Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
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Am nächsten Vormittag saßen wir im Besprechungszimmer von Kriminaldirektor Bock. Jürgen und Olli hatten von ihrem nächtlichen Treffen mit ihrem Informanten berichtet.
Max Herter hatte bereits auf elektronischem Weg alles zusammengetragen, was über den Fall Gerald Wirtz auf die Schnelle greifbar war.
Kriminaldirektor Bock fragte ihn nach seiner spontanen Einschätzung.
„Also ganz ehrlich, das sieht nach einem Routinefall aus. Gerald Wirtz hat die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und ist gegen den Beton gefahren.“
„Ist ein zweites Fahrzeug daran beteiligt gewesen?“, fragte Kriminaldirektor Bock.
„Es wurden keine Anzeichen dafür gefunden“, erklärte Max Herter.
„Vielleicht wurde nicht richtig ermittelt“, vermutete Rudi. „Tatsache ist doch, dass die Aussage von Jürgens Informant einen plausiblen Grund dafür bietet, warum Roswitha Delgado unbedingt Immunität haben will und offenbar gar nicht so furchtbar stark daran interessiert ist, dass Vladi Gruschenko und seine Bande hinter Schloss und Riegel landen. Schließlich müsste sie dann befürchten, dass auch die alte Geschichte ans Licht kommt...“
„Also ich will mir die Unterlagen gerne genauer ansehen und habe auch vor, mit den damals ermittelnden Beamten der Schutzpolizei und der Autobahnpolizei zu telefonieren. Aber mein Instinkt sagt mir, dass da nicht viel dran ist.“
„Fest steht aber auch inzwischen, dass Roswitha Delgado auf verschlungenen Pfaden an den Schweigegeldzahlungen an ihrem Bruder beteiligt war“, erklärte unserer Wirtschaftsfachmann Nick Nörtemöller. „Und daneben haben sie auch Zahlungen in erheblichem Umfang erreicht, die nicht von ihrem Bruder kamen, sondern aus einer Quelle, die wir zum Gruschenko Imperium zählen. Da ist eine Firma auf den Cayman Island. Einer der Teilhaber ist Artur Titow, Gruschenkos Lieblingsneffe.“
„Vielleicht sollten wir Roswitha einfach mal die Frage stellen, die mein Informant mir übermittelt hat und sehen, wie sie reagiert.“
„Sie wollen gleich zu ihr fahren?“, fragte Kriminaldirektor Bock.
Jürgen nickte. „Sobald wir hier fertig sind.“
„Vielleicht sollten wir ihr noch eine ganz andere Frage stellen“, sagte ich. „Es ist doch eigenartig, dass Jochen Delgado trotz all seiner Vorsichtsmaßnahmen von Roger Mackendorff gefunden werden konnte?“
In diesem Moment unterbrach eines der Telefone auf Kriminaldirektor Bocks Schreibtisch unsere Unterhaltung. Unser Chef ging an den Apparat.
Nachdem das Gespräch beendet war, wandte er sich an Jürgen und Olli.
„Da ist etwas mit Ihrem Wagen, Jürgen...“
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Wir standen auf dem Parkplatz, der zum Präsidium gehörte. Der Wagen, den Jürgen zur Zeit benutzte stand mit anderen in einer Reihe. Das Fahrzeug daneben gehörte ebenfalls zu den Beständen unserer Fahrbereitschaft, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah. Es handelte sich um einen Lieferwagen, der den Aufdruck einer Pizzakette trug.
Aber das war alles nur Tarnung.
In Wahrheit war dieser Lieferwagen vollgestopft mit modernster Abhörtechnik.
Alex Höwekötter, einer unserer BKA-eigenen Abhörtechniker war ebenso anwesend wie unser Erkennungsdienstler Erich Steinburg.
„Die Sache ist ganz einfach“, berichtete Alex Höwekötter. „Ich habe einen Gerätetest durchgeführt und da hatte ich plötzlich einen Sender auf dem Schirm. Ein handelsübliches GPS-Modul, das wir in ähnlicher Form ja auch selbst einsetzen, um eine Verfolgung von Fahrzeugen durchzuführen.“
„Gestern, die beiden Typen, die sich am Wagen zu schaffen gemacht haben...“, stieß Olli hervor.
Unser Erkennungsdienstler Erich Folder, der bis jetzt neben dem Vorderrad gekniet hatte, erhob sich. „Wenn ich das Ding jetzt abnehme, müssen wir damit rechnen, dass derjenige, der es angebracht hat das mitbekommt“, sagte er.
„Lass es dran!“, bestimmte Jürgen Carnavaro. Er nickte leicht. „Jetzt wird mir einiges klar“, murmelte er. „Tom Abu-Khalil scheint ein Doppelspiel zu spielen. Vielleicht ist er entsprechend unter Druck gesetzt worden, das weiß ich nicht. Aber die ganze Aktion dient wohl nur einem Zweck: Herauszubekommen, wo Roswitha Delgado sich derzeit aufhält. Deswegen wollte Tom Abu-Khalil mich dazu bringen, möglichst schnell zu der konspirativen Wohnung zu fahren, in der sie im Moment untergebracht ist...“
„Das lässt sich doch ausnutzen“, meinte Kriminaldirektor Bock.
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„Es sind fast alle tot, die uns belasten könnten“, stellte Vladi Gruschenko fest. „Das ist gut... Man kann daraus etwas lernen. Zum Beispiel, dass man manche Dinge schnell erledigen sollte – so lange man die Möglichkeit dazu hat.“ Vladi Gruschenko nippte an einem Glas Rotwein, während Artur Titow unruhig auf und ab ging. „Bei Jochen Delgado hätte ich damals schneller handeln müssen, das ist mir heute klar.“
„Dann hätten wir heute ein paar Probleme weniger!“, stellte Artur Titow fest. „Man hätte Jochen Delgado beizeiten umlegen sollen, so wie wir es mit Dima Modesta gemacht haben!“
„Man lernt aus seinen Fehlern.“
„Dieser Fehler wird nicht noch einmal passieren“, kündigte Artur Titow an. „Onkel Vladi, ich habe mit einigen anderen in der Organisation gesprochen und bin überall auf dieselbe Meinung gestoßen.“
Vladi Gruschenko horchte auf. Der Blick seiner Augen wirkte auf einmal sehr viel wacher. Er zog die Brauen zusammen, sodass auf seiner Stirn eine Furche entstand, die