Fünf Minuten vor Mitternacht. Celina Weithaas

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Fünf Minuten vor Mitternacht - Celina Weithaas Die Chroniken des Grauen Mannes

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indem ich das ausspreche, was geschehen ist? Das Unmögliche in Worte fasse. Dann wird der Albtraum offensichtlich. Ich würde in Wirklichkeit niemals den Mut aufbringen, so etwas Absurdes von mir zu geben. Niemals würde mir etwas in dieser Art geschehen. Die Welt liebt mich. Nicht einer würde mich in Flammen stehend sehen wollen.

      „Ich war draußen.“ Meine Stimme klingt heiser, als hätte ich Männer mit schmutzigen Händen und grausamen Absichten aus Leibeskräften angebrüllt. „Es hat geregnet.” Die Nässe ist mir vom Leib getrocknet. Qualm übertüncht den Gestank von Abgasen. „Als ich gestolpert bin, war ich in Deutschland, irgendwann vor dieser Zeit.“ Ein hysterisches Wimmern. Es kann nicht von mir stammen. Ich verliere nie die Beherrschung. „Sie wollten mich als Hexe verbrennen.“ Und ich spreche nie von Unmöglichkeiten.

      Achim rückt eine Winzigkeit von mir ab. Fahrig halte ich ihn fester. Die Hitze seiner Haut ist alles, was zwischen mir und einer unbegründeten Panikattacke steht. „Du bist ja völlig durch den Wind.“ Sanfte Worte. Behutsam streicht er mir durch das Haar, schweigt, rätselt. Mühsam versuche ich mich zu beruhigen. Das Herz donnert mir gegen die Zungenspitze. Zittrig atme ich ein. Ich liebe diesen Gesichtsausdruck an ihm. Er verspricht mir, dass Achim nach einer Lösung sucht und sie finden wird. Dieser Mann wird mich in Sicherheit bringen und all diese grausigen Momente in das Reich der Träume verbannen. Mehr sind sie nicht. Illusionen, Einbildungen, dem Alkohol oder Drogen geschuldet.

      „Komm, ich bringe dich ins Badezimmer.“ Ich nicke nur, schaffe es nicht, einen Finger zu rühren. Eigentlich schlafe ich noch immer. Achim gibt keinen Laut von sich, während er mich hochhebt, den einen Arm unter meinen Beinen hindurchschiebt, den anderen unter meinem Rücken, und mich auf diese Weise Schritte später in der Badewanne absetzt. Etwas ungeschickt öffnet er die Riemchen meiner Schuhe und zieht sie mir aus. Ein Strohhalm fällt auf die weiße Keramik der Wanne. Nichts weiter als Einbildung. Was hat man mir in das Getränk gemischt und wer ist schuldig? Der ärmliche Italiener, mit Sicherheit. Er kann kaum geladen gewesen sein. Unerlaubt hat er sich in diesen Saal gestohlen, um mir meinen guten Ruf zu nehmen. Ein Vorhaben, das ihm nicht gelingen wird.

      „Warst du in einem Stall?“ Achim rümpft leicht die Nase, während er das Wasser einlässt. Es ist zu warm, heiß, fast unerträglich, sticht in meine Haut wie gierige Flammen, die nichts anderes im Sinn haben, als zu fressen, was ihnen vor das Maul kommt. Ich schüttle den Kopf und verschränke schützend die Arme vor meiner Brust. Dieses gierige Feuer, es war nicht mehr als eine grausame Bestie in meinen Träumen.

      Ich reguliere die Wassertemperatur und lehne mich gegen das kühle Material der Wanne. Ein beißendes Brennen kriecht meine Wirbelsäule hinauf. Das Lecken der Flammen drängt sich zurück in meine Gedanken. Wie es sich nach oben kämpfte, um mir die Haut von den Knochen zu schmelzen, mich in Flammen aufgehen zu lassen. Als wäre ich nur ein weiteres wertloses Stück Holz. Achim hockt neben mir und träufelt ein wenig von dem Granatapfelextrakt in die Wanne. Gemeinsam beobachten wir, wie das Rot sich in Blüten ausbreitet, sich aufbauscht, zu einer großen Wolke wächst und schließlich die helle Keramik hinaufbrandet, als hätte es nie etwas anderes getan. Der Strohhalm treibt gegen meine Bauchdecke. Eine Erinnerung. Die Erinnerung an eine grausame Nacht. Nur Einbildung. „Weißt du, wie spät es ist?“, frage ich Achim irgendwann, als die Schmerzen erträglich werden und der säuerlich-fruchtige Duft den Gestank von verkohltem Fleisch aus meiner Nase getrieben hat.

