen Mannigfaltigkeit seiner Vorstellungen werde der Geist, so Hegel, daher nicht aus seinem Beisichsein in ein räumliches Außereinander hineingetrieben, vielmehr würde sein einfaches Selbst in ungetrübter Klarheit jede Mannigfaltigkeit durchdringen und diese zu keinem selbständigen Bestehen kommen lassen. Alles, was von außen, dem räumlichen Außereinander, auf das Individuum einströmt, wird von diesem, wie sich Hegel verstehen lässt, durch die Sprache in seine Vorstellungen aufgenommen und wird damit ein raumloser Inhalt im Prozess der geistigen Verarbeitung.

      Der Geist als ein endlicher Geist (als Beispiel könnte man einen Naturforscher anführen, d. Verf.) würde sich, so Hegel, nicht damit begnügen, durch seine vorstellende (der Anschauung folgenden, d. Verf.) Tätigkeit die Dinge (eingeordnet in einen bestimmten sprachlichen Bezugsrahmen, d. Verf.) in die Sphäre seiner Innerlichkeit zu versetzen und ihnen somit ihre Äußerlichkeit zu nehmen, vielmehr würde er als religiöses Bewusstsein durch die scheinbar absolute Selbständigkeit der Dinge zu der in ihrem Inneren wirksamen, alles zusammenhaltenden, unendlichen Macht Gottes dringen. Und als philosophisches Denken würde er jene Idealisierung der Dinge dadurch vollenden, dass er die bestimmte Weise erkennt, wie die ihr gemeinsames Prinzip bildende ewige Idee sich in ihnen darstellt. Durch diese Erkenntnis komme die schon im endlichen Geist sich betätigende idealistische Natur des Geistes zu ihrer vollendeten und konkretesten Gestalt, mache sich der Geist zu der sich selbst vollkommen erfassenden wirklichen Idee und damit zum absoluten Geist. Aber auch schon im endlichen Geist, wie er z. B. in den einzelnen Naturwissenschaften herrscht, beginnt, nach Hegel, bereits eine Rückkehr des Geistes aus der Natur, seiner äußersten Entäußerung, aber erst im absoluten Geist, also in der Naturphilosophie, vollendet sie sich. Denn erst im absoluten Geist, so Hegel, erfasse sich die Idee weder nur in der einseitigen Form des (subjektiven, d. Verf.) Begriffs oder der Subjektivität noch auch in der ebenso einseitigen Form der Objektivität oder der Wirklichkeit, sondern in der vollkommenen Einheit dieser ihrer unterschiedlichen Momente, d. h. in ihrer absoluten Wahrheit.

       Das Hervorgehen des Geistes aus der Natur

      Was Hegel oben über die Natur des Geistes gesagt hat, müsste, ihm zufolge, allein durch die Philosophie erwiesen werden, sei ein Erwiesenes und bedürfe einer Bestätigung durch unser gewöhnliches Bewusstsein nicht.86 Insofern aber unser nichtphilosophisches Denken darauf angewiesen ist, sich vom entwickelten Begriff des Geistes eine Vorstellung zu machen, könne daran erinnert werden, dass auch die christliche Theologie Gott, d. h. die Wahrheit, als Geist auffasst und diesen nicht als ein Ruhendes, in einem leeren Einerlei Verbleibendes, sondern als ein solches betrachtet, das notwendig in einen Prozess eintritt, in dem es sich von sich selbst unterscheidet, sein Anderes setzt und erst durch dieses Andere und die Aufhebung desselben zu sich selber kommt. Die Theologie würde in der Weise der Vorstellung diesen Prozess bekanntlich so ausdrücken, dass Gott der Vater (dieses einfach Allgemeine, Insichseiende), seine Einsamkeit aufgibt und die Natur (das Sichselbstäußerliche, Außersichseiende) erschafft, sodann einen Sohn (sein anderes Ich) erzeugt, in diesem Anderen aber kraft seiner unendlichen Liebe sich selbst anschaut, sein Ebenbild erkennt und in diesem zur Einheit mit sich zurückkehrt. Diese sei nicht mehr eine abstrakte, unmittelbare, sondern eine konkrete, durch den Unterschied vermittelte Einheit, es sei der vom Vater und vom Sohne ausgehende, in der christlichen Gemeinde zu seiner vollkommenen Wirklichkeit und Wahrheit gelangende Heilige Geist. Als solcher müsse Gott erkannt werden, soll er in seiner absoluten Wahrheit, als an und für sich seiende Idee, in der vollen Übereinstimmung seines Begriffs und seiner Wirklichkeit erfasst werden.

      Da die Beziehungen zwischen Natur und Geist, Hegel zufolge, häufig missverstanden worden seien, kehrt er noch einmal zu diesem Punkt zurück.87 Der Geist, so erläutert er, negiere die Äußerlichkeit der Natur, assimiliere sich die Natur und idealisiere sie dadurch. Diese Idealisierung (die Aufhebung ihrer Äußerlichkeit, d. Verf.) habe im endlichen Geist, der die Natur außer sich setze, eine einseitige Gestalt. Hier stehe nämlich der Tätigkeit unseres Willens und unseres Denkens ein äußerlicher Stoff gegenüber, der sich gegenüber der Veränderung, die wir mit ihm vornehmen, gleichgültig verhalte, mehr noch, die ihm zuteilwerdende Idealisierung als leidend erfahre. Man kann hier als Beispiel ein Rind anführen, das als Nutztier, schlimmer noch, als bloßes Produktionsmittel bezeichnet, verstanden und dementsprechend behandelt wird. Bei dem die Weltgeschichte

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