Gin - Alles über Spirituosen mit Wacholder. Karsten Sgominsky

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Gin - Alles über Spirituosen mit Wacholder - Karsten Sgominsky

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verhältnismäßig schwach alkoholisch und wohl kaum genießbar war.

      Kaiser Friedrich II. (1194 – 1250) des Heiligen Römischen Reiches war ein großer Förderer der Naturwissenschaften und erhob Salerno zu ­einer strukturierten Ausbildungsstätte, an der auch Frauen als Schüler, Lehrer und praktizierende Ärzte zugelassen waren.

      Die Bedeutung von Toledo und Salerno besteht also darin, dass eine Vielzahl von Naturwissenschaften dem europäischen Raum zugänglich gemacht wurden, was dem Fortschritt auf vielen Gebieten zuträglich war. In Bezug auf das hier vorliegende Thema hat Salerno eine besondere Stellung, weil man sich dort über Jahrzehnte mit der Destillation befasste und die gewonnenen Erkenntnisse dem medizinischen Fortschritt zugutekamen.

      Wacholder & aqua vitae

      Das erlangte Wissen blieb nicht allein und exklusiv in Salerno, sondern verbreitete sich rasch nordwärts. Es erschienen mehrere Werke von Autoren, die nichts mit Salerno oder Toledo zu tun hatten, wie zum ­Beispiel das «Liber de natura rerum» («Buch der natürlichen Dinge») von Thomas von Cantimpré , einem in Brabant (im ­heutigen Belgien) geborenen geistlichen Gelehrten, der unter anderem die medizinische Wirkung von Wacholderbeeren und Wacholderöl beschrieb und sich hauptsächlich antiker Quellen bediente.

      Ohne explizit genannt zu werden, diente von Cantimprés Werk dem ­Niederländer Jacob van Maerlant (ca. 1230 – 1300) als Hauptquelle, als dieser seine in Versform verfasste Naturenzyklopädie «Der naturen bloeme» zwischen 1266 und 1269 in Damme (bei Brügge) schrieb. Es handelt sich hierbei um die älteste Referenz in niederländischer ­Sprache, die Wacholder behandelt. Jüngsten Forschungen zufolge bezweckte er damit, den auf Griechisch und Latein begrenzten Kreis der für Wissenschaften verwendeten Sprachen um das Niederländische zu erweitern. In seinen Versen beschreibt van Maerlant, dass Wein oder Regen­wasser, in denen Wacholderbeeren gekocht wurden, gegen Bauchschmerzen und Magenkrämpfe hülfen. Destillation wird hingegen im ganzen Buch nur einmal genannt: Aus Wacholderholz destilliertes Öl sei eine reichhaltige Medizin, die zur Bekämpfung einer Vielzahl von Krankheiten, wie z. B. Fieber, Epilepsie oder Arthritis, tauge.

      Interessant ist auch das Buch «Liber ignium ad comburendos hostes» («Buch des Feuers zum Verbrennen der Feinde»), über dessen Ent­stehungs­datum keine Einigkeit herrscht und als dessen Verfasser ein Marcus Graecus vermutet wird, über den historisch jedoch nichts ­bekannt ist. Im Grundtenor ins 12./13. Jahrhundert eingeordnet, ­beschreibt es hauptsächlich die Herstellung von Sprengpulvern und ­erwähnt ein aus Wein destilliertes «aqua ardens», dessen Entflammbarkeit durch das Hinzufügen von Schwefel erhöht werden kann und das die damals (und auch heute noch) bemerkenswerte Eigenschaft hatte, dass es, wenn man es auf ein Tuch träufelte und anzündete, brannte, ohne dabei den Stoff zu verbrennen.

      Federführend bei der Verbesserung der Destilliertechniken war der ab 1264 in Bologna unterrichtende Arzt Taddeo Alderotti (auch als ­Thaddäus Florentinus bekannt), der diese insbesondere in seinem Werk «De ­virtutibus aquae vitae et eius operationibus» («Von den Tugenden des Lebenswassers und seinen Anwendungen») darlegte. Er entwickelte ein Kühlungssystem, was es ihm ermöglichte, hochprozentigen Alkohol zu ­gewinnen. ­Was bewirkte diese Kühlvorrichtung? Die Siedepunkte für Wasser und Alkohol sind unterschiedlich hoch. Will man aus dem zu destillierenden Wein den Alkohol herausfiltern, muss die Siedetemperatur von Alkohol (78,3 °C) erreicht werden, ohne aber die des Wassers (100 °C) zu erreichen, sonst steigen beide Dämpfe gleichzeitig auf, vermischen sich und kondensieren gemeinsam. Etwas mehr als 100 ­Jahre zuvor arbeitete Magister Salernus ohne Kühlung, weshalb ihm «nur» das «aqua ardens» gelang. Alderotti hingegen fand heraus, dass es ­unerlässlich ist, das Ablaufrohr ständig zu kühlen, um den Alkohol rasch kondensieren zu lassen, bevor er sich mit später aufsteigenden Wasserdämpfen vermischen kann. Nur das kontrollierte Zusammenspiel von Hitze und Kühlung lässt durch mehrfache Destillation reinen Alkohol entstehen und dieses Verfahren, das bis heute Grundlage der Alkoholdestillation ist, hat Alderotti entwickelt.

