Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis. Meinhard-Wilhelm Schulz

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Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis - Meinhard-Wilhelm Schulz

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      »Darum bin ich ja hier«, sagte der Tenente seufzend, »denn wenn nicht bald etwas geschieht, findet der dritte Frauenmord statt. Giulio Marcello, mein Chef, hat mich schon zur Schnecke gemacht und wartet auf Erfolge. Die Schreiberlinge vom ‚Corriere della Sera‘ werden über mich und meine Männer nur so herfallen, wenn es so weiter geht, allen voran dieser widerliche Schreiberling Alberto Scimmia, dieser Affe.

      »Gut, gut«, sagte Volpe, »der Doktor und ich werden uns der Sache annehmen. Freilich müssten wir dabei absolut freie Hand haben. Kannst du uns das zusichern?«

      Aufatmend sagte Ambrosio, es sei ihm alles recht, wenn nur dieses Morden endlich aufhörte. Volpe und ich standen auf, um uns frisch zu machen. Dann begaben wir uns mit dem Tenente aufs Revier. Venedigs Gassen lagen noch still, einsam und verlassen da. Die Sonne war gerade erst aufgegangen. Schweigend gelangten wir zur Station, wo uns Marcello schon mit geschwollener Rübe und grimmiger Miene erwartete.

      5. Teil: Auf dem Revier

      Grußlos wortlos führte er uns die Treppe hinunter ins Gewölbe des Kühlraumes. Ein Amtsdiener begleitete uns. Schließlich waren wir an diesem schaurigen Ort angekommen. Zwei Körper waren mit Tüchern bedeckt. Marcello zog sie weg. Darunter waren zwei leblose Körper verborgen gewesen, beide auf dem Rücken liegend. Ich sah hin und musste würgen. Volpe und der Tenente starrten auf die scheußlich zugerichteten Kehlen hinab. Unverkennbar waren es zwei Frauen, wie sie in Gestalt und Aussehen unterschiedlicher nicht hätten sein können:

      Die eine war beinahe dunkelhäutig, von gedrungener Figur, eher klein als groß; Arme und Beine dick und kurz; der Körper aus übereinander liegenden Wülsten bestehend; Doppelkinn; dicke Lippen, breite Nase, krauses schwarzes Haar.

      Leuchtend weiß die Haut der anderen, das lange Haar dunkelblond mit einem Hauch von rötlich, ein sommersprossiges feines Gesicht mit schmaler Nase und filigranen Lippen; der Körper schlank und mit langen Beinen. So erschien die zweite. Es war schmerzlich für mich, eine so hübsche Frau in der Blüte des Lebens hinweg gerafft zu sehen.

      Volpe beugte sich erst über das Gesicht der einen, dann der anderen, um sie in Augenschein zu nehmen. Insbesondere die Schnitte betrachtete lange und gründlich durch seine Lupe. Dann zauberte er ein Maßband aus der Tasche hervor und legte es erst neben die erste, dann neben die zweite Leiche, um es sorgsam wieder einzurollen. Schließlich straffte er sich und sagte:

      »Der Mörder hat meine Größe und verwendet ein und dieselbe Waffe. Wenn wir ihn fest genommen haben, wird es sich zeigen, dass dieser Dolch scharf wie ein Rasiermesser ist, aber in der Mitte der Schneide eine Macke aufweist.

      Indem er zwei so gegensätzliche Frauen umbrachte, wollte er die Meldung, er habe etwas gegen Huren, entkräften. Ob er ganz allgemein etwas gegen Frauen hat, was man mit einbeziehen sollte, muss als unbewiesen in der Schwebe bleiben.«

      Ambrosio und Marcello schüttelten die Köpfe. Marcello hub in seinem Kohlenkellerbass an:

      »Mein lieber, guter Volpe, bekanntlich unterscheiden sich unsere Methoden von den deinigen in dieser oder jener Kleinigkeit, aber deine Mutmaßungen über die Größe des Täters und die Details seiner Waffe entbehren doch wohl jeder Grundlage.«

      »Keineswegs«, sagte Volpe bedächtig, »wenn ihr euch die Schnitte nur genau genug anseht, werdet ihr umgehend zu meiner Meinung übergehen.«

      Der Tenente und Marcello beäugten die Kehlen der Ermordeten erneut, ohne irgendetwas Neues zu bemerken. Ich schloss mich ihnen an und kam ebenfalls zu keinen bemerkenswerten Ergebnissen. Volpe seufzte und sprach:

