Sonst brichst du dir das Herz. Susanne Mischke

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Sonst brichst du dir das Herz - Susanne Mischke

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zwei Richtungen Flure abzweigten. Nach rechts ging es zur Küche. Valeria folgte diesem Flur in der Hoffnung auf ein Frühstück. Kurz vor ihrem Ziel blieb sie abrupt stehen. Gedämpfte Stimmen drangen durch die geschlossene Tür.

      »Es ist so typisch!« Fabiana, aufgebracht.

      »… eine andere Lösung geben.« Matteo.

      Wasserrauschen, das Fabianas Stimme übertönte.

      »Und wie hätte ich das, bitte schön, anstellen sollen? Verdammt, sie hat uns ausgetrickst. Und wenn der Alte das erfährt, dann Gute Nacht!« Claudio, unverkennbar.

      Jetzt wieder Fabiana: »Ich finde, wir sollten …« Der Rest des Satzes ging im Schlürfen des Espressokochers unter. Es folgten ein, zwei Minuten, in denen nur Stimmengewirr und einzelne Wortfetzen – »vergiftet« – »spinnst doch!« – »bescheuerte Idee« – an Valerias Ohr drangen, welches inzwischen an der Küchentür klebte. Jetzt hörte sie Matteo rufen: »Und wie sollen wir ihr das beibringen?«

      Danach redete Fabiana, aber zu leise, und auch von Claudios Antwort drang nur ein undeutliches Murmeln durch das massive Holz.

      Offenbar war Lucia nicht dabei, denn einer Auseinandersetzung schweigend zuzuhören, war bestimmt nicht ihre Art. Es klang vielmehr so, als wären die anderen ziemlich sauer auf sie. Hatte es etwas mit ihr, Valeria, zu tun? Fanden sie es nicht gut, dass Lucia sie eingeladen hatte? Aber gestern Abend waren sie doch alle nett zu ihr gewesen. Besonders Matteo. Und wer, bitte schön, hatte hier wen vergiftet?

      »Aber vorher räumst du die Schweinerei hier weg!« Fabianas nörgelnde Stimme, direkt neben Valerias Ohr. Hastig wich sie zurück und eilte so schnell und so leise wie möglich zurück in die Halle. Das war ja gerade noch mal gut gegangen. Sie überlegte, was sie machen sollte.

      Lucia suchen! Vielleicht schlief sie ja noch? Valeria ging hinauf in den ersten Stock und klopfte an alle Türen, aber niemand antwortete. An eine war La Gioconda – auch die Mona Lisa genannt – in Postkartengröße geklebt. Valeria riskierte es und öffnete die Tür einen Spalt. Blassblaue Wände; ein Himmelbett mit gedrechselten Säulen und hellen transparenten Vorhängen dominierte den Raum, der einen Erker zur Gartenseite hin besaß. Dort stand ein zierlicher Sekretär. In der Mitte der hohen Decke prangte ein rautenförmiges Ornament aus Stuck, darunter hing ein Kronleuchter. Kaum hatte Valeria die Tür geöffnet, stieg ihr der Duft nach Orangen und Bergamotte in die Nase. Es war Lucias weißes Kleid, das diesen Duft verströmte. Es hing außen am Kleiderschrank auf einem Bügel. Von Lucia selbst war nichts zu sehen. Valeria machte die Tür leise wieder zu und ging nach unten. Blieb noch der Garten.

      Sie gelangte nach draußen, ohne einem der anderen Bewohner zu begegnen, und folgte neugierig den verschlungenen Wegen. Von Nahem betrachtet bemerkte man auch hier im Garten leichte Spuren der Verwahrlosung. Der Gärtner oder wer immer der Typ auch war, den sie vorhin gesehen hatte, schien mit der Pflege des Anwesens leicht überfordert zu sein. Aber gerade weil nicht alles perfekt war, fand Valeria den Garten wunderbar.

      Der Teich roch ein wenig faulig, doch als sie sich über die Wasserfläche beugte, sah sie Goldfische darin schwimmen. Unter der Trauerweide stand eine mit Moos bewachsene Bank … was für ein herrliches, verträumtes Plätzchen! Im Weitergehen begegneten ihr Nymphen, Faune und Engel aus Stein, aber auch Ungeheuer mit Fratzen und Klauen. Sie pflückte eine Aprikose vom Baum, und während sie sie im Gehen aß, wäre sie beinahe auf eine tote Taube getreten. Sie war schneeweiß und lag mit ausgebreiteten Flügeln und aufgerissenem Brustkorb mitten auf dem Weg. Valeria, als Landkind an derlei Anblicke gewöhnt, setzte ihren Erkundungsgang jedoch gelassen fort. Dabei musste sie an ihre Sammlung von Tierskeletten denken, die sie zurückgelassen hatte. Bestimmt würde Rosa sie irgendwann wegwerfen, sie hatte sich nie für die makabre Sammlung ihrer Tochter begeistern können.

