"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber
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Das Erste in der Anthropologie sei, so Hegel, also die qualitativ bestimmte, an ihre Naturbestimmungen gebundene Seele (zu der, ihm zufolge, z. B. die rassischen Verschiedenheiten gehören). Aus diesem unmittelbaren Einssein mit ihrer Natürlichkeit trete die Seele in den Gegensatz, in den Kampf, zu jener. Dazu würden die Zustände der Verrücktheit und des Somnambulismus gehören. Diesem Kampf folge der Sieg der Seele über ihre Leiblichkeit und die Herabsetzung der Leiblichkeit zu einem bloßen Zeichen, zur Darstellung der Seele. Auf diese Weise trete die Idealität der Seele in ihrer Leiblichkeit hervor, werde diese Realität des Geistes (also die Leiblichkeit, d. Verf.) auf eine noch leibliche Weise ideell gesetzt.
Das Bewusstsein
In der Phänomenologie des Geisteszeigt Hegel, wie sich die Seele durch die Negation ihrer Leiblichkeit, zur reinen ideellen Identität mit sich erhebt, Bewusstsein, ein Ich wird und ihrem Anderen (ihrer Leiblichkeit, d. Verf.) gegenüber für sich wird.173 Aber dieses erste Für-sich-Sein des Geistes sei noch durch das Andere, also die Leiblichkeit, von der der Geist herkomme, bedingt. Das Ich sei hier noch vollkommen leer, eine ganz abstrakte Subjektivität. Es setze allen Inhalt des unmittelbaren Geistes (gemeint ist offensichtlich der Inhalt der sinnlichen Empfindungen, d. Verf.) außer sich und beziehe sich auf den Inhalt als eine vorgefundene Welt.174 So werde dasjenige, was zunächst nur unser Gegenstand war, zwar dem Geist selber zum Gegenstand, das Ich wisse aber noch nicht, dass das, was ihm gegenübersteht, der natürliche Geist selber ist. Mit anderen Worten, das Bewusstsein des Einzelnen unterscheidet sich in ein “leeres“ Ich einerseits und eine ihm gegenüberstehende Welt als eine Vielfalt einander abwechselnder sinnlicher Eindrücke andererseits, die das Ich vollständig gefangen nehmen. Und das Ich weiß noch nicht - im Gegensatz zu dem Betrachter -, dass es der natürliche Geist im Individuum selbst ist, der diese sinnliche Welt, wie sie dem Ich unmittelbar gegenübersteht, hervorbringt.
Das Ich sei daher, wie Hegel fortfährt, obwohl es etwas für sich sei, zugleich nicht für sich, weil es nur auf ein Anderes, ein (sinnlich, d. Verf.) Gegebenes, bezogen sei. Die Freiheit des Ichs sei folglich nur eine abstrakte, bedingte und relative Freiheit. Zwar sei der Geist hier nicht mehr wie zuvor175 in die Natur versenkt, sondern in sich reflektiert176 und auf dieselbe bezogen, erscheine aber nur, stehe nur in Beziehung zur Wirklichkeit, sei aber noch nicht wirklicher Geist. Deshalb nennt Hegel den Teil der Wissenschaft, in dem diese Form des Geistes betrachtet wird, Phänomenologie, Erscheinungslehre des Geistes.177
Das Selbstbewusstsein
Indem das Ich sich in seiner Beziehung zu Anderem auf sich selbst zurückbeugt178, wird es nach Hegel Selbstbewusstsein.179 In dieser Form wisse das Ich sich zunächst nur als das unerfüllte Ich und allen konkreten Inhalt als ein Anderes (so die Dinge, die Gegenstand der Begierde sind, aber auch andere Menschen, die gleichermaßen beanspruchen, ein Ich zu sein, d. Verf.). Die Tätigkeitdes Ichs bestehe hier darin, die Leere seiner abstrakten Subjektivität zu füllen, das Objektive in sich hineinzubilden und das Subjektive dagegen objektiv zu machen.180 Dadurch hebe das Selbstbewusstsein, also das seiner selbst bewusste Ich, die Einseitigkeit seiner Subjektivität auf, trete aus seiner Besonderheit, aus seinem Gegensatz zum Objektiven, heraus, komme zu der beide Seiten umfassenden Allgemeinheit und stelle in sich die Einheitseiner selbst mit dem Bewusstsein dar. Denn der Inhalt des Geistes werde hier ein objektiver Inhalt, wie im Fall des Bewusstseins, und zugleich, wie im Fall des Selbstbewusstseins, ein subjektiver Inhalt.181 Dieses allgemeine Selbstbewusstsein sei an sich oder für uns (die Betrachtenden, d. Verf.) Vernunft, doch erst im dritten Teil der Wissenschaft vom subjektiven Geist werde die Vernunft sich selbst gegenständlich. Im Fall des Selbstbewusstseins geht es, worauf noch unten im Einzelnen eingegangen werden wird, um den Vorgang der Vergesellschaftung, d. h. den Kampf des einen Selbstbewusstseins gegen ein anderes um Anerkennung, ein Kampf, der als Resultat ein System gegenseitiger Anerkennung (das als allgemeines Selbstbewusstsein objektiv und subjektiv gegeben ist, d. Verf.) hervorbringt.
