Patricia Vanhelsing Sammelband 5 Romane: Sidney Gardner - Übersinnlich. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Patricia Vanhelsing Sammelband 5 Romane: Sidney Gardner - Übersinnlich - Alfred Bekker страница 8
"Vielleicht sehe ich schon Gespenster", murmelte ich.
"Kann das eine deiner Visionen gewesen sein?", fragte Tom.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das glaube ich nicht. Die kann ich im allgemeinen eindeutig als solche erkennen... Aber ich hatte eine Vision... Einen Traum..."
Ich sah ihn an. Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen.
"Willst du darüber sprechen, Patti?" Außer Tante Lizzy gab es niemanden, mit dem ich über meine Visionen sprechen konnte. Niemanden, dem ich mich so weit anzuvertrauen wagte.
"Wir wollen uns an diesem Abend amüsieren, Tom! Und nicht über schwerwiegende Probleme nachdenken. Die sind morgen früh auch noch da..."
Er strich mir über das Haar.
Sein Lächeln verzauberte mich jedesmal aufs Neue. Auf der linken Wange bildete sich dabei ein kleines Grübchen, das ihm einen schelmischen Gesichtsausdruck verlieh.
"Erzähl mir ruhig, was dir im Kopf herumspukt und dich so beschäftigt. Das spüre ich doch ganz genau. Schon den ganzen Abend..."
"Ich habe mir Mühe gegeben, es zu vergessen!"
"Was für dich wichtig ist, hat auch für mich eine Bedeutung, Patti..."
Ich nestelte am Revers seiner Jacke herum und erklärte dann: "Ich habe eine Frau gesehen. Sie trug ein aufwendiges Samtkleid und wirkte wie... wie eine Lady. Sie war jung, das Gesicht war hübsch und ebenmäßig wie bei einer Statue. Aber sie war bleich wie eine Tote... Ich sah sie mit dem Strick des Henkers um ihren Hals... Und ich traf sie vor dem Verlagsgebäude der NEWS. Sie stand im Regen und schien nicht nass zu werden, starrte mich nur an."
"Hast du mit ihr gesprochen?"
"Nein. Ich wollte es tun, aber sie war schon nicht mehr da, als ich..." Ich brach ab. Ich schwieg von der zweiten Vision, in der ich die bleiche Lady zusammen mit einem Mann gesehen hatte, dessen Augen mich an Tom erinnerten.
Ich schluckte unwillkürlich.
Toms grüngraue Augen musterten mich nachdenklich. Immer, wenn ich in diese Augen sah, hatte ich das Gefühl, in einen tiefen See voller Geheimnisse zu blicken. Augen, die so vieles gesehen hatten.
Ein kalter Schauder erfasste mich.
Ich war mir jetzt absolut sicher, dass es seine Augen gewesen waren, die jenem Fremden in meiner Vision gehört hatten. Daran gab es keinerlei Zweifel. Und mir war auch klar, dass das etwas zu bedeuten hatte. Etwas, das mit meinem oder seinem Schicksal in unmittelbarer Verbindung stand.
"Komm", sagte ich. "Wir wollten noch essen..." Tom sah mich noch einen Augenblick lang fragend an. Dann nickte er.
"Aber nicht italienisch", sagte er. "So war es doch, oder?"
"Ja."
"Dann lass dich mal überraschen!"
*
WIR FUHREN IN DIE AUßENBEZIRKE Londons, hinaus aus dem eigentlichen City Bereich und hinein in das, was man gemeinhin als Greater London bezeichnete. Nach und nach hatte die Riesenstadt das Umland quasi aufgefressen und immer weitere Gemeinden in sich aufgenommen. Es wurde sehr dunkel. Wir kamen durch enge Straßen, die mit Kopfsteinpflaster bedeckt waren, und ich hatte das Gefühl, als ob in diesem Teil Londons der Strom ausgefallen wäre...
Ich hatte einige Zeit träumend auf dem Beifahrersitz gesessen und nicht so auf den Weg geachtet. Jetzt sah ich um so interessierter heraus.
"Sag mal, wohin entführst du mich denn heute Abend?"
"Komisch, bei Tag war das viel leichter zu finden..."
"Soll das heißen, dass du dich verfahren hast?"
"Aber, Patti!"
"Es war ja nur eine Frage..."
"Ich bin mir sicher, richtig abgebogen zu sein, aber..." Er sprach nicht weiter.
"Was ist los?", fragte ich.
"Nichts... Vielleicht suchst du doch mal den Stadtplan aus dem Handschuhfach. Meine Güte, ich hätte nie gedacht, dass ich den so bald wieder brauche! Schließlich lebe ich doch schon eine ganze Weile hier!"
"Und ich bin hier aufgewachsen", gab ich zu bedenken.
"Trotzdem verfahre ich mich noch mindestens einmal pro Woche!"
"Du Ärmste!"
"Du meinst, wenn man sich im Regenwald Südostasiens zurechtfindet, kann einem das nicht passieren, ja?" Wir lachten beide. Aber es war kein fröhliches, befreites Lachen. Es wirkte seltsam gequält. Irgend etwas stimmte nicht, auch wenn noch keiner von uns es offen auszusprechen wagte. Ich spürte ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend. Eine leichte Gänsehaut legte sich über meine Unterarme.
Irgend etwas geht in diesem Augenblick vor sich!
Ich spürte es ganz deutlich.
Tom fuhr die Straße entlang, die immer schlechter und schmaler wurde. Das Kopfsteinpflaster war teilweise lückenhaft. Und an den Rändern brach es schroff ab. Diese Straße sah nicht gerade so aus, als wäre sie von einem Meister seines Fachs geschaffen worden...
Die Häuser wirkten seltsam grau und in den Mauern zeigten sich im Licht der Scheinwerfer Risse, in die sich Moos gesetzt hatte. Die Häuser waren alt. Selten handelte es sich um mehrgeschossige Bauten.
Nirgends gab es noch eine Beleuchtung.
Wir ließen die Häuser hinter uns.
Zu beiden Seiten der schmalen Straße war nichts als Finsternis. Der Mond war hinter einer dunklen Wolke verschwunden.
Ich blickte mich um. Das Lichtermeer der nahen City... Wo war es geblieben?
Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Aber so sehr ich auch in die Schwärze dieser unheimlichen Nacht blickte - ich konnte nicht ein einziges Licht erkennen. Keine Autobahn, auf der sich die Lichtpunkte wie Perlen an einer Schnur aufreihten. Nicht die regelmäßigen Muster aus sternähnlichen Gebilden, bei denen es sich um die Fenster großer Wolkenkratzer und Bürotürme handelte. Nicht das pulsierende Flackern von Neonreklame, die rund um die Uhr in Betrieb war.
"Mein Gott, wo sind wir hier?", fragte ich.
"Bei der nächsten Tankstelle werde ich mal nachfragen", erklärte Tom.
Aber es kam keine Tankstelle mehr.
Es kam zunächst einmal überhaupt nichts. Kein Gebäude, kein Straßenschild, kein anderes Fahrzeug. Der Pferdemist auf dem Pflaster verwunderte mich zwar etwas, war aber noch kein Zeichen, das Besorgnis in mir auslöste.