Sonst brichst du dir das Herz. Susanne Mischke

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sonst brichst du dir das Herz - Susanne Mischke страница 15

Sonst brichst du dir das Herz - Susanne Mischke

Скачать книгу

ist Lucia?«, fragte Valeria. Sie verspürte das dringende Bedürfnis, sie zu sehen. Lucia, davon war Valeria überzeugt, würde alles ins Lot bringen, sie würde all ihre Bedenken und ihre Scham mit einer ironischen Bemerkung und einem Lachen wegwischen.

      Matteo legte seine Hand auf ihre Schulter. »Komm mit«, sagte er. »Wir müssen mit dir reden.«

      Sie saßen am Küchentisch. Matteo, Claudio und Fabiana, die in einem schlichten Sommerkleid deutlich harmloser aussah als gestern Abend. Valeria hatte ihnen gegenüber Platz genommen und allein dadurch fühlte sie sich unwohl. Drei gegen eine. Die Angeklagte vor ihren Richtern. Fabiana hatte ihr auf ihren Wunsch hin eine Tasse Milchkaffee zubereitet. In der Mitte des Tisches stand ein Teller mit diversen Gebäckstücken.

      »Wo ist Lucia denn nun?«, fragte Valeria erneut.

      »Dazu kommen wir gleich«, antwortete Fabiana.

      »Könntest du dir vorstellen, eine Weile lang hier zu wohnen?«, fragte Claudio mit einschmeichelndem Tonfall.

      Valeria sah ihn an, dann schüttelte sie langsam den Kopf. So verlockend der Gedanke auch war, woher sollte sie das Geld dafür nehmen?

      »Du müsstest nichts bezahlen«, fügte Claudio hinzu, geradeso, als stünden ihre Gedanken auf ihrer Stirn geschrieben. »Auch nicht fürs Essen. Für gar nichts.«

      Valeria musste an eine von Mrs Wilsons Lebensweisheiten denken, wonach nichts im Leben umsonst sei.

      »Du würdest uns damit einen Gefallen tun«, sagte Fabiana mit einem gezwungenen Lächeln.

      »Wieso?«, fragte Valeria verwirrt.

      Claudio holte tief Atem und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Er war unrasiert und wirkte ebenfalls ein wenig verkatert. Kein Wunder, der hatte gestern ja ordentlich gebechert, fiel Valeria ein. Aber er sah immer noch sehr gut aus, das musste sie zugeben.

      »Es ist so: Die Villa gehört Lucias Vater. Sandro Bertone.« Er machte eine kurze Pause, als wollte er den Worten Zeit geben, ihre Wirkung zu entfalten wie einem Teebeutel. Aber Valeria reagierte nicht, also fuhr Claudio fort: »Er lässt uns hier wohnen, damit Lucia nicht allein ist. Lucia sollte eigentlich demnächst mit ihrem Studium beginnen, aber sie ist …«

      »Sagen wir es doch, wie es ist«, unterbrach ihn Fabiana. »Meine Cousine ist ein verwöhntes Gör mit einem reichen Vater, die alle naselang einen anderen Furz im Hirn hat.«

      »Äh, ja. Das kommt ungefähr hin«, meinte Claudio. »Wie gesagt, sie sollte hier in der Villa Aurelia wohnen, solange sie in Rom studiert, aber aus irgendeinem Grund, den sie uns leider nicht mitgeteilt hat, ist sie heute Morgen verschwunden.«

      »Wie verschwunden?« Valeria spürte, wie sich eine Leere in ihrem Inneren ausbreitete. »Ist ihr was passiert?«

      »Nein, nein, nein«, beruhigte sie Matteo. »Ihr ist bestimmt nichts passiert.«

      »Sie hat Gepäck mitgenommen«, erklärte Fabiana. »Weiß der Teufel, wo sie sich herumtreibt, vermutlich steckt ein Kerl dahinter. Es ist nicht das erste Mal, dass sie so was macht. Deshalb sollte ich als ihre Cousine ein Auge auf sie haben. Aber ich bin schließlich nicht ihr Kindermädchen, und wenn Lucia sich was in den Kopf gesetzt hat, dann hält nichts und niemand sie davon ab.« Fabiana seufzte und legte ihre Stirn in Kummerfalten.

      »Sie muss uns gestern was in den Wein getan haben, damit wir möglichst lange pennen und sie in Ruhe abreisen konnte«, sagte Claudio.

