Gesammelte Erzählungen. Jules Verne
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Um die Liste unserer Reiseartikel vollständig zu geben, nenne ich noch eine Reiseapotheke mit stumpfen Scheren, Schienen für einen Bruch, ein Stück Band von rohem Garn, Binden und Bäuschchen, Fontenelle, ein Aderlaßbecken, ganz erschreckliche Dinge; ferner eine Anzahl Fläschchen mit Dextrin, Wundspiritus, Bleiessig, Aether, Essig und Salmiak, lauter Arzneimittel, die wenig beruhigen konnten; endlich den nötigen Stoff für einen Ruhmkorff’schen Apparat.
Mein Oheim vergaß auch nicht Tabak, Schießpulver und Zunder, desgleichen einen ledernen Gurt, welchen er um die Hüften trug, mit hinreichendem Vorrat an Gold, Silber- und Papiergeld. Tüchtige Schuhe, die durch einen Überzug von Teer und elastischem Gummi wasserdicht gemacht waren, befanden sich, und zwar sechs Paare, unter dem Geräte.
»Also ausgestattet und versehen, sagte mein Oheim, hat man keinen Grund, eine weite Reise zu scheuen.«
Der 14. wurde ganz dazu verwendet, diese verschiedenen Gegenstände zu ordnen. Am Abend speisten wir bei dem Baron Trampe in Gesellschaft des Bürgermeisters von Reykjawik und des Doktors Hyallalin, dem obersten Arzt des Landes. Herr Fridrickson befand sich nicht unter den Gästen; später hörte ich, er sei mit dem Statthalter über einen Punkt der Verwaltung gespannt, und sie besuchten sich daher nicht. Es ging mir also die Gelegenheit ab, ein Wort von dem, was bei dieser halb-offiziellen Mahlzeit gesprochen wurde, zu verstehen. Ich bemerkte nur, daß mein Oheim fortwährend sprach.
Den folgenden Tag, am 15., wurden die Vorbereitungen fertig. Unser Wirt machte dem Professor eine große Freude, indem er ihm eine Karte von Island zustellte, die ohne Vergleichung vollständiger war, als die Henderson’sche, nämlich die von Olaf Nicolas Olsen, im Maßstabe von 1: 480.000, welche von der isländischen literarischen Gesellschaft nach den geodätischen Arbeiten Scheel Frisac’s und der topographischen Aufnahme von Bjorn Gumlaugsonn herausgegeben worden war. Es war für einen Mineralogen ein kostbares Dokument.
2 Der Ruhmkorff’sche Apparat besteht in einer Volta’schen Säule, welche durch geruchloses Potasche-Bichromat in Tätigkeit gesetzt wird; eine Induktionsröhre bringt die von der Säule erzeugte Elektrizität in Verbindung mit einer eigentümlich eingerichteten Laterne; in dieser befindet sich eine gläserne Schlangenröhre, welche luftleer gemacht wird, so daß nur noch ein Rest von Kohlen- oder Stickstoff bleibt. Wenn der Apparat tätig ist, wird dieses Gas leuchtend mit einem weißlichen, andauernden Licht. Die Säule und die Röhre werden in einen ledernen Sack gesteckt, welchen der Reisende an einem Bande trägt. Die auswendig angebrachte Laterne gewährt in tiefem Dunkel hinlänglich Licht; sie gestattet, ohne Gefahr einer Explosion sich in die Umgebung von leicht entzündlichem Gas zu wagen, und erlischt auch im tiefsten Wasserstrom nicht. Herr Ruhmkorff ist ein gelehrter und sehr geschickter Physiker. Seine große Entdeckung besteht in der Induktionsröhre, vermittelst welcher Elektrizität von hoher Spannkraft erzeugt werden kann. Er hat im Jahre 1864 den fünfjährigen Preis von 50.000 Francs erhalten, welcher für die sinnreichste Anwendung der Elektrizität ausgeteilt wird.
Der letzte Abend wurde in vertraulichem Gespräch mit Herrn Fridrickson verbracht, zu dem ich mich mit lebhaftem Freundschaftsgefühl hingezogen fühlte; auf diese Unterhaltung folgte ein ziemlich unruhiger Schlaf, meinerseits wenigstens.
Um fünf Uhr weckte mich das Wiehern der vier Pferde, welche unter meinem Fenster stampften. Ich kleidete mich hastig an und kam herab auf die Straße. Hier war Hans beschäftigt unser Gepäck völlig aufzuladen, ohne dabei ein Wort hören zu lassen. Doch verfuhr er dabei mit ungewöhnlichem Geschick. Mein Oheim machte mehr Geräusch, als förderliche Arbeit, und der Führer schien sich wenig an seine Anweisungen zu kehren.