      Taddeo Alderotti nannte sein destilliertes Wasser «aqua vitae» – ­Lebens­wasser –, welches nach mindestens vier Destillationen «perfecta» sei. Im Gegensatz zum «aqua ardens» verbrannte es ein darin ­getränktes Tuch vollständig. Er unterschied zwischen einfachem ­(«simplex» – also dem puren Destillat) und zusammengesetztem ­(«composita») ­Lebenswasser. Letzteres ging aus der Erkenntnis ­hervor, dass «aqua vitae» die Eigenschaft aufwies, die Heilkraft von Kräutern, Blüten und Wurzeln aufzunehmen, wenn man diese ins «aqua vitae» einlegte.

      Es entstand also Wasser, das einen von innen wärmte; Wasser, das Heilkräfte besaß; Wasser, das von Feuer vertilgt wurde (und nicht ­umgekehrt!). War das der Weg zum Elixier der Unsterblichkeit? Leider nein. Alderotti pries zwar außerordentlich die vielseitige Wirkung der verschiedensten «compositas» auf die Gesundheit des Menschen und erachtete sie als lebensverlängernd, mahnte aber zu einem bedachten, dosierten, am besten mit Wein verdünnten Gebrauch dieses kraftstrotzenden Heilmittels.

      Zusammenfassend kann man sagen, dass Taddeo Alderotti mit seiner Entwicklung und dem daraus entstandenen Resultat eines hochprozent­igen Branntweins mit Heilwirkung sowohl der Medizin und Chemie ­entscheidend zum Fortschritt verhalf, als auch den Grundstein der Pharmazie und – im erweiterten Sinne – der Destillationsindustrie legte.

      Pest und Medizin

      Als die große Pestepidemie – der «Schwarze Tod» – von 1347 bis 1353 in Europa grassierte und ein Massensterben verursachte, dem ein Drittel der Bevölkerung Europas (ca. 25 Millionen Menschen) zum Opfer fiel, wurde fieberhaft nach Heilmitteln gesucht, denn selbst Gelehrte und Mediziner standen dieser Seuche hilflos gegenüber. Alte Schriften ­wurden konsultiert und unzählige Pflanzen zur Bekämpfung ausprobiert, darunter auch Wacholder, der in den verschiedensten ­Formen Anwendung fand. Man entfachte z. B. große Wacholderfeuer, die die Luft von Krankheitserregern reinigen sollten. In den Räumen mit Erkrankten wurden Wacholderzweige verräuchert, um zu desinfizieren und «böse Geister zu vertreiben». Elixiere aus Wacholderbeeren ­wurden gleichsam Pestkranken und den noch Gesunden gereicht, denn obwohl der Wacholder keine heilende Wirkung erzielte, so erwies er sich doch als probates Mittel zur Vorbeugung und Linderung. Während der nun über die Jahrhunderte in weiten Teilen Europas immer wieder ausbrechenden Pest wurde stark auf Wacholder zurückgegriffen.

      Unter den Ärzten und Heilkundigen entwickelte sich eine neue Form der Prävention: Um sich vor Ansteckung zu schützen, trugen sie einen ­Komplettschutz in Form von langen Mänteln, Handschuhen, einem Stock (um die Erkrankten nicht direkt berühren zu müssen) und Kapuzen mit Schutzmaske, in die häufig ein «Schnabel» eingebaut war, der mit einer Mischung aus wohlriechenden Kräutern und Wacholderbeeren gefüllt war, um die pestilenzartigen Ausdünstungen der Erkrankten zu über­tünchen und antiseptisch zu wirken. Der Kupferstich «Doctor Schnabel von Rom» (1656) von Paul Fürst stellt diese Maskerade sehr anschaulich dar.

      «Doctor Schnabel von Rom» Kupferstich über Schutz­bekleidung, Paul Fürst, 1656

      Im Buch «Ein guts nuczlichs buchlin von aussgeprenten wassern» von Michael Puff von Schrick (ca. 1400 – 1473) wird die Eigenschaft des Weindestillats als Träger medizinischer Wirkstoffe wegweisend manifestiert, da der Autor nicht nur die Rezepturen nach Anwendung ordnet, ­sondern auch vielseitig den Branntwein und dessen Wirkung auf den Körper lobpreist: «Wer alle Morgen trinkt in halben Löffel vol gepranten weins der wird nimmer krank.» Er bemühte sich um die ­Vervielfältigung und Zugänglichkeit des in seinem Buch übersichtlich zusammengetragenen medizinischen Wissens, um damit den Ruf des Berufsstandes Arzt und das Volk vor Kurpfuschern zu schützen. Dieser Wunsch sah sich ­allerdings erst kurz nach seinem Tode erfüllt, als sein Buch – begünstigt durch den von Johannes Gutenberg um 1450 erfundenen maschinellen Buchdruck mit beweglichen Lettern – erstmalig gedruckt und mehrfach neu verlegt wurde.

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