Der Geist
Die dritte Hauptform des subjektiven Geistes, die Hegel unter der Überschrift “Psychologie“ abhandelt, ist der Geist als solcher, wie er sich in seinem Gegenstand nur auf sich selber bezieht.182 Der Geist habe es dabei nur mit seinen eigenen Bestimmungen zu tun, habe seinen eigenen Begriff erfasst und komme so zur Wahrheit. Denn nun sei die in der bloßen Seele noch unmittelbare, abstrakte Einheit des Subjektiven und des Objektiven und dadurch, dass sodann der im Bewusstsein entstehende Gegensatz zwischen dem Subjektiven und Objektiven aufgehoben wird, nunmehr die Einheit als eine vermittelte wieder hergestellt. Die Idee des Geistes gelange also aus der ihr widersprechenden Form des einfachen Begriffs (also der Seele, d. Verf.) und der ihr ebenso widersprechenden Trennung ihrer Momente (also im Bewusstsein, das als Gegensatz von Subjekt und Objekt gegeben ist d. Verf.) zur vermittelten Einheit und somit zur wahren Wirklichkeit. In dieser Gestalt sei der Geist die für sich selbst seiende Vernunft. Geist und Vernunft stünden zueinander in einem solchen Verhältnis wie Körper und Schwere, wie Wille und Freiheit. Demnach gibt es nach Hegel ebenso wenig einen Geist ohne Vernunft wie es einen Willen ohne Freiheit gibt. Die Vernunft bilde, so Hegel, die substanzielle Natur des Geistes und sei nur ein anderer Ausdruck für die Wahrheit oder die Idee, die das Wesen des Geistes ausmache. Aber erst der Geist als solcher wisse, dass seine Natur die Vernunft und die Wahrheit ist.
Der Geist, der beide Seiten, nämlich die Subjektivität und die Objektivität, umfasse, setze sich, so Hegel, zum einen in der Form der Subjektivität, und so sei er Intelligenz und zum anderen in der Form der Objektivität, und so sei er Wille. Die zunächst auch selbst noch unerfüllte Intelligenz hebe ihre dem Begriff des Geistes unangemessene Form der Subjektivität auf, indem sie den ihr gegenüber stehenden, noch mit der Form des bloßen Gegebenseins und der Einzelheit behafteten objektiven Inhalt (z. B. ein gegebener Staat, d. Verf.), nach dem absoluten Maßstab der Vernunft misst, diesem Inhalt die Vernünftigkeit antut, die Idee in ihn einbildet, ihn damit zu einem konkret Allgemeinen183 verwandelt und so in sich aufnimmt.184 Dadurch komme die Intelligenz dahin, dass das, was sie weiß, nicht nur eine Abstraktion, sondern der objektive Begriff ist. Und andererseits verliere der Gegenstand dadurch die Form eines Gegebenen und bekomme die Gestalt eines dem Geist selber angehörenden Inhalts (also einer wissenschaftlichen Theorie, d. Verf.).185
Indem die Intelligenz aber zum Bewusstsein gelangt, dass sie den Inhalt aus sich selbst schöpft, werde sie zu dem nur sich selber zum Zweck setzenden praktischen Geist. Sie werde zum Willen, der nicht, wie die Intelligenz, mit einem von außen her gegebenen Einzelnen, sondern mit einem solchen Einzelnen anfängt, das er als das Seinige weiß.186 Diesen Inhalt, nämlich die Triebe und die Neigungen, beziehe er, indem er sich in sich reflektiert (sich selbst zum Gegenstand des Nachdenkens macht, d. Verf.), zunächst auf ein Allgemeines (so die Glückseligkeit, d. Verf.), um sich dann am Ende zum Wollen des an und für sich Allgemeinen, der Freiheit, eben seines Begriffs zu erheben. Einmal an diesem Ziel angekommen, sei der (subjektive, d. Verf.)