Sonst brichst du dir das Herz. Susanne Mischke
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Susanne Mischke
Sonst brichst du dir das Herz
1. Auflage 2016
© 2016 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Frauke Schneider, unter Verwendung von
Bildern von ©shutterstock
ISBN 978-3-401-80570-2
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Inhaltsverzeichnis
7.
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10.
11.
12.
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16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
Epilog
Schon jetzt, im August, fielen die Blätter von den Bäumen wie tote Schmetterlinge. Valeria saß unter einer Steineiche und betrachtete den Streifen flirrender Luft über der Lichtung, als der Falke schrie: ein hohes, durchdringendes Zjuck-zjuck-zjuck.
Sie verharrte regungslos und horchte.
Aber da waren nur das Zirpen der Zikaden und das schläfrige Summen der Fliegen. Erneut ließ der Falke seinen Warnruf hören. Valeria stand auf und sah sich um. Waren Wildschweine in der Nähe – oder ein Wolf? Jetzt hörte sie ein fernes Brummen und gleich darauf bemerkte sie am Fuß des Berges den schwarzen Wagen, der sich die Serpentinen hochschraubte. Er fuhr schnell, sogar schneller als das Postauto und als gäbe es weder Schlaglöcher noch die Furchen, die die sintflutartigen Regenfälle des Frühjahrs hinterlassen hatten. Dabei zog er eine gewaltige Staubfahne hinter sich her und in den Kurven jaulte der Motor zornig auf.
Ein schnaubender schwarzer Stier, der etwas angreift.
Wer war das? Mr Wilson jedenfalls nicht, der Lehrer fuhr einen roten Fiat Punto, in dem er mehr dahinschlich, als dass er fuhr. Erst recht, wenn es länger nicht geregnet hatte. Denn dann, so pflegte der kleine Brite mit dem großen Schnäuzer zu klagen, staube die Schotterstraße terribly. Außerdem war Mr Wilson mit Mrs Wilson für zwei Wochen nach England gereist, deshalb hatte Valeria keinen Unterricht und konnte ungestört an ihrem Lieblingsplatz sitzen, auf halber Höhe des Monte Cucco. Von hier aus hatte man einen weiten Blick über die Ausläufer der umbrischen Apenninen und die sanft schwingende Landschaft der angrenzenden Marken. Mittelalterliche Dörfer thronten auf den Hügeln, die Felder bildeten einen Flickenteppich in Pastellfarben und an sehr klaren Tagen reichte die Sicht sogar bis zur Adria.
Außer dem Postboten und Mr Wilson benutzten nur wenige Menschen die kleine strada bianca, die zu ihrem Haus führte und dort auch endete. Hin und wieder quälte sich das Ape-Dreirad der verrückten Ersilia den Berg hinauf, um Valeria und ihrer Mutter geräucherte Forellen und selbst gemachte Seife zu bringen, und im Herbst, zur Jagdzeit, kamen gelegentlich Jäger vorbei. Aber die fuhren alle Geländewagen und keine schwarzen Limousinen.
Ein Tourist, der vom Weg abgekommen war? Jemand, der sich für Bilder interessierte? Als Valeria vorhin erklärt hatte, sie wolle Steinpilze suchen gehen, hatte ihre Mutter mit keinem Wort erwähnt, dass sie Besuch erwartete. Sie hatte nur verkündet, dass sie malen wolle, das Licht sei heute besonders weich, und etwas halbherzig hatte sie hinzugefügt, Valerias Vorhaben gefalle ihr gar nicht. Seit die Naturschützer im Nationalpark Monte Cucco Fotofallen aufgestellt und damit die Existenz etlicher Wölfe nachgewiesen hatten, war Rosa Tomaso nicht mehr gar so begeistert, wenn ihre Tochter allein in den Wäldern herumlief.
»Warum sollten Wölfe einen Menschen angreifen, wenn es doch genug Rehe gibt?«, hatte Valeria ihr entgegnet.
»Weil sie es können.«
Natürlich waren die Steinpilze nur eine Ausrede. Für Pilze war der Sommer viel zu heiß und trocken gewesen, das wusste auch ihre Mutter. Doch Valeria waren ihre Streifzüge durch die Natur zur Gewohnheit geworden und Gewohnheiten gab sie nur ungern auf. Schon gar nicht wegen ein paar Fotos und ängstlichem Dorfgeschwätz. Im Grunde, ahnte Valeria, war ihre Mutter manchmal auch ganz froh, wenn sie für einige Stunden allein sein konnte, um ungestört zu malen und heimlich zu rauchen. Und auch Valeria brauchte diese Zeit des Alleinseins, in der sie sich selbst Gesellschaft genug war.
Wer auch immer in dieser schwarzen Limousine saß, würde also gleich etwas zu hören bekommen. Denn wenn Rosa Tomaso eines nicht leiden konnte, dann war es, beim Malen gestört zu werden.
Ohne darüber nachzudenken, hatte Valeria sich an den Abstieg gemacht. Es war in erster Linie Neugierde, die sie antrieb, aber da war noch etwas anderes, eine leise Unruhe, die sie dazu veranlasste, schneller zu gehen als gewöhnlich.
Sie musste ein kleines Waldstück durchqueren, und als sie oberhalb der abgegrasten Schafweide wieder ins Sonnenlicht hinaustrat und Ausschau hielt, hatte sich die Staubwolke auf der kleinen strada bianca längst wieder gelegt. Der fremde Wagen stand auf der Höhe des alten Schafstalls, der nur noch eine Ruine mit durchhängendem Dach war. Valeria kniff die Augen zusammen. Der Fahrer war nicht zu sehen. Saß er hinter den getönten Seitenscheiben und wartete? Aber worauf? Oder war er ausgestiegen und bereits hinter den Lorbeerbüschen verschwunden, die das letzte Stück der Straße säumten? Von dem Gehöft, in dem Valeria und ihre Mutter Rosa lebten, war nur ein Teil des Dachs und der Hühnerstall zu erkennen, den Rest verdeckte die ausladende Krone des Maulbeerbaums.
Das nun fehlende Motorengeräusch hatte eine eigentümliche Stille hinterlassen und