Patricia Vanhelsing Sammelband 5 Romane: Sidney Gardner - Übersinnlich. Alfred Bekker

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Patricia Vanhelsing Sammelband 5 Romane: Sidney Gardner - Übersinnlich - Alfred Bekker

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sagen, was mich an diesem Gesicht so sehr geängstigt hatte. Dieses Gefühl namenloser Furcht war einfach da. Und war mit diesem Gesicht verbunden. Es handelte sich um das totenbleiche Antlitz einer Frau. Ihre Züge waren feingeschnitten und wirkten wie aus Elfenbein modelliert. Eine hübsche Frau, ohne Zweifel. Aber so...

      ...tot!

      Mir schauderte bei dem Gedanken an sie.

      Wie eine kalte, glitschige Hand kroch dieses Gefühl meinen Rücken empor. Gänsehaut überzog meine Unterarme. Hast du dieses Gesicht schon einmal gesehen?, ging es mir durch den Kopf. Ich zermarterte mir förmlich das Hirn über diese Frage. Nein, dachte ich. Aber ich war mir nicht hundertprozentig sicher.

      Dieses blasse Gesicht war die einzige Erinnerung, die mir aus meinem Alptraum geblieben war. Alles andere war nicht mehr als ein Konglomerat aus düsteren Farben, leckenden Schatten, Mondlicht und einem finsteren Gemäuer. Ein Detail war da allerdings noch...

      Der Strick!

      Wie eine Galgenschlinge hatte er um ihren Hals gelegen. Warum hat dich dieser Traum so aufgewühlt?, fragte ich mich. Ich sah keinen wirklichen Grund dafür. Und doch schlug mein Herz wie wild. Selbst jetzt, da der kühle Hauch dieser winddurchtosten Nacht eigentlich alle Traumgespenster hätte verscheuchen müssen.

      Ich brauchte nur die Augen zu schließen.

      Dann stand es wieder vor mir, dieses bleiche Gesicht einer elfenbeinhäutigen Frau, die mir wie ein Bote des Todes erschien.

      Schon im ersten Moment, nachdem ich erwacht war, hatte ich gewusst, dass es sich um einen jener Träume handelte, die meine leichte übersinnliche Gabe mir sandte. Eine Gabe, mit deren Hilfe ich schlaglichtartig in Träumen, Tagträumen und Ahnungen die Abgründe von Raum und Zeit überwinden konnte. Diese Frau wird in deinem Schicksal irgendwann in nächster Zeit eine Rolle zu spielen beginnen!, wurde es mir klar. Und ich wagte kaum daran zu denken, welche Bedeutung vielleicht hinter den Bildern verborgen lag, die mir im Traum vorgegaukelt worden waren.

      *

      SPÄTER SETZTE ICH MICH in einen der klobigen Sessel in meinem Schlafzimmer und schlief ein. Wie ein Stein. Es war der Schlaf der Erschöpfung. Am Morgen erwachte ich trotzdem früh. Eine innere Unruhe hatte mich geweckt. An weitere Träume konnte ich mich nicht erinnern.

      Nur an diesen einen...

      Ich zog mich an und fühlte mich seltsam benommen. Das Gesicht dieser Frau ging mir nicht aus dem Sinn. Aber sobald ich in der Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS angekommen war, würde mich die Hektik und der Stress, die mein Job als Reporterin bei diesem großen Londoner Boulevardblatt mitbrachte, schon zu genüge ablenken.

      Ich ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss von Tante Lizzys Villa, in der ich die obere Etage bewohnte. Tante Lizzy hieß eigentlich Elizabeth Vanhelsing und war meine Großtante. Nachdem ich schon früh meine Eltern verlor, zog sie mich wie eine eigene Tochter auf.

      Seit dem Tod meiner Eltern wohnte ich hier, in dieser verwinkelten und etwas unheimlich wirkenden viktorianischen Villa, deren größter Teil von Tante Lizzys berühmtem Okkultismus-Archiv eingenommen wurde.

      Tante Lizzy war bereits auf den Beinen.

      Sie brauchte nicht viel Schlaf und es kam durchaus vor, dass sie ganze Nächte in der Bibliothek verbrachte und in alten, okkulten Schriften forschte.