      Valeria mochte kaum glauben, was sie da hörte. Allerdings würde das so manches erklären.

      »Wir dürfen es ihr nicht übel nehmen«, sagte Matteo. »Sie ist eben manchmal ein wenig …«

      »… exzentrisch«, beendete Claudio den Satz. »Ich wette, in ein paar Wochen kommt sie zurück und tut, als ob nichts gewesen wäre. Du musst dir keine Sorgen um sie machen.« Der Satz war an Valeria gerichtet, die ihn mit großen Augen anstarrte. »Wir haben jetzt nur ein Problem: Wenn ihr Vater merkt, dass Lucia gar nicht mehr hier wohnt, dann fliegen wir sofort hier raus. Und das wollen wir natürlich nicht. Es lebt sich nämlich recht angenehm hier, nicht wahr?« Er warf einen Blick in die Runde. Die anderen beiden nickten. »Oder gefällt es dir etwa nicht, Valeria?«

      »Was? Nein. Ich meine, ja, es ist … toll«, stammelte Valeria, deren Verstand Mühe hatte, das Gehörte zu verarbeiten.

      »Und nun kommst du ins Spiel …«, begann Matteo. »Wie du vielleicht inzwischen bemerkt hast, siehst du Lucia verdammt ähnlich. Wenn du hier wohnen könntest, bis Lucia wieder zurück ist, würde kein Mensch merken, dass sie weg ist.«

      »Wer sollte es denn merken?«, fragte Valeria und setzte in Gedanken hinzu: Hier ist doch eine eigene Welt, wer kann denn schon hinter diese Mauern schauen?

      »Zum Beispiel Giancarlo, der Gärtner«, sagte Matteo.

      »Oder der Drache«, ergänzte Fabiana.

      »Sie meint die alte Signora Vastano, die im Torhaus wohnt«, erklärte Matteo. »Du hast sie vorhin im Garten gesehen. Sie war früher die Haushälterin von Lucias Vater und hat ein Auge auf den Besitz, wenn keiner da ist.«

      Wie reich musste Lucias Vater sein, wenn er so eine Villa leer stehen ließ?, fragte sich Valeria. Und was war mit Lucias Mutter? Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Fabiana erschrocken rief: »Was? Der Drache hat sie schon gesehen?«

      »Ja, aber ich glaube, sie hat mich mit Lucia verwechselt«, sagte Valeria.

      »Hoffentlich!«, stieß Fabiana hervor und erklärte: »Sie mag uns nämlich nicht. Sie würde uns sofort auffliegen lassen, wenn sie wüsste, dass Lucia weg ist.«

      »Warum mag sie euch nicht?«

      »Weil sie ein alter Drache ist.«

      Claudio riss das Gespräch wieder an sich, indem er sich an Valeria wandte: »Also haben wir uns Folgendes überlegt: Du müsstest einfach nur in Lucias Zimmer wohnen und so tun, als wärst du sie.«

      Einfach? Nichts daran war einfach. Lucia sah ihr zwar ähnlich, doch das war dann auch schon alles. Nie im Leben würde Valeria sich so geben können wie Lucia. Ihr fehlten deren lässige Eleganz, die Spritzigkeit und Wortgewandtheit – und vor allen Dingen Lucias Selbstbewusstsein. »Aber ich kenne sie doch gar nicht«, sagte Valeria. »Und was wird Lucia dazu sagen, wenn ich …«

      Claudio lachte, wobei seine blendend weißen Zähne aufblitzten. »Du Schäfchen, was glaubst du wohl, warum du hier bist?«

      Valeria sah ihn nur verständnislos an.

      »Wie ich Lucia kenne, hat sie das bestimmt eiskalt eingeplant«, meinte Fabiana. »Wahrscheinlich kam ihr die Idee, als sie dich im Park gesehen hat und ihr aufgefallen ist, wie ähnlich ihr euch seht.«

      »Warum hat sie mich dann nicht selbst gefragt?«, entgegnete Valeria.

      Claudio schüttelte den Kopf. »Weil sie eben Lucia ist. Lucia Bertone bittet niemals jemanden um etwas, sie schafft einfach Tatsachen.«

      »Und wenn ich nun etwas anderes vorhätte?«, fragte Valeria, die Lucias Benehmen – wenn es sich denn so verhielt, wie die anderen behaupteten – ganz und gar unmöglich

Скачать книгу