Gin - Alles über Spirituosen mit Wacholder. Karsten Sgominsky

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kunst zu distillieren» Hieronymus Brunschwig, Straßburg 1512

      Ein beachtlicher Meilenstein sind zweifelsohne die beiden Werke des Straßburger Wundarztes Hieronymus Brunschwig (ca. 1450 – 1512), «Das Buch der rechten kunst zu distilieren die eintzige ding» («Kleines Destillierbuch», 1500) und «Das buch der waren kunst zu distillieren» (1512). Hier schreibt er ausführlich über die «fünfte Essenz» und «aqua vitae composita», für das man Kräuter und Beeren in mehrfach destillierten Wein einlegt (mazeriert) und anschließend destilliert. Seine Werke wurden in der Folge oft ­kopiert und übersetzt, da sie in vielerlei Hinsicht als fundamentale Vorlage über das Destillieren und Extrahieren pflanzlicher Wirkstoffe zu medizinischen Zwecken dienten.

      Aus Büchern, Traktaten, Rezeptsammlungen und der eigenen Erfahrung lernend, nutzten nun viele Alchimisten, Ärzte und Heilpraktiker «aqua vitae» unter Zugabe von Kräutern und Gewürzen zur Herstellung ihrer Heiltränke, was eine schrittweise Verbesserung der Behandlungs­möglichkeiten für jedermann – inklusive des einfachen Volkes – mit sich brachte.

      Weindestillat kontra Korndestillat

      1507 wurde im thüringischen Nordhausen erstmals eine Branntweinsteuer urkundlich erwähnt. Dieser Branntwein («bornewyn») wurde ­jedoch noch nicht aus Korn, sondern üblicherweise aus Bier und Met destilliert. 1545 wurde ebenda das erste Kornbrennverbot per Rats­dekret verhängt.

      Im 500 Kilometer weiter westlich gelegenen Antwerpen sprach sich 1552 der dort ansässige Mediziner Philippus Hermanni in seinem Buch «Een constelijk Distileerboec» deutlich gegen die zunehmende Ver­wendung von Bier zur Herstellung von Branntwein (niederländisch: brandewijn) aus. Doch nicht allein jenes Aufbegehren machte ihn bekannt, sondern vielmehr ließen die ausführlich beschriebenen Destillierverfahren und -apparate plus zahlreiche Rezepturen sein Werk in den Niederlanden zu dem Handbuch für Destillateure werden.

      Hierdurch wird deutlich, dass schon im frühen 16. Jahrhundert nicht mehr nur Wein destilliert wurde, der das feine «aqua vitae» ergab, sondern auch Branntwein aus Bier, Met und schon bald darauf direkt aus Getreide gebrannt wurde. Letztere Methode verbreitete sich rasch im deutsch-niederländischen Raum, in dem sich die Destillierzentren Westeuropas befanden.

      Grund dafür ist der Unterschied in den Kosten, denn Getreide gab es überall und vergleichsweise preiswert, wohingegen Weinanbau durch schlechte Ernten und lange Kälteperioden im Norden immer seltener anzutreffen war. Die Einfuhr von Wein war natürlich ungleich teurer und der dezimiert noch lokal angebaute Wein gewiss nicht wesentlich ­billiger. Somit vollzog sich auf dem Gebiet der Branntweine bald ein Klassen­unterschied: Während die oberen Schichten, Ärzte und Apotheker ­weiterhin auf sanfteren, reineren aromatisierten Branntwein aus Wein­destillat schworen, nahmen die unteren Bevölkerungsschichten mit ­billigerem, nicht aromatisiertem Kornbranntwein vorlieb.

      Diese Entwicklung des frühen Widerstandes gegen die Getreidedestillation setzte sich durch Verbote in weiteren deutschen Städten fort. In Augsburg wurde 1570 eine Verordnung verfügt, die die Produktion von Weizenspirituosen für andere als medizinische Zwecke verbot, weil sich eine Hungersnot abzeichnete, die zwei Jahre später ihren Höhepunkt erreichte. Zu diesem Verbot kam es, als einige Stadtväter Branntweine als «gesundheitsschädlich und eine nutzlose Verschwendung von Weizen» verurteilten und diesbezüglich bereits in Kraft getretene Verordnungen der Städte Nürnberg und Frankfurt als Vorbilder ins Feld führten. Doch nicht nur Zweckentfremdung von Getreide war ihr Motiv, sondern sie warfen gleichzeitig den Branntweinherstellern vor, sie würden Weizenbrand mit legitimem, gutem Branntwein aus Wein ver­mischen und bezichtigten sie somit der Panscherei.