      Ich traf sie in der Küche, wo sie den Tee auf ihre unverwechselbare Weise zubereitete. Das war ein Ritual, an dem nicht das Geringste geändert werden durfte.

      "Hallo, Patricia", begrüßte sie mich lächelnd. Dann zog sie die Augenbrauen empor. "Du siehst nicht gerade besonders frisch aus."

      "So fühle ich mich auch nicht."

      "Schlecht geschlafen?"

      Ich nickte.

      "Kann man wohl sagen."

      Ich nahm die volle Teekanne und ging damit zum Tisch, den Tante Lizzy bereits für das Frühstück gedeckt hatte. Wir setzten uns, und sie sandte mir einen sehr ernsten Blick zu.

      "Ein Traum?", fragte sie.

      "Ja", nickte ich.

      Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Tante Lizzy wusste nur zu gut über meine Gabe Bescheid. Sie war es gewesen, die mich einst als erste darauf aufmerksam gemacht hatte.

      "Willst du mir erzählen, was du gesehen hast, Patti?"

      "Das Gesicht einer Frau."

      "Kennst du sie?"

      "Ich glaube nicht. Aber hundertprozentig sicher bin ich mir auch nicht. Die Frau war sehr bleich. Wie eine Tote beinahe. Sie hatte blondes Haar und eine Henkerschlinge um den Hals..."

      "Gibt es sonst noch irgendwelche Einzelheiten, an die du dich erinnerst?"

      "Nein." Ich zuckte die Achseln. "Aber ich werde dieses Gesicht einfach nicht mehr los... Es scheint mich zu verfolgen. Ich brauche nur die Augen zu schließen und sehe es wieder vor mir. Es wirkt so real..."

      "Was empfindest du dabei?", fragte Tante Lizzy, während sie den Tee einschüttete.

      "Bedrohung", sagte ich spontan. "Und dann dieser Strick um ihren Hals..." Ich musste unwillkürlich schlucken. "Was auch immer er bedeuten mag, es kann kaum etwas Gutes sein. Weder, wenn man ihn symbolisch versteht, noch wenn diese Szene tatsächlich eintreten sollte..."

      "Du musst wachsam sein und alles um dich herum aufmerksam beobachten", riet Tante Lizzy mir. Sie nahm dabei meine Hand. "Dieser Traum hat zweifellos eine Bedeutung, aber im Moment ist es nicht mehr als ein Schlaglicht... Es fehlt der Zusammenhang."

      "Ja." Ein Gefühl der Kälte erfasste mein Inneres. Unbehagen hatte sich in mir ausgebreitet. Etwas wird geschehen, dachte ich. Schon sehr bald...

      Es hatte keinen Sinn solch düstere Ahnungen einfach verscheuchen zu wollen oder sie zu ignorieren. Das hatte ich früher versucht, als ich meine Gabe noch nicht als Teil meiner selbst akzeptiert hatte. Ich musste mich dem stellen, was auf mich zukam. Es gab keine andere Möglichkeit.

      *

      IN DER REDAKTION DER LONDON EXPRESS NEWS herrschte die übliche Hektik. Ich traf mit leichter Verspätung ein, wofür mein kirschroter Oldtimer-Mercedes verantwortlich war. Er hatte sich gehörig Zeit gelassen, bis endlich der Motor angesprungen war.

      Ich hoffte nicht, dass das gute Stück - ein Geschenk von Tante Lizzy - jetzt langsam seine Mucken bekam. Ich betrat mit schnellem Schritt das Großraumbüro unserer Redaktion, das beinahe eine ganze Etage im Verlagsgebäude an der Lupus Street einnahm. Ziemlich direkt hielt ich auf meinen Schreibtisch zu, hängte die Handtasche über den Sessel des Drehstuhls und schaltete das Computerterminal ein. Dann atmete ich tief durch, nahm mir eine Tasse des dünnen Redaktionskaffees und wartete, bis das Logo unserer EDV auf dem Computerschirm erschien.

      Unser Chefredakteur Michael T. Swann hatte als einziger ein Extra-Büro. Ich sah aus

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