Um sechs Uhr war alles fertig. Herr Fridrickson drückte uns die Hände. Mein Oheim dankte ihm in isländischer Sprache recht herzlich für seine wohlwollende Gastlichkeit. Ich ließ in meinem besten Latein einen herzlichen Gruß vernehmen; dann saßen wir auf und Herr Fridrickson rief uns zum Lebewohl den Vers Vergil’s nach:
»Fahren wir denn getrost, wohin Fortuna uns führet!«
Zwölftes Kapitel
Nach Snäfieldsnäß
Wir hatten bei der Abreise bedeckten Himmel, doch beständige Witterung, weder erschöpfende Hitze zu fürchten, noch verderblichen Regen.
Das Vergnügen, zu Pferd einen Ausflug durchs Land zu machen, erleichterte mir’s, mich in die Unternehmung zu schicken. Ich fühlte so recht das Glück, in Freiheit seinen Wünschen zu leben, und fing an, der Sache die freundliche Seite abzugewinnen.
»Was ist übrigens, sagte ich mir, zu riskieren? Mitten in einem merkwürdigen Lande zu reisen! einen berühmten Berg zu erklimmen! Im schlimmsten Fall in den erloschenen Krater desselben hinabzusteigen! Offenbar hat Saknussemm nichts anderes getan. Daß ein verborgener Gang von da ins Zentrum des Erdballs führe, pure Einbildung! Rein unmöglich! So nehmen wir denn das Gute der Unternehmung hin, ohne zu handeln.«
Unter solchen Gedanken waren wir aus Reykjawik herausgekommen.
Hans ging voran, mit raschem, gleichmäßigem, ausdauerndem Schritt. Hinter ihm die zwei Pferde mit unserm Gepäck, ohne daß man sie zu treiben brauchte. Mein Oheim und ich nahmen uns wirklich nicht übel aus auf unseren kleinen, aber kräftigen Tieren.
Island gehört zu den großen Inseln Europas. Bei einem Flächeninhalt von vierzehnhundert Quadratmeilen zählt es nur sechzigtausend Bewohner. Die Geographen haben sie in vier Viertel geteilt, und wir mußten quer durch den Teil wandern, welcher Südwest-Viertel, »Sudvestr Fjordungr« heißt.
Hans hatte gleich von Reykjawik aus die Richtung längs des Meeresufers eingeschlagen. Wir ritten über mageres Weideland, das mehr gelb als grün aussah. Die runzeligen Gipfel der trachytischen Massen verwischten sich am Horizont im östlichen Nebel; mitunter sah man Schneestriche, welche das zerstreute Licht konzentrierten, dieses schimmernd auf den Abhang fernerer Höhen zurückstrahlen; einzelne kühner empor strebende Spitzen durchbohrten das graue Gewölk und kamen über diesen beweglichen Dunstmassen gleich ragenden Klippen am klaren Himmel wieder zum Vorschein.
Oft liefen diese dürren Felsenketten in einer Spitze dem Meere zu und schnitten in das Weideland ein; aber es blieb dann noch hinreichender Raum für den Weg. Unsere Pferde suchten sich übrigens instinktmäßig die geeigneten Stellen, ohne dabei je langsamer vorwärts zu kommen. Mein Oheim hatte nicht einmal die Befriedigung, sein Reittier durch Zuruf oder Peitsche anzutreiben; seine Ungeduld konnte sich nicht geltend machen. Ich wußte mich des Lächelns nicht zu enthalten, als ich ihn so groß auf so einem kleinen Pferde sah, daß seine langen Beine auf dem Boden strichen und er wie ein sechsfüßiger Zentaur aussah.
»Braves Tier! Braves Tier! sagte er. Du wirst sehen, Axel, daß kein Tier das isländische Pferd an Verstand übertrifft. Schnee, Stürme, schlechte Wege, Felsen, Gletscher, nichts hält es auf; es ist wacker, behutsam, zuverlässig. Nie ein Fehltritt, nie ein Widerstreben. Ist ein Fluß, ein Fjord zu passieren, so stürzt es sich ohne Zaudern gleich einem Amphibium ins Wasser, um an das gegenüberliegende Ufer zu gelangen! Aber man darf es nicht hart anfahren, muß es gewähren lassen, und man wird eins ins andere gerechnet, täglich fünf Meilen mit ihm zurücklegen.
– Wir, allerdings, erwiderte, ich, aber der Führer?
– O! Der kümmert mich nicht. Diese Leute kommen voran, ohne es zu merken. Dieser da rührt sich so