Auswahlband 4 Krimis: Von Huren, Heiligen und Paten - Vier Kriminalromane in einem Band. Alfred Bekker

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Auswahlband 4 Krimis: Von Huren, Heiligen und Paten - Vier Kriminalromane in einem Band - Alfred Bekker

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      Der sogenannte wahre Heilige lachte auf.

      "Das ist nicht Ihr Ernst. Deswegen sind Sie hier? Es gibt Tausende von Menschen, die im Verlauf eines Jahres unsere Veranstaltungen besuchen, an unseren Selbsterfahrungs- und Lebenshilfeseminaren teilnehmen. Vielleicht war auch Jacky Tasso darunter. Nur Gott weiß, wo genau er auf ein Zeugnis unserer Lehre traf und sich unsere Nummer notierte."

      Ich schüttelte den Kopf.

      "Das war nicht die Telefonnummer irgendeines Sorgentelefons, dass Sie eingerichtet haben, sondern Ihre persönliche Büronummer!"

      Broxon hob die Augenbrauen.

      "Ich habe keinerlei Erklärung dafür und brauche auch nicht danach zu suchen. Wenn Sie den Sachverhalt eingehender klären wollen, so fragen Sie doch einfach diesen...Jacky...wie auch immer!"

      "Unglücklicherweise spricht er momentan nicht mit uns", sagte Milo. "Für uns ist das ärgerlich, für Sie könnte es sich als glücklicher Umstand erweisen."

      "Wieso?", fragte Broxon verständnislos.

      "Weil Sie auf diese Weise die Möglichkeit hätten, als erster auszupacken", ergriff ich nun wieder das Wort.

      "Staatsanwälte machen mit Leuten, die zuerst reden sehr viel lieber einen Deal!"

      "Sie träumen doch, G-man!" Er hielt uns seine Hände hin.

      "Bitte, verhaften Sie mich und blamieren Sie sich damit so gründlich, dass die Unterwelt nie wieder Respekt vor Ihnen haben wird!"

      "Immer schön langsam", erwiderte ich.

      Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo. Ein harter Brocken war dieser Broxon. Und er hatte sich buchstäblich jede Sekunde unter Kontrolle. Nichts überließ er dem Zufall.

      Keinen Ausbruch von Emotionen, keine Bewegung. Ich hatte das deutliche Gefühl, dass er uns etwas vormachte. Aber es war sehr schwer, an ihn heranzukommen.

      Ich versuchte es mit einem Themenwechsel.

      "Wenn Sie schon Jacky Tasso nicht kennen wollen..."

      "Sie können mir nicht das Gegenteil beweisen, Agent Trevellian!", fuhr er dazwischen. Ich nahm es gelassen und fuhr fort.

      "...so werden Sie kaum abstreiten können, mit einem gewissen Roger Glasdorf bekannt gewesen zu sein."

      "Was soll das jetzt wieder?" Broxons Tonfall bekam jetzt einen ätzenden Unterton. "Glasdorf steht jetzt vor dem höchsten Richter, der seiner armen Seele sicher gnädig sein wird."

      "Man hat Ihrer Kirche damals vorgeworfen..."

      "Es gab nie irgendwelche Beweise für die Behauptungen einiger missgünstiger Zeitgenossen!", unterbrach mich Broxon. "Nehmen Sie das zur Kenntnis. Wir bemühen uns, eine Gemeinschaft gottesfürchtiger Menschen zu sein, die sich bereit macht für das Himmelreich, denn das Ende naht... Aber auch zu uns verirrt sich hin und wieder ein schwarzes Schaf."

      "So also bezeichnen Sie Glasdorf."

      "Ja, sehr richtig! Er missachtete die Gebote und wurde für seine Sünden verurteilt. Von einem Gericht zwar, dessen Zuständigkeit ich niemals anerkennen würde – aber für Ihre Maßstäbe dürfte es doch genügen!"

      "Mister Broxon..."

      "Und jetzt belästigen Sie mich bitte nicht länger. Wenn Sie etwas gegen mich in der Hand haben, so will ich gerne den Gang des Märtyrers gehen und Ihnen in die finsteren Kerker Ihrer Behörde folgen... Aber wenn nicht, lassen Sie mich bitte zufrieden. Andernfalls werde ich mich gegen Sie mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen, Agent Trevellian."

      Ich wollte noch etwas erwidern.

      Aber Milo legte mir die Hand auf die Schulter.

      "Lass uns gehen, Jesse."

      Ich starrte Broxon an. "Wir werden uns sicher bald wieder sehen", versprach ich.

      Broxon lächelte.

      "Warten wir es ab!"

      21

      Wir saßen gerade wieder im Sportwagen, als uns ein Anruf der Zentrale erreichte. Agent Sid Maddox informierte uns darüber, dass Isabel Norales tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden war. Die City Police war bereits dort.

      Milo setzte das Rotlicht auf das Sportwagen-Dach.

      Isabel Norales wohnte in der 140. Straße, Bronx.

      Bis wir dort ankamen verging trotz Rotlicht fast eine halbe Stunde. Auf den Straßen des Big Apple war mal wieder der Teufel los.

      Die 140th Street war nicht gerade eine feine Gegend.

      Isabel wohnte in einem Apartmenthaus mit heruntergekommener Brownstone-Fassade. Moos hatte sich schon in den Fugen festgesetzt. FUCK YOU!!! hatte jemand mit schwarzer Farbe dort hingeschmiert. Jeder Buchstabe so groß wie ein Mann.

      Jemand anderes hatte jeden dieser Buchstaben mit Armen, Beinen und grimmigen Vampirgesichtern versehen. Aber die Farbe dieses Künstlers war weniger haltbar und verblasste schneller.

      "Wirklich reizend hier!", meinte Milo, nachdem wir den Sportwagen in der Nähe der anderen Einsatzfahrzeuge abgestellt hatten. Das Aufgebot an uniformierten NYPD-Kollegen war ziemlich groß.

      Der Job im !VENGA! hatte Isabel sicherlich keine Reichtümer beschert und so war sie auf die relativ billige Wohnung angewiesen gewesen.

      Milo und ich zeigten unsere ID-Cards herum, wurden schnell an den eigentlichen Tatort geleitet: Die Wohnung.

      Vorher mussten wir allerdings fünf Stockwerke Treppenhaus hinter uns bringen, weil der Lift nicht funktionierte.

      Nebenbei bekam ich mit, wie ein Lieutenant der zuständigen Homicide Squad versuchte, einen Crack-Süchtige zu befragen, der auf einem der Treppenabsätze vor sich hindämmerte.

      Der Verdacht lag nahe, dass er schon zur Tatzeit hier gewesen war.

      Aber zu einer vernünftigen Aussage konnte ihn wahrscheinlich niemand mehr bewegen. Selbst der beste Verhörspezialist nicht. Das Crack vernebelte sein Hirn.

      Wir erreichten die Wohnung.

      Captain Frank Patterson von der zweiten Homicide Squad des 123. Polizeireviers begrüßte uns.

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