Wichita Western Sammelband 4016 - 5 Romane um Colts, Cowboys und Banditen. R. S. Stone
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»Vandergroot, tun Sie sich selbst einen großen Gefallen und gehen zurück an den Tisch. Trinken Sie einen, und dann ist die Welt wieder in Ordnung. Aber lassen Sie mich in Frieden.«
Mit diesen Worten drehte sich Brazos McCord einfach wieder um und nahm Front zur Theke. Er verspürte nicht die geringste Lust auf Ärger, wollte einfach nur seine Ruhe haben.
Rechtsanwalt Vandergroot allerdings schien die Sache anders anzusehen. Mit einem Satz war er an Brazos McCord heran, riss ihn an der Schulter zu sich herum. Seine glasigen Augen nahmen in dieser Sekunde einen jähzornigen Ausdruck an.
»Wagen Sie nicht noch mal, mir den Rücken zuzuwenden, Sie Rüpel.«
Der Mann wollte einfach keine Ruhe geben, auch gut. Brazos verschaffte sich rasch Abhilfe des Problems. Mit einer blitzschnellen Handbewegung fegte er Vandergroots Hand von der Schulter, die sich dort festgekrallt zu haben schien. Fast synchron kam dann eine klatschende Ohrfeige, die Brazos mit der anderen Hand seinem Widersacher verabreichte. Das knallte laut, und Vandergroots Kopf flog zur Seite.
Im Saal war es plötzlich mucksmäuschenstill. Sämtliche Augenpaare richteten sich auf die Szenerie vor dem Tresen. Brazos beachtete sie nicht. Seine zusammengezogenen Augen waren auf Vandergroot fixiert, der sich die puterrot anlaufende Wange hielt und sein Gegenüber dabei fassungslos anstarrte anstarrte.
»Sie … Sie haben mich geohrfeigt«, stellte er dabei fest.
In diesem Moment schaffte Brazos McCord ein breites Grinsen. »Sorry, Kumpel, aber so langsam gehst du mir mächtig auf die Nerven. Und nun setz dich brav an den Tisch. Du willst doch sicher nicht, dass ich dir ernstlich weh tue, oder?«
Vandergroot setzte zu einer Antwort an, zu der es nicht mehr kommen sollte.
Schüsse krachten, Schreie drangen vom Oberdeck in den Salon. Kurz darauf erfolgte eine heftige Detonation, die das ganze Schiff erzittern ließ. Die Kronleuchter an der Decke begannen gefährlich zu wackeln. Die Schüsse wurden heftiger, Brazos glaubte, ein Schnellfeuergewehr in Aktion zu hören. Wahrscheinlich eine Gatling. So jedenfalls klang es in seinen Ohren. Die Hölle schien an Deck loszubrechen.
Jemand schrie: »Überfall! Überfall! Das Schiff wird überfallen!«
Eine andere drang dazwischen: »Feuer! Feuer! Das Schiff brennt!«
Im Saal brach ein höllischer Tumult aus. Die Menschen fingen hysterisch an zu schreien. Gläser und Flaschen kippten von den Tischen. Stühle polterten zu Boden. Mitten in diesem Tohuwabohu stürmte Brazos McCord los. Er stieß dabei Vandergroot zur Seite, der die Balance verlor und der Länge nach auf dem Teppich landete, erreichte das Zwischendeck und hetzte die gewundene Holztreppe zum Oberdeck hinauf.
Und dort war wahrhaftig die reinste Hölle los.
Flammen fraßen sich am Vorderdeck entlang, dichter Qualm stieg ihm in die Nase. Überall blitzen Mündungslichter auf, das Knattern der Schnellfeuerkanone lärmte in seinen Ohren. Männer schrien umher, er sah einen Matrosen taumeln und auf die Planken stürzen. Gestalten enterten über die Reling und huschten in Windeseile an Bord, begleitet von den mörderischen Garben der Schnellfeuerkanone. Erst jetzt erkannte Brazos McCord das Boot, auf dem sich die Drehkanone befand, die ihre unaufhörliche Bleisaat zur Sweet Travelling herübersandte, während immer mehr Männer über die Reling stürmten und sich gegen die vollkommen unterlegene Mannschaft der Sweet Travelling stellten.
Diesen Kampf kann die Sweet Travelling nie und nimmer bestehen!, schoss es durch Brazos McCords Kopf. Die Frage nach dem Wieso und Weshalb stellte sich erst gar nicht. Jetzt war wichtig, zu retten, was zu retten war.
Vor ihm tauchte die Gestalt eines riesenhaften Kerls auf. Brazos sah das Messer in dessen Hand zu einem vernichtenden Hieb gegen ihn ausholen. Brazos McCords Remington bellte auf und schickte den Burschen mit einem Schuss auf die Planken. Er achtete nicht weiter auf den Mann, stürmte zum Achterdeck, wo sich ein einzelner Mann gegen eine Übermacht stellte, die von dort an Bord gelangen wollte. Es war der Bootsmann Goodnight, dessen Hammerfäuste immer wieder die Angreifer von der Reling schlugen.
