Patricia Vanhelsing Sammelband 5 Romane: Sidney Gardner - Übersinnlich. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Patricia Vanhelsing Sammelband 5 Romane: Sidney Gardner - Übersinnlich - Alfred Bekker страница 4
Jim war wie ich 26 Jahre alt und galt als der Starfotograf der LONDON EXPRESS NEWS. Sein blondes Haar war wie gewöhnlich ungebändigt und stand wirr herum, nachdem er sich mit der Hand hindurchgefahren war. Sein Jackett war knitterig, das Revers von den Riemen der Kamerataschen völlig ruiniert. Und seine Jeans wirkte wie ein Museumsstück für Woodstock-Veteranen.
Jims Kopf war hochrot.
Eigentlich war er ein stets gutgelaunter und zu witzigen Bemerkungen aufgelegter Mann. Aber in diesem Moment stand ihm der Ärger ins Gesicht geschrieben.
"Glauben Sie vielleicht, die NEWS ist das einzige Blatt, das Bilder druckt?", rief er empört in das Büro hinein, so dass man es bis zu meinem Schreibtisch hören konnte. Der Geräuschpegel im Großraumbüro legte sich etwas. Das Stimmengewirr wurde leiser.
Swanns Erwiderung war nicht zu verstehen.
Jim machte eine wegwerfende Handbewegung.
Und dann ging er davon.
Direkt auf meinem Schreibtisch zu.
Die Tür zu Swanns Büro wurde von innen ziemlich unsanft geschlossen.
Als Jim mich sah, stoppte er mitten in der Bewegung. Dann zwang er sich zu einem Lächeln.
"Hallo, Patti!"
"Was ist denn los, Jim?"
Jim verdrehte die Augen. "Du kennst Swann doch..."
"Sicher..."
"Er regt sich auf, nur weil er die Bilder ein bisschen später auf dem Tisch liegen hatte. Mein Gott, was gut werden will, muss manchmal auch die nötige Zeit dazu haben! Aber für Swann zählt die Minute. Als ob es um den Untergang der LONDON EXPRESS NEWS oder gar des Abendlandes ginge!" Er atmete tief durch. Dann ging er an die Kaffeemaschine.
"Vielleicht genehmige ich mir auch mal einen Becher von dem Gebräu!"
"Aufgeregt hast du dich ja auch genug!"
"Na ja..."
"Wenn du mich fragst, brauchst du eher einen Beruhigungstee. Earl Grey, lang durchgezogen..." Jim schüttelte den Kopf.
"Darauf werde ich nie umsteigen", meinte er. "Ist mir zu spießig. Außerdem..."
Ich sah ihn an.
"Was?"
"Man muss zu oft auf die Toilette. Und du weißt ja, als Pressefotograph hat man ja sowieso schon häufig genug das Pech, das die wirklich wichtigen Dinge immer dann passieren, wenn man den Finger nicht am Auslöser hat." Wir lachten beide.
Jim schien bei allem Ärger über Michael T. Swann seinen Humor wiedergefunden zu haben.
Dann deutete er in Richtung von Swanns Bürotür.
"Trotzdem", meinte er. "Ich frage mich, ob ich mir so etwas bieten lassen muss!"
"Du kennst Swann doch. Er wird sich beruhigen - und du dich auch!"
"Vermutlich hast du recht, Patti! Bist du eigentlich so vernünftig auf die Welt gekommen oder hat sich das erst später entwickelt?"
"Na, hör mal!"
Er grinste.
"War ja nur 'ne Frage", lachte er dann. Er sah auf die Uhr. "Ich muss jetzt los. Eine Standpauke von Swann reicht mir am Tag!"
Er wollte gehen, aber ich hielt ihn noch einen Moment zurück.
"Jim..."
"Ja?"
"Hast du Tom heute morgen schon gesehen?"
"Ja. Aber du bist heute ein bisschen spät dran. Er ist schon unterwegs."
"Schade."
Jim grinste breit. "Na, ich denke ihr seht euch doch oft genug. Außerhalb der Bürozeiten in der Redaktion wohlgemerkt!"
Ich lächelte milde und hob die Augenbrauen.
"Hast du noch nichts davon gehört, dass wir neuerdings 26 Stunden täglich in der Redaktion anwesend sein müssen? Da wird die Zeit schon mal ziemlich knapp, um sich anschließend noch zu treffen!"
Jim zwinkerte mir zu. Das war ein Spaß nach seinem Geschmack.
"Fragt sich, ob das eine neue Sparmaßnahme des Verlages ist oder Mr. Swann sich nachts allein in diesem großen Haus fürchtet..."
Wir bemühten uns beide, so dezent zu lachen, dass man es nicht bis in Mr. Swanns Büro hören konnte. Die Milchglasscheibe in der Bürotür war nämlich nicht gerade das, was man heutzutage unter einer guten Schallisolierung verstand.
*
ICH VERBRACHTE DIE nächsten anderthalb Stunden damit, Routinearbeiten zu erledigen. Unter anderem bearbeitete ich verschiedene Pressemeldungen so, dass daraus Artikel für unsere Zeitung wurden, gestaltete Überschriften und Unterzeilen zu den Bildern.
Ich war dermaßen konzentriert, dass ich für eine Weile alles andere vergaß.
Selbst das leichenblasse Gesicht der jungen Frau, der man einen Strick um den Hals gelegt hatte.
Meine Finger glitten über die Computertastatur, und ich schrak zusammen, als plötzlich der Griff zweier Hände meine Schultern erfasste.
"Hallo, Patti", begrüßte mich eine Stimme mit unverwechselbarem, dunklen Timbre. Eine Stimme, deren Klang mir durch und durch ging und mir einen wohligen Schauder über den Rücken trieb.
Ich drehte mich herum.
"Tom...", flüsterte ich und sah in ein paar grüngrauer Augen. Tom Hamilton - ehemals Korrespondent für eine große Nachrichtenagentur - war seit einiger Zeit genau wie ich als Reporter für die LONDON EXPRESS NEWS tätig und inzwischen hatte ich mich unsterblich in diesen gutaussehenden, dunkelhaarigen Mann verliebt.
Unsere Lippen trafen sich zu einem kurzen Kuss.
"Ich hoffe, du hast mich auch richtig vermisst", raunte er mir zu.
"Du hast ja keine Ahnung, wie sehr", erwiderte ich und strich ihm leicht über das Kinn. "Bist du wenigstens einer interessanten Story auf der Spur?"
Tom machte eine wegwerfende Geste.
"Ich war in Old Baily. Wegen einer Gerichtsreportage. Leider ist man über die Personalien des Angeklagten nicht hinweggekommen. Die Verhandlung ist vertagt worden, und ich frage mich jetzt, wie ich aus der ganzen Sache noch einen Artikel mache..."
Ich erhob mich aus meinem Drehstuhl. Tom fasste mich am Oberarm und half mir auf. Unsere Blicke verschmolzen miteinander.