      »Fangen wir mit der Größe der dahin Gemeuchelten an! Die ‚Amsel‘ ist klein und von gedrungener Gestalt. Zu Lebzeiten reichte sie mir nicht einmal bis zur Schulter. Ihre Leidensgenossin hingegen ist schlank und groß. Ich schätzte ihre Größe ungefähr auf meine, und das wäre nicht wenig. Das Maßband brachte dann Gewissheit: Sie ist tatsächlich fast so groß wie ich.«

      »Schön und gut«, sagte Marcello verärgert, »aber wie soll uns das bei der Aufklärung des Falles weiterhelfen?«

      »Ganz einfach: Man muss nur die Verschiedenheit der beiden Kehlschnitte beachten, dann ist alles klar.«

      »Lieber Volpe«, mischte ich mich ein, »sie gleichen einander wie ein Ei dem anderen.«

      Ambrosio und Marcello nickten zustimmend. Volpe sagte:

      »Bei der Merio geht der Schnitt vom Eintritt in die Haut und dann ins Fleisch hinein leicht abwärts. Bei der anderen Frau erfolgt er hingegen waagerecht.«

      Der Tenente, Marcello und ich beugten uns erneut über die zwei Leichen. Der Angestellte hielt eine Lampe ganz nahe heran, und indem wir unsere Köpfe gleichzeitig wieder hoben, gaben wir Volpe unumwunden Recht. Er hatte besser als wir beobachtet.

      »Und was sollen wir damit anfangen?«, knurrte Ambrosio.

      »Gehen wir der Schilderung des ersten Falles nach, den ein Passant beschreiben konnte: Der Mörder kommt von hinten, nimmt die Frau mit dem linken Arm in den Schwitzkasten, um ihr mit dem Dolch in der rechten Hand die Kehle abzuschneiden. Da der Schnitt von oben nach unten erfolgte, war er größer als das Opfer. Bei der Ermordung der Handwerkersfrau war kein Zeuge zugegen, aber man kann davon ausgehen, dass der Vorgang dem ersteren glich. Hier seht her! Der Schnitt erfolgte waagerecht.

      Ambrosio, ich nehme jetzt dieses Lineal hier in die rechte Hand. Es soll das Messer des Täters darstellen, und jetzt stelle dich genau vor mich!«

      Der Tenente stellte sich vor ihn. Beide erwiesen sich als ungefähr gleich groß. Volpe setzte ihm den ‚Dolch‘ an die Kehle, während er ihm den linken Arm um die Brust legte. Wir alle sahen, dass die ‚Schneide‘ waagerecht stehend kam.

      »Gut, schön, wunderbar«, sagte Marcello gedehnt, nahm das Lineal und legte es wieder auf den Tisch, »dann wissen wir also, wie groß der Täter ist. Aber wie kannst du behaupten, dass wir bei der Waffe ausgerechnet nach einem Dolch fahnden müssen? Warum kein schlichtes Küchenmesser?«

      Volpe stöhnte und seufzte:

      »Dann schaut euch den Schnitt an der Kehle beider Frauen doch noch einmal an! Wenn ihr gute Augen habt, seht ihr das Ungleiche der Führung. Statt einer geraden Linie sind es kaum wahrnehmbare Schwünge, wie ein ungemein flacher und gewiss kaum sichtbarer Mäander, und so etwas kommt beispielsweise von einem Bowie Knife, aber nicht von einem Brotmesser.«

      »Warum könnte es nicht von irgendeinem anderen Messer kommen«, fragte ich in meiner Dummheit:

      »Ich kenne alle Messertypen von Berufs wegen und habe sie ausgiebig studiert. Nur ein Bowie Knife weist diesen Schliff auf. All die anderen großen, für den Haushalt hergestellten Messer, haben eine gerade Schneide und sind preiswerter als dieser Dolch da, der rein zum Töten konstruiert ist. Ihn öffentlich zu tragen, ist verboten, und er kommt auch nicht in den Handel. Also dürfte der Mörder aus gut betuchten Verhältnissen stammen.«

      »Und woher willst du wissen, dass das Messer beschädigt ist?«

      »Davon, mein Bester!«, sagte Volpe und deutete ungefähr auf die Mitte der beiden Wunden:

      »Der sonst glatte Schnitt ist hier unterbrochen, wo die Haut ein Wenig ausgefranst

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