      Er zuckt die Achseln, eine seltene, ratlose Geste. Ist Achim bezüglich dieser absurden Situation bereits zu einem Ergebnis gelangt? „Komm doch mit rein.“ Ich brauche seine Nähe. Vielleicht weckt sie mich aus diesem elenden Traum. Ich habe nicht damit gerechnet, dass Achim meiner Bitte tatsächlich nachkommt. Er zieht sich das Oberteil des seidenen Pyjamas über den Kopf und dann die Hose aus. Eine unvergleichliche Verfehlung. Achim akzeptiert sie, ich auch, mitten in der Nacht, noch halb im Schlaf, nicht fähig dieser Versuchung zu widerstehen. Er steigt zu mir in das aufschäumende, blutig rote Wasser und setzt sich hinter mich, beide Arme um meine Hüften geschlungen. In einer fast zögernden Bewegung legt er das Kinn auf meiner Schulter ab. Sein langsames, gleichmäßiges Atmen erinnert mich an meine eigene Erschöpfung. Zäh drängt sich die Müdigkeit an dem schmerzhaften Brennen von Knöcheln und Rücken vorbei. In einer beruhigenden Stetigkeit fließt das Wasser in die Wanne, ein angenehmes Hintergrundrauschen, ähnlich wie das Fahren von Autos und das Plätschern von Regen. Achim tippt den kleinen Strohhalm vor meinem Bauch an. In einem tiefen Seufzen senkt sich seine Brust. „Du solltest die Augen schließen. Es ist spät.“ In wenigen Stunden muss ich am Tisch zum Brunchen erscheinen, bereit für leichte Konversation und erfolgversprechende Investitionen. Mein Kopf nickt von ganz allein. Wenn ich das nächste Mal aufwache, dann liege ich in meinem Bett, Achim neben mir. Ein Zimmermädchen wird mich wecken oder im schlimmsten Fall der Wecker, sollten die Angestellten ihre Pflicht versäumen. Achim küsst meinen Hals, während seine Finger meine Arme hinauf und hinunter fahren, den Schmutz fortwaschen, der ebenso irreal ist wie diese gemeinsamen Momente in der Badewanne. Mutter würde den Verstand verlieren, wüsste sie, dass mein Verlobter und ich gemeinsam ein Bad nehmen. Es widerspricht jedem Anstand. Sollte jemals jemand hiervon erfahren… Ich möchte mir darüber nicht den Kopf zerbrechen. Nicht jetzt, während ich seinen warmen Körper an meinem spüren darf, Schmerzen in den Venen, die mir den Atem rauben. Das leise Plätschern des Wassers, kaum dass wir uns bewegen, und das Rauschen des Wasserhahns lassen mich einnicken. Ich spüre das Gewicht von Achims Kopf auf meiner Schulter, während ich der Erschöpfung nachgebe.

      „Um Himmels Willen!“ Ich reiße die Augen auf und fahre nach oben. Ein leises Schwappen von lauwarmem Wasser, das meine Haut restlos aufgeweicht hat. Hinter mir drückt Achim mich ein Stück von sich und macht Anstalten, sich zu erheben. „Es wäre freundlich, würden Sie mir ein Handtuch reichen und vor der geschlossenen Tür auf mich und die Dame warten“, sagt Achim glatt, während ich noch versuche, mich an das grelle Licht zu gewöhnen, das unbarmherzig auf uns hinabstrahlt. Das Zimmermädchen nickt hastig. Kramen wird laut, dann das Schließen der Tür. Achim atmet erleichtert auf und steigt aus der Wanne. Das Wasser spielt seine Melodie und lässt mich schaudern. Die Müdigkeit hängt in Wolken über mir.

      „Kommst du raus?“ Bei Achims Frage hebe ich träge den Kopf. Der Schaum hat sich aufgelöst. Durch die rötlichen Wellen fällt es leicht, meine Knöchel zu erkennen. Brandblasen ziehen sich den linken hinauf wie ein grausiges Tattoo. Der Strohhalm piekt mich in den Bauch. Ich schlafe noch immer. Meine Oberarme haben inzwischen eine bläuliche Färbung angenommen. Mein rechtes Knie ist oberflächlich aufgeschürft, den Rücken will ich nicht näher betrachten. Mein Zustand bleibt unwirklich, so sehr, dass es mir nicht einmal gelingt, auf die Füße zu kommen. Wie skurril, obskur, krankhaft doch das Ganze hier ist. „Chrona? Komm bitte her.“ Achim hält mir ein Handtuch auf. Das eigene hat er sich bereits um die Hüften gebunden. Allein sein autoritärer Tonfall lässt mich gehorchen. Dieser kühle Unterton, der keinen Widerspruch duldet, zieht mich an Fäden auf die Beine, als wäre ich eine willenlose Marionette. „Natürlich.“ Meine Stimme klingt hölzern und so weit entfernt wie diese ganze, seltsame Situation.

      Ganz der Gentleman, zu dem er erzogen wurde, hilft Achim mir aus dem Wasser und legt mir das Handtuch um die Schultern. „Ich schicke dir die Bedienstete herein.“ Nicke ich? Achim haucht mir einen sanften Kuss auf den Mund. „Wir sprechen später.“ Es zieht wie in einem Nebel an mir vorbei, wie er geht und sie kommt, irgendetwas zu mir sagt und auf eine Antwort wartet, die ich ihr nicht geben kann. Ein statisches Rauschen hat sich in meine Ohren geklammert und lässt mich dumpf geradeaus blicken.

      Etwas unwirsch drückt sie mich auf den Stuhl vor dem Spiegel und beginnt damit, mich zurechtzumachen. Meine Unterlippe wurde aufgebissen. Während ich geschrien habe? Es braucht Unmengen von Make-Up, um die Male an meinen Armen zu überdecken und mit jedem Tupfen, jedem Pinselstrich, jeder Berührung, kehre ich ein Stück mehr in dieses Badezimmer zurück, in dem sie mich zurechtmacht für den Brunch. Ich kehre mit dem Kopf zurück in eine Welt, in der ich Blessuren trage, die nicht hierhergehören.

      Ein weiteres Mädchen erscheint, sorgt sich

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