      Als Nächstes entdeckte Valeria fünf schiefe, von Unkraut überwucherte Grabplatten, deren verwitterte Inschriften sich leider nicht entziffern ließen. Waren das die Pestgräber? Ein verwunschener Garten, dachte Valeria verzückt. Tatsächlich fühlte es sich an, als wäre an diesem Ort die Zeit stehen geblieben, und auch Valeria vergaß, warum sie hier war und dass sie doch eigentlich schon längst wieder bei Alessandro und Adriana sein müsste. Eingehüllt von Blütendüften, Zikadengezirp und Vogelgezwitscher ließ sie sich treiben. Ein grüner Rachen gähnte sie an, der sich zu einem Labyrinth aus Eibenhecken verengte. Vergnügt folgte sie den Kurven und Windungen im festen Glauben, der Irrgarten wäre bestimmt viel zu klein, um sich darin zu verlaufen. Sie vernahm ein Geräusch, so vertraut, dass sie ihm zuerst gar keine Beachtung schenkte. Erst als das laute Zjuck-zjuck-zjuck ein zweites Mal ertönte, hob sie den Kopf. Die grünen Wände umrahmten ein Stück Himmel, das gerade von einem Wanderfalken durchkreuzt wurde.

      Jetzt hatte Valeria es eilig, das Labyrinth zu verlassen, aber so einfach, wie sie sich das gedacht hatte, war das gar nicht. Die Kreuzungen und Biegungen sahen sich zum Verwechseln ähnlich und immer wieder fand sie sich an einem kleinen Brunnen mit einem steinernen Engel wieder. Das Plätschern des dünnen Wasserstrahls klang wie ein Kichern, und als Valeria zum dritten Mal dort vorbeikam, hätte sie schwören können, dass die Putte sie zwischen ihren fetten Pausbacken hervor boshaft angrinste.

       Keine Panik, schalte lieber dein Hirn ein!

      Sie achtete auf den Stand der Sonne, um festzustellen, in welche Richtung sie sich bewegte, dann markierte sie jede der Abzweigungen, die sie nahm, mit herabgefallenen Pinienzapfen. Nachdem sie mehrere Varianten durchprobiert hatte, fand sie schließlich den Ausgang.

      Der Falke hatte sich inzwischen im Geäst einer Zeder niedergelassen und blickte mit schräg geneigtem Kopf zu ihr herab. Als Valeria ihn ansah, hob er die Flügel und fächelte sich Luft ins Gefieder, was aussah, als würde er sie grüßen. Valeria winkte ihm zu und rief übermütig: »Na, du Schlawiner, hast du die weiße Taube auf dem Gewissen?«

      »Mit wem redest du da?«

      Valeria wirbelte herum und erschrak beinahe zu Tode. Da stand leibhaftig die Vogelscheuche aus dem Gemüsebeet. Sie war klein und zierlich, fast wie ein Kind. Ihr Gesicht, beschattet von einem schwarzen Kopftuch, wurde von strengen, tief eingegrabenen Furchen durchzogen, dunkle Augen brannten tief in den Höhlen.

      Jetzt kam sie auf Valeria zu. Eine dürre, blau geäderte Hand schnellte unter den Rüschen ihres Ärmels hervor. Valeria wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

      »Hat er dich hergeholt?« Die Stimme der Alten knarrte wie trockenes Holz.

      Valeria brachte vor Schreck keinen Ton heraus.

      »Du musst dich in Acht nehmen! Ich an deiner Stelle würde lieber verschwinden.«

      Valerias Kehle war noch immer wie zugeschnürt. Halb fasziniert, halb erschrocken starrte sie die Erscheinung an. Wovon redete sie da? Wovor genau sollte sie sich in Acht nehmen? Konnte es sein, dass die Alte sie mit Lucia verwechselte? Valeria wollte den Irrtum gerade richtigstellen, da hörte sie einen Ruf durch den Garten schallen. »Hey, hallo, wo steckst du?«

      Matteo. Schon tauchte seine Gestalt hinter einem Feigenbaum auf und Valeria winkte ihm zu wie eine Schiffbrüchige. »Hier. Ich bin hier!«, rief sie und registrierte mit Schrecken, dass sie so heiser klang wie eine Krähe im Nebel. Als sie sich wieder nach der alten Frau umdrehte, ging diese bereits mit wehenden Gewändern und den raschen Trippelschritten einer Maus auf das kleine Torhaus zu, das sich im Schatten der Mauer ins Grün duckte.

      Matteo war näher gekommen und wünschte ihr einen Guten Tag.

      »Ciao«, sagte Valeria, deren Erleichterung nun der Verlegenheit wich. Hatte er sie in das Zimmer unterm Dach gebracht, womöglich

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