      Betrachten wir an dieser Stelle kurz die politische Lage Mitteleuropas in der zweiten ­Hälfte des 16. Jahrhunderts: Die Länder Niederlande, ­Belgien und Luxemburg gibt es zu jener Zeit noch nicht, sie bestehen stattdessen aus siebzehn niederländischen Provinzen, die bis nach Nordfrankreich hineinreichen und allesamt zur spanischen Krone gehören. Durch ihre Handelshäfen und Handelsflotte sind die Niederlande eine starke Wirtschaftsmacht und auch strategisch wichtig für das ­erzkatholische Spanien. Die sich durch die Reformation in den Niederlanden ausbreitende protestantische Glaubensrichtung des Calvinismus wird von der spanischen Inquisition brutal unterdrückt, was zu einer Massenflucht nach Osten in deutsche Fürstentümer und gen Westen nach Frankreich, zu starken Unruhen und 1568 schließlich zum Achtzigjährigen Krieg führt, in den sich ab 1618 der hierzulande weitaus mehr bekannte Dreißigjährige Krieg auf deutschem Boden einfügt.

      1581 kommt es zur Unabhängigkeitserklärung der nördlichen Nieder­lande unter der Führung von Wilhelm I. von Oranien, die sich zur Republik der Sieben Vereinigten Provinzen ausruft. Die südlichen Staaten bleiben die Spanische Niederlande.

      Im August 1585 unterzeichnet Queen Elizabeth I den «Vertrag von ­Nonsuch», in dem sie den rebellierenden protestantischen Provinzen der Niederlande militärische und finanzielle Hilfe zusichert. Noch im ­selben Jahr segelt eine Streitmacht von ca. 6.000 Soldaten und 1.000 Reitern unter der Führung von Robert Dudley, 1st Earl of Leicester, in die Niederlande.

      So kamen englische Truppen erstmals mit Kornbranntwein in Berührung, den die niederländischen Soldaten vor der Schlacht tranken und der ihnen extra Kampfeskraft verlieh. Obwohl nicht zweifelsfrei belegbar, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass die englischen ­Soldaten diesem Getränk den Namen «Dutch courage» («Holländischer Mut[macher]») jetzt schon gaben, wo sie noch Waffenbrüder waren, und nicht erst – wie in manchen Quellen zu lesen ist – in späteren ­Kriegen des 17. Jahrhunderts, als sie nicht mehr gemeinsam, sondern gegeneinander fochten. Fakt ist jedoch, dass dieser Branntwein durch die heimkehrenden Soldaten nach England kam, dort aber mangels Destillierwissens nicht reproduziert werden konnte und «Dutch courage» zu einem geflügelten Wort im englischen Sprachgebrauch wurde.

      In diese Periode des ausklingenden 16. Jahrhunderts fällt der für uns entscheidende Teil der Lebensgeschichte des in Köln geborenen Caspar Janszoon Coolhaes (1536 – 1615). Einst Kartäusermönch, fungierte er vielerorts im deutsch-niederländischen Raum als Minister in kirchlichen Ämtern. Mit 38 Jahren zog er in die Stadt Leiden in die ­Rapenburch (heutige Nr. 22), wo er im Februar 1575 die Eröffnungs­rede bei der Einweihung der ersten Universität der nördlichen Niederlande hielt und dort als erster Professor Theologie unterrichtete. 1582 wurde er unter Kontroversen von der Reformierten Kirche Hollands exkommuniziert und in der Folge auch von seiner Lehrtätigkeit an der Universität entbunden, da er zu liberale politische Ideen vertrat, die zu Konflikten zwischen Kirche und Kommunalregierung führten. Er ­erhielt daraufhin zwar ­weiter vom städtischen Magistrat ein Gehalt, suchte sich aber ­einen neuen Lebensunterhalt und entschied sich, ­Destillateur und ­Apotheker zu werden. Dazu belas er sich über Kräuter, über die Kunst des Destillierens und konsultierte darin Erfahrene. 1588 erschien sein Buch «Van seeckere seer costelijcke wateren» («Von ­sicher sehr köstlichen Wässern»), das in bestimmten Aspekten außerordentlich interessant ist.

      Freimütig gibt er die Autoren und Gelehrten an, deren Werke er studierte bzw. von denen er sich persönlich Rat und Hilfe holte. Im Vorwort und an weiteren Stellen im Text schreibt er, dass die meisten seiner Wässer in der Region wenig bekannt sind, weshalb man denken könnte, es seien einfache Branntweine und keine Wässer. In diesem Zusammenhang warnt er ausdrücklich vor Branntweinen, die aus den verschiedensten Getreidearten, schalem Bier und nicht mehr trinkbarem Wein destilliert werden. Diese Sorte sähe nur aus wie richtiger Branntwein, ist es aber nicht; trotzdem werden die Leute dafür zur Kasse gebeten, als wäre es welcher. Wahren Branntwein («aqua vitae») könne man nur aus gutem Rheinwein oder anderen guten Weinen machen, aber nicht aus Getreide. Der Leser solle selbst entscheiden, ob man aus einer unreinen, ungesunden Basis ein gutes, gesundes Getränk bereiten könne. Im Kapitel «Observationen» weist er auf die Bedeutung der eigenen Erfahrung hin. Seit 14 Jahren hätte er einen sehr schlechten Magen und probiere eine Unmenge an Medizin und Ratschlägen aus, aber nichts half. Seine Frau war sechs Jahre lang derart krank, dass es stadtbekannt war. Doch dank der Heilkraft

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