Querschläger jaulten an Brazos vorbei und klatschten ins Holz. Beinahe wäre er von einem getroffen worden. Die Kugel schlug gegen ein Metallrohr und verfehlte ihn um Haaresbreite. Brazos stieß einen wilden Fluch aus und lief weiter. Noch im Laufen jagte er Schuss um Schuss aus seiner Remington. Einige der Enterer rissen die Arme in die Höhe und kippten von der Reling ins Wasser. Neben ihm sackte eine Gestalt getroffen zusammen, zwei weitere stürzten über Bord. Wieder schlug Goodnight einen Mann von der Reling. Dann traf den bulligen Bootsmann etwas an den Kopf. Der Mann kippte nach vorn und verlor den Halt.
Brazos war zu weit weg, um dem Bootsmann noch hätte helfen zu können. Er stieß einen wilden Fluch aus, als er sah, wie Goodnight über Bord ins Wasser stürzte.
Das feindliche Boot war bereits ganz dicht seitlich am Achterdeck der Sweet Travelling angelangt. Die Zwillingsläufe der Drehkanone richteten sich auf und nahmen Ziel auf das Steuerhaus. Kaum war sich Brazos dieser Aktion bewusst, als er hilflos mitansehen musste, wie zwei volle Garben aus der Drehkanone ins Steuerhaus schmetterten und es buchstäblich in Fetzen schossen. Dabei erwischte es auch Kapitän Biggelow, der von mehreren Schüssen gleichzeitig getroffen, wie eine zappelnde Puppe hin und her geschleudert wurde und in grotesker Haltung über dem Ruder zusammenbrach. Wahrscheinlich hatte er noch versucht, die Sweet Travelling aus der Gefahr zu manövrieren.
Gallige Wut keimte in Brazos auf. Er schoss noch einen Angreifer von der Reling. Dann stieß der Hammer auf eine leere Patrone. Aber auch die Männer an der Drehkanone mussten nachladen.
Brazos schlug die Trommel auf, stieß die verschossenen Hülsen aus den Kammern. In Windeseile munitionierte er wieder auf. Die Patronen aus den Gurtschlaufen flogen förmlich in die Kammern. Mit dem Handballen schlug er die Trommel zu, während er den Luftzug einer vorbeipfeifenden Kugel an seiner Wange spürte. Wieder war das verdammt nah gewesen. Er schnellte herum, erkannte einen Mann, der bereits ein Bein über die Reling geschwungen hatte und mit dem Colt in seine Richtung zielte. Brazos kam ihm zuvor. Der Remington ruckte in der Faust, und der Mann kippte mit schrillem Schrei nach hinten, überschlug sich und landete kopfüber im Wasser.
Wieder schnellte Brazos herum in Richtung des feindlichen Bootes. Auch hier hatten sich die beiden Kerle an der Gatling tüchtig ins Zeug gelegt, um sie neu aufzumunitionieren, damit weitere todbringende Garben zur Sweet Travelling fliegen konnten. Brazos jagte sein heißes Blei in ihre Richtung und holte das Duo nacheinander vom Boot. Doch kaum waren sie im Wasser gelandet, als schon zwei weitere Gestalten auf dem Boot auftauchten, die sich der Gatling bedienten.
Verdammte Kerle! Der Spaß soll euch noch vergehen!, jagte es es voller Wut durch Brazos‘ Kopf. Sofort nahm er die beiden Männer aufs Korn. Ein Schuss krachte hinter ihm. Das Geschoss donnerte nicht mal einen Zollbreit neben ihm neben ihm ins Holz. Noch während die Splitter zu ihm aufflogen, warf er sich herum. Zwei Gestalten tauchten von der Treppe zum Maschinenraum her auf. Der eine war Cole Ketchum. Den anderen kannte er nicht. Das war auch im Augenblick nicht wichtig. Denn beide hatten Revolver in den Fäusten und es auf ihn abgesehen. Brazos feuerte in schneller Folge. Er erwischte den Burschen neben Ketchum. Mit einem Schrei brach der Mann auf der letzten Stufe zusammen und knallte mit dem Kopf aufs Deck. Ketchum zog den Kopf ein, erwiderte das Feuer. Er nahm die letzte Stufe, sprang über den Gefallenen hinweg und schoss nochmals auf Brazos. Aber er zielte zu hastig. Sowohl die erste, als auch die zweite Kugel aus seiner Waffe flogen weit am Ziel vorbei. Brazos drückte ab. Aber auch er fehlte, wenngleich ziemlich knapp. Das Geschoss des Remingtons pflügte haarscharf über Coles Kopf hinweg und zog ihm einen Scheitel.